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Reis-Genom: Kaum entschlüsselt, schon umstritten

Chinesische Reisbauern hoffen auf bessere Reissorten - ob dies dank der Entschlüsselung des Reis-Genoms möglich sein wird, ist noch unklar. Keystone Archive

Wissenschafter des Basler Konzerns Syngenta haben gemeinsam mit weiteren Forschern die erste grosse Analyse des Reis-Genoms vorgestellt.

Gerade mehrere Artikel widmet das renommierte Wissenschafts-Magazin “Science” am Freitag dem Reis-Genom. Zwei Gruppen – neben den amerikanischen Syngenta-Forschern vom “Torrey Mesa Research Institute” ein Team aus China – stellen gleichzeitig die Rohfassung ihrer Forschung vor. Gearbeitet haben sie mit zwei wichtigen Reissorten.

Stolz präsentieren das Blatt und die Forscher ihre Arbeit – die Titelseite ziert ein Labyrinth von riesigen Reisfeldern. Dies erstaunt nicht, denn die Bedeutung des Nahrungsmittels Reis ist enorm. Weltweit ist es die wichtigste Ackerpflanze.

“Innovative Lösungen für Bauern und Konsumenten”

“Syngenta kann die Entwicklung von neuen und innovativen Lösungen für Bauern und Konsumenten weltweit beschleunigen”, schreibt Syngenta in seiner Medienmitteilung vom Freitag.

Zudem setzen die Wissenschafter auf Erkenntnisse, die über den Reis hinausgehen: Wegen der genetischen Ähnlichkeit hofft man auf Wissen auch über weitere Getreidearten wie Mais und Weizen.

Erst Rohfassung – die Arbeit beginnt erst

Ein erstes Mal hatten die Forscher – mehr als ein Jahr vor der jetzigen offiziellen Publikation – ihren Erfolg im Januar 2001 der Öffentlichkeit präsentiert. Allerdings: Auch heute noch gibt es viele Lücken und Unklarheiten. Die Genom-Analyse ist wissenschaftlich betrachtet noch nicht abgeschlossen. Dabei hat bereits 2000 Syngentas Konkurrent Monsanto erste Daten veröffentlicht.

Zudem bedeutet auch die fertige Gensequenz nichts anderes als ein Buch voller Buchstaben – lesen und verstehen können die Forscher die Sprache aber bisher nicht. Von praktischer Anwendung ist man noch weit entfernt, denn in aufwendiger Kleinarbeit muss zuerst die Funktion der einzelnen Sequenzen herausgefunden und beschrieben werden.

Erst dann können neue Reissorten mit gentechnischen Methoden hergestellt werden, wie dies die Fachleute vom Internationalen Reis-Forschungsinstitut (IRRI) in Manila, Philippinen, prognostizieren. Es würden sich, so die Hoffnungen, resistentere, fruchtbarere und vitaminreichere Reissorten züchten lassen.

Wer hat Zugang zu den Daten?

Gegen die Anwendung von Gentechnik in der Landwirtschaft haben verschiedene Nichtregierungs-Organisationen immer wieder ihren Widerstand manifestiert. Sie befürchten unter anderem, dass mit hochtechnisierten Züchtungs-Methoden besonders die Kleinbauern in Entwicklungsländern von den Agromultis abhängig werden.

Auch innerhalb der Wissenschafts-Gemeinde hatte die Science-Publikation jedoch bereits im Vorfeld für rote Köpfe gesorgt: Im März protestierten führende Genetiker, darunter der britische Nobelpreisträger Aaron Klug, gegen die Veröffentlichung.

Die Wissenschafter befürchten, dass zunehmend Arbeiten aus der Industrie mit nicht frei zugänglichen Daten veröffentlicht werden. Damit wird anderen Fachleuten die Arbeit mit dem neuen Wissen verwehrt: Dies behindere die Forschung und Entwicklung, so der Vorwurf.

Für “akademische Forscher” seien die detaillierten Angaben problemlos zugänglich, konterte Rainer von Mielecki, Leiter Kommunikation von Syngenta in Basel. Zudem arbeite man ja auch mit staatlich finanzierten Instituten zusammen.

“Die endgültige Version wird in der Genbank deponiert werden”, schreibt Syngenta in ihrer Medienorientierung. Doch wann das sein wird, ist offen.

Mit der Veröffentlichung des Reis-Genoms hat Science bereits zum zweiten Mal die Bedingungen eines privaten Unternehmens akzeptiert, das die Daten nicht frei zur Verfügung stellen wird. Bereits bei der Publikation zum menschlichen Genom der Firma Celera war dies der Fall – und eine Kehrtwende der Science-Verantwortlichen ist nicht in Sicht.

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