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Publikum zollt Schweizer Museen grosses Lob

Den meisten Museums-Besucher, hier im Kunsthaus Zürich, ist der direkte Kontakt mit dem "lebendigen" Kunstwerk wichtig. Keystone

Von wegen Kuhschweizer: 4 von 5 Besucher sind begeistert von dem, was ihnen Schweizer Museen bieten.

Das ist eines der überraschenden Ergebnisse der erste Studie, die Geschmack und Gewohnheiten von Museums-Besucherinnen und –Besuchern in der Schweiz untersuchte.

Ausstellungsmacher und Verantwortliche der über 900 Museen in der Schweiz können sich auf die Schulter klopfen: Sie erhalten vom Publikum Bestnoten, sowohl was den Inhalt, als auch Information, Präsentation und sogar Eintrittspreise der Ausstellungen angeht.

Dieses erfreuliche Museums-Bild ergibt eine Studie des Schweizerischen Nationalfonds, welche von Arlette Mottaz Baran, Leiterin des Instituts für Anthropologie und Soziologie der Universität Lausanne, betreut wurde. Befragt wurden insgesamt 2045 Besucher, vorab über ihren Geschmack und ihre Gewohnheiten.

Kulturelle “Wiederholungs-Täter”

Erste Überraschung: Die Mehrheit der Befragten gibt sich nicht mit einer Ausstellung pro Jahr zufrieden. Die Hälfte geht einmal pro Monat ins Museum. Gut ein Viertel gab gar an, im letzten Halbjahr mindestens zehnmal ein Museums-Ticket gelöst zu haben.

Damit seien die Kulturinteressierten in der Schweiz viermal öfter in Museen anzutreffen als beispielsweise die französischen Nachbarn, so Arlette Mottaz Baran.

Nicht untersucht wurde, wie hoch der Anteil der Museumsbesucher an der Bevölkerung ist. Oder umgekehrt ausgedrückt, wie viele Menschen in der Schweiz nie ein Museum betreten.

Kulturbeflissene Westschweizer

Zahlen darüber existieren erst für die Westschweiz. 2001/2002 gaben lediglich 7,7% der Romands an, den Fuss nie in ein Museum zu setzen. Knapp 61% sagten dagegen, dass sie “manchmal” eine Ausstellung besuchten.

Das ist immerhin deutlich mehr als in Frankreich, wo die Gruppe der gelegentlichen Museumsbesucher nur 30 bis 50% der Bevölkerung ausmacht.

Was suchen sie?

Die Motivation der Besucher ist sehr unterschiedlich: Interesse am Ausstellungs-Thema, am kulturellen Erbe sowie das Bedürfnis, sich zu unterhalten sowie Neues kennenzulernen wurden als wichtigste Gründe genannt. Die beliebtesten Häuser sind Kunst- und Historische Museen.

Das Gebotene gefällt 52,1% der Besucher sehr gut, 29% gaben gar an, sie seien total begeistert. Arlette Mottaz Baran räumt ein, dass man die Besucher angesichts dieser Zahlen etwas kritischer hätte unter die Lupe nehmen können.

Informations-Angebot ausbaufähig

Wunschlos glücklich ist das Schweizer Museumspublikum aber dennoch nicht. So gaben zwei von drei Personen an, dass sie Hinweise auf vertiefende Informationen zum Ausstellungsthema vermisst hätten.

Ein weiterer Punkt, über den Museums-Verantwortliche nachdenken sollen: Für die meisten Besucher steht die Vermittlung und die Bewahrung des Kultur-Erbes im Vordergrund, nicht blosses Vergnügen.

“Die Besucher betonen klar, dass Museen auch zur Unterhaltung da sein sollen, aber nicht nur”, sagt Arlette Mottaz Baran. Kultur dürfe keinenfalls eine blosse Inszenierung von Spektakel oder Emotionen sein.

Soziale Plattform

Die Idee eines virtuellen Museums ist nicht nach dem Geschmack des Publikums, wie die Erhebung weiter zeigte. Für die Meisten ist eine Ausstellung vorab eine direkt erfahrbare Angelegenheit, bei welcher der Austausch mit anderen Menschen wichtig ist.

Nur knapp ein Viertel der Befragten geht allein ins Museum. Die Mehrheit dagegen unternimmt die kulturellen Ausflüge zusammen mit der Familie und Freunden.

Im Gegensatz beispielsweise zu Frankreich ist das Schweizer Publikum heterogen zusammengesetzt. Ins Museum gehen nicht nur Akademiker und Gutsituierte, sondern Menschen aus allen Schichten.

Besucher-Schwund

Die Studie über die Museumsbesucher in der Schweiz soll dieses Jahr veröffentlicht werden. Mit Spannung wird bereits die Folgestudie erwartet, die genauer Auskunft geben soll, wer wie oft welche Art von Ausstellungen besucht.

Solche Daten bilden für die Museen eine Grundlage für dringend benötigte Strategien, um sich im Museumsmarkt Schweiz zu positionieren. Denn die Häuser stehen, wegen der hohen Museumsdichte, untereinander in einem harten Konkurrenzkampf.

2002 verzeichneten 371 Häusern mit 9,1 Mio. Eintritten gegenüber dem Vorjahr einen empfindlichen Besucherrückgang. 2001 waren es noch 9,6 Mio. Eintritte gewesen.

Eine Erfolgsgeschichte ist dagegen der Schweizer Museumspass, von dem im Jahr 2003 ein Drittel mehr verkauft wurde als ein Jahr davor. Ein optimistischer Ausblick in einem hart umkämpften Markt.

swissinfo, Ariane Gigon Bormann, Zürich
(Übersetzung aus dem Französischen: Renat Künzi)

Die Schweiz zählt 930 Museen und verfügt über eine der höchsten Museumsdichte der Welt.
Der Museums-Markt wächst stetig weiter: Anfang 20. Jahrhundert gab es rund 100 Museen. 1989 waren es über 600, und Ende 2002 bereits 905.
Die Hälfte der Häuser sind historische Museen.
2002 zählten 371 Häuser rund 9,1 Mio. Eintritte, 500’000 weniger als 2001 (Quelle: Verband der Museen der Schweiz).
Dagegen hat 2003 die Zahl der verkauften Schweizer Museumspässe um 34% zugenommen.

Die Studie über das Museums-Publikum ist die erste ihrer Art in der Schweiz.

Befragt wurden 2045 Besucher in 96 Museen.

Einer von fünf Besuchern stammte aus dem Ausland.

52,1% waren von den Ausstellungen begeistert, 29% sogar sehr begeistert.

90% fanden das Gebotene interessant, 54% sehr interessant.

Zwei von drei Besuchern wünschten sich Hinweise auf vertiefende Informationen.

Kunst- und historische Museen hatten den grössten Publikums-Zuspruch.

Das Publikum setzt sich aus verschiedenen sozialen und bildungsmässigen Schichten zusammen, im Gegensatz beispielsweise zum Publikum in Frankreich.

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