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Russische Banken lernen von der Schweiz

Mehr Transparenz hinter den Mauern der russischen Banken. swissinfo.ch

Ein von der Schweiz finanziertes Projekt hat die Transparenz der russischen Kreditinstitute gestärkt. Damit sind sie für ausländische Investoren attraktiver geworden.

Trotz des Wirtschaftsbooms bremsen Geheimniskrämerei und mangelnde Kontrollmechanismen weiterhin das russische Bankensystem.

Der russische Bankensektor wächst rasant. 2006 vergaben die Geldinstitute volumenmässig sieben mal mehr Kredite an Privatleute als vor drei Jahren.

Auch Firmen fragten mehr Geld nach. Doch das Geschäft bleibt riskant.

“Ohne Risiko kann eine Bank nicht arbeiten”, sagt Patrick Luternauer, Manager des Projekts Corporate Governance im russischen Bankensektor. “Entscheidend ist aber, ob sie in der Lage ist, die Risiken ihres Handelns zu kalkulieren.”

Mangelndes Risikomanagement, fehlende Transparenz der Eigentümerstrukturen und eine unzureichende Trennung zwischen Management und Aufsichtsgremien sind nach Ansicht Luternauers die Hauptprobleme des russischen Bankensystems.

Der Schweizer hat im Auftrag der Weltbank-Tochter International Finance Corporation (IFC) das vom Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) mit 2,6 Millionen Franken finanzierte Projekt Corporate Governance im Bankensektor geleitet, das jetzt ausgelaufen ist.

Seit Projektbeginn vor drei Jahren haben 75% der teilnehmenden Banken erhebliche Fortschritte beim Thema Corporate Governance gemacht, so das Ergebnis einer Umfrage der IFC.

Das bestätigt auch Richard Hainsworth, Chef der Rating-Agentur RusRating: “Vor drei Jahren war Corporate Governance in Russland nur ein akademischer Fachterminus, jetzt ist es ein Trend, mit dem man rechnen muss.”

Mit dem Leben bezahlt

Das Projekt kam zum richtigen Zeitpunkt: Unter dem Druck der Zentralbank hat sich das russische Bankensystem in den vergangenen Jahren kräftig reformiert.

Vor allem Russlands oberster Bankenaufseher und Zentralbank-Vize, Andrej Koslow, liess zwielichtige Banken unter Geldwäschereiverdacht schliessen. 100 Banken verschwanden in den vergangenen drei Jahren so oder durch Fusionen.

Mit immer strengeren Auflagen versuchte der Zentralbanker, das Vertrauen in den Bankensektor zu stärken. Im September 2006 bezahlte er dafür mit seinem Leben.

Das seco will durch das Projekt die russische Wirtschaft stärken, für welche die Schweiz der achtgrösste Auslandsinvestor ist. “Schliesslich helfen die Banken den Unternehmen, ihre Investitionen zu finanzieren, und tragen so zu mehr Wachstum bei”, sagt Jörg Lauberbach, Programmbeauftragter beim Schweizer Kooperationsbüro in Moskau.

Aufsicht und Management getrennt

Richard Hainsworth pflichtet ihm bei: “Ohne gute Banken wird die russische Wirtschaft immer von ausländischen Faktoren abhängig bleiben.” Dem Trend zu Corporate Governance ist auch die InvestCapitalBank gefolgt. Nach Seminaren der IFC hat die Bank aus Baschkirien westlich des Urals ihre Eigentümerstruktur offen gelegt und sich für neue Investoren geöffnet.

Die Aufsichtsgremien und das Management wurden klar getrennt, eine interne Bilanzprüfung eingeführt. “Wir reden jetzt die gleiche Sprache und verstehen besser, was ausländische Investoren von uns wollen”, sagt Bankvorstand Schamil Ibragimow.

Die Jahresberichte scheinen die Firmenstrategie zu bestätigen. Die wichtigsten Kennziffern haben sich nach Angaben von Ibragimow in den vergangenen Jahren verdoppelt.

Dagegen begegnet die russische Bevölkerung den Banken traditionell misstrauisch. Zu tief sitzt der Schock der Rubelkrise im August 1998, die über Nacht das bisschen Wohlstand vernichtete, das sich die Menschen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder erarbeitet hatten.

Schwachstelle Risikomanagement

Als im Juli 2004 unbegründete Gerüchte über Probleme der Alfa-Bank auftauchten, standen die Menschen Schlange, um ihr Erspartes zu retten.

Für Luternauer sind die Banken hier in der Bringschuld: “Wir wollen alle wissen, wem die Bank gehört, der wir unser Geld geben.”

Doch bis heute veröffentliche ein Drittel der von der IFC befragten Banken keine Informationen über ihre Eigentümerstruktur. Hier müsse die Zentralbank ihre Auflagen noch verschärfen.

Eine weitere Schwachstelle sei das Risikomanagement: “14% der Banken wollen bei der Kreditvergabe keine Finanzberichte der Kunden sehen”, sagt Luternauer. “Ich verstehe nicht, wie das überhaupt möglich ist.”

Trotz aller Erfolge des Corporate Governance Projektes warnt der Schweizer Projektmanager die Banker, sich von den guten wirtschaftlichen Aussichten in Russland blenden zu lassen: “Russische Banken sollten weiter an ihrer Corporate Governance arbeiten.” Sein Projekt habe bewiesen, dass es sich lohne.

swissinfo, Erik Albrecht, Moskau

In Russland gibt es 1143 Banken.
Der russische Bankensektor wächst rasant. In den vergangenen drei Jahren hat sich sein Gesamtvermögen mehr als verdoppelt.
Dennoch ist das Bankensystem sehr klein. Das Gesamtvermögen aller russischen Banken ist viermal kleiner als das der Schweizer Grossbank UBS.
Vor allem der private Kreditmarkt boomt. Das Volumen der Kredite hat sich seit 2003 versiebenfacht.

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