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Prozessbeginn gegen türkischen Nationalisten Perinçek

Dogu Perinçek, der Anführer der türkischen Arbeiterpartei am 5. März 2007 in Renens. Keystone

In Lausanne hat der Prozess gegen Dogu Perinçek begonnen, der sich wegen Verstosses gegen die Anti-Rassismus-Strafnorm verantworten muss. Er hatte wiederholt den Völkermord an den Armeniern geleugnet.

Der umstrittene Prozess könnte die Spannungen zwischen der Schweiz und der Türkei erneut verschärfen.

Zeitgleich mit der Prozesseröffnung fand in Lausanne eine Kundgebung von rund 150 Sympathisanten von Perincek statt.

Der Prozess findet unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt.Mehrere Dutzend Polizisten sichern die Umgebung des Gerichts ab.

Wer in den Gerichtssaal will, muss sich strikten Kontrollen unterziehen.

Der Präsident der türkischen Arbeiterpartei hatte im Juli 2005 bei einer Rede in Glattbrugg bei Zürich gesagt, der Genozid von 1915 an den Armeniern sei eine “internationale Lüge”. Der Kanton Zürich eröffnete daraufhin ein Verfahren wegen Verletzung der Antirassismus-Strafnorm.

Machtdemonstration

Nachdem Perinçek wegen gleicher Äusserungen auch in anderen Kantonen angezeigt worden war, übernahm der Lausanner Untersuchungsrichter sämtliche Verfahren.

Eine allfällige Verurteilung Perinçeks wäre “eine Premiere”, betont die Gesellschaft Schweiz-Armenien, die als Zivilklägerin auftritt.

Die Kundgebung, welche die Anhänger Perinçeks angekündigt hätten, bezeichnet Vizepräsident Sarkis Shahinian als Einschüchterungs-Versuch. “Das ist inakzeptabel.”

Gemäss im Internet verbreiteten Dokumenten des türkischen “Komitees Talat Pascha” (Innenminister zur Zeit des Genozids) sollen die zwei Prozesstage eine Machtdemonstration werden.

“Der Prozess gegen Dogu Perinçek ist ein Prozess gegen die Türkei”, heisst es. Zu der Kundgebung werden mehrere hundert Personen erwartet.

Völkermord anerkannt

Der Generalstaatsanwalt des Kantons Waadt, Eric Cottier, hat dagegen zum Ziel, dass der Prozess auf der juristischen Ebene bleibt und nicht zu einer historischen Debatte wird. Seine Meinung ist jedoch klar: Der Völkermord an den Armeniern ist anerkannt.

In der Schweiz haben sowohl der Nationalrat als auch hat der Waadtländer Grosse Rat den Genozid an den Armeniern anerkannt.

Die Türkei dagegen räumt zwar die von der osmanischen Armee an der armenischen Minderheit begangenen Massaker ein, weist aber von sich, dass es sich dabei um einen Völkermord gehandelt hat.

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Türkei werden seit Jahren immer wieder auf die Probe gestellt. Ob wegen des Genozids an den Armeniern, wegen der kurdischen Minderheit oder wegen Fussballspielen. Ankara und Bern versuchen immer wieder, zerbrochenes Geschirr zu flicken.

Leichte Entspannung

Der Perinçek-Prozess kommt nun zu einem Zeitpunkt, wo sich die Beziehungen gerade etwas entspannt haben. Am Freitag und Samstag empfing Blocher den türkischen Justizminister Cemil Cicek zu einem Arbeitsgespräch.

Dieses sei in offener und freundschaftlicher Atmosphäre verlaufen, teilte das Justiz- und Polizeidepartement mit. Der Prozess sei “kein offizielles Thema” gewesen.

Das Aussenministerium will den Prozess nicht kommentieren und verweist auf die Gewaltentrennung. Die türkische Botschaft in Bern will den Prozess aufmerksam verfolgen und nach dem Urteil Stellung nehmen.

Dogu Perinçek selber glaubt nicht, dass er wegen der Leugnung des Armenier-Genozids verurteilt wird. Er glaubt, dass die Stimmung am Kippen sei und begrüsst die Stellungnahmen von Bundesrat Christoph Blocher.

swissinfo und Agenturen

Dogu Perinçek, dem Chef der Türkischen Arbeiterpartei, werden Verstösse gegen die Antirassismus-Strafnorm zur Last gelegt. Er hatte im Sommer 2005 in Reden in den Kantonen Waadt, Zürich und Bern zur Armenierfrage gesprochen und dabei den Völkermord an den Armeniern im Jahr 1915 in Abrede gestellt.

In der Schweiz haben der Nationalrat und das Waadtländer Kantonsparlament den Genozid an den Armeniern ausdrücklich als solchen anerkannt. Dies hat zu Spannungen in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der Türkei geführt.

Die Antirassismus-Strafnorm (Artikel 261bis Strafgesetzbuch) wurde 1994 in einer Volksabstimmung mit 54,7% Ja-Stimmen angenommen und trat 1995 in Kraft.

Sie verbietet, öffentlich zu Hass oder Diskriminierung von Menschen aufzurufen, die anderen Rassen, Ethnien oder Religionen angehören. Ebenfalls unter Strafe gestellt ist das Leugnen von Völkermorden.

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