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Schiefergas – Energie-Hoffungsträger im Gegenwind

Erfolgreich: Proteste gegen die Schiefergas-Förderung in Frankreich. AFP

Rückschlag für die Förderung von Schiefergas: Weil die Technik zur Gewinnung dieses Erdgases Umweltrisiken birgt, hat Frankreich alle Projekte gesetzlich gestoppt. In der Schweiz ist auch der Kanton Freiburg auf die Bremse getreten.

Die Katastrophe von Fukushima, die nach wie vor nicht ausgestanden ist, hat die Atomenergie in eine tiefe Krise gestürzt. Die Gewinnung von Energie durch die erneuerbaren Ressourcen Wasser, Wind und Sonne befindet sich im Aufwind. 

Aber auch Erdgas, eine nicht erneuerbare Energie-Ressource, gerät stärker in den Fokus der Energiewirtschaft, wenn es um den mittel- und längerfristigen Ersatz von Atomkraft und Erdöl geht.

Hydraulisches Aufbrechen des Gesteins als Sündenbock 

Als besonderer “Geheimtipp” gilt dabei das Schiefergas, ein organisches Erdgas, das in der Erde in Ton- und Schieferschichten gebunden ist. Nun aber verstärkt sich seit einigen Monaten der Widerstand gegen diesen Energieträger, besser gesagt, gegen die aufwändige Methode, mit der es gewonnen wird. Umweltschutzkreise in Frankreich und auch in der Schweiz kritisieren das so genannte hydraulische Fracturing.

Dabei wird wie bei der Nutzung von Geothermie (Erdwärme) die Gesteinsschicht, also Ton oder Schiefer, angebohrt. Durch das Bohrloch werden anschliessend riesige Mengen Wasser, vermischt mit Sand und Chemikalien, ins Gestein eingeschossenen, was zum Aufbrechen des Schiefers führt.

Grundwasser gefährdet 

Durch das hydraulische Fracturing würden 20 bis 40% des Grundwassers mit giftigen Chemikalien verseucht, monieren Vertreter von Umweltschutz-Organisationen.

Der Widerstand regte sich zuerst in den USA und Kanada, jenen zwei Staaten, die als Pioniere in der Gewinnung von Schiefergas gelten. Aus Nordamerika griff die Kritik auf Europa über, genauer auf Frankreich und die Schweiz. Hier will die Firma Energy LCC nach Schiefergas-Vorkommen suchen. Das US-Unternehmen wird von Martin Schuepbach geführt.

Mitte Mai musste der Texaner mit Schweizer Wurzeln einen argen Rückschlag einstecken: Das französische Parlament nahm die Kritik der besorgten Umweltkreise auf und verbot die Fördermethode des hydraulische Fracturing. 

Nein auch aus Freiburg 

Bereits Ende April hatten die Behörden des Kantons Freiburg die Suche nach Schiefergas auf seinem Territorium auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die Begründung: Der Kanton wolle sich auf die Suche nach erneuerbaren Energieressourcen beschränken. 2008 hatte Schuepbach die Erlaubnis erhalten, auf einem Viertel des Freiburger Kantonsgebiets nach Schiefergas zu suchen.

“Das ist eine Panikreaktion”, sagt Werner Leu, geologischer Berater der Schuepbachs Energy LCC, gegenüber swissinfo.ch. Dabei sei man noch im Evaluationsstadium, und der Weg bis zu einer Förderung von Schiefergas sei noch sehr weit, so Leu.

Jon Mosar, Geologe von der Universität Freiburg, spricht von einem mutigen, weil politischen Entscheid der Behörden. Er bezeichnet Schiefergas als Chiffre für das Problem, “dass wir zu viel Energie verbrauchen”.

Erdbebenrisiko 

Die Risiken, welche die Technik des hydraulische Fracturing birgt, sind laut Mosar nicht vernachlässigbar. “Ein Teil der eingeschossenen Materialien stösst in angrenzende Gesteinsschichten. Von dort können sie in tiefe Grundwasserseen gelangen und diese für lange Zeit verschmutzen”. Dazu kommt laut dem Geologen das Risiko von Erdstössen.

Dass Mosars Bedenken nicht aus der Luft gegriffen sind, hatte sich 2006 in der Stadt Basel gezeigt. Dort hatten Tiefenbohrungen, die im Rahmen eines Projektes zur Nutzung von Geothermie erfolgt waren, ein kleines Erdbeben ausgelöst. “Die Erde unterhalb Freiburgs weist mehrere geologische Brüche auf. Trifft eine Bohrung auf einen solchen Bruch, könnte dies ein Beben auslösen”, so Jon Mosar.

Schuepbach gibt nicht auf 

Mit dem verfügten Stopp hat der Kanton dieses Risiko nun gebannt. Im Unternehmen Schuepbachs hat man das Projekt aber noch nicht beerdigt. Man warte auf einen definitiven Beschluss seitens der Behörden, sagt Werner Leu. Bis dahin würde die Energy LCC keinen Entscheid für eine allfällige Einstellung ihrer Aktivitäten in Frankreich und der Schweiz fällen.

Leu ist überzeugt, dass sich die Dinge ändern werden, so dass man bald “in Ruhe über diese Energie der Zukunft diskutieren” könne.

Jean-Marc Hensch, Direktor des Verbandes der Schweizerischen Gasindustrie, glaubt nicht an dieses Szenario. “Aufgrund der Kleinräumigkeit der Schweiz und der hohen Kosten hat diese Fördermethode in der Schweiz keine Zukunft”, sagte Hensch gegenüber der Zeitung Le Temps.

Ausweichen nach China?

Werner Leu lässt diese Einwände nicht gelten. Es sei unmöglich, die Grösse der Schiefergasvorkommen im Schweizer Boden und die Kosten zur Gewinnung abzuschätzen, da es noch keine Probebohrung gegeben habe.

Die dichte Besiedelung stellt laut Leu ebenfalls kein Problem dar. “Von derselben Plattform aus kann man sechs bis acht Bohrungen vornehmen, das braucht nur sehr wenig Platz.”

Auch bei den Einwänden betreffend Verseuchung des Grundwassers wiegelt Leu ab. “Ich kann diese Frage nicht abschliessend beantworten, aber die Befürchtungen sind nicht gerechtfertigt.” In Nordamerika sei die Förderung mit alten Bohranlagen erfolgt, die nicht für die Gewinnung von Schiefergas konzipiert gewesen seien, und da habe es keine Probleme gegeben.

Schuepbachs Unternehmen hat auch im Kanton Waadt ein Konzessionsgesuch eingereicht. Dieses ist momentan noch hängig. “Im Gegensatz zu Frankreich steht in der Schweiz ein nationales Moratorium oder Verbot nicht zur Debatte”, sagt  Werner Leu.

Trotz der aktuellen Blockierung der Förderprojekte in Westeuropa geht der Widerstand der Umweltorganisationen gegen den Abbau der Schiefergas-Vorkommen weiter. Sie befürchten, dass sich die multinationalen Erdgas-Förderunternehmen anderen Ländern zuwenden, wo die Bestimmungen zum Schutz der Umwelt weniger streng sind. Dies dürfte etwa auf China zutreffen. Das Reich der Mitte verfügt über die grössten Schiefergas-Vorkommen weltweit.

So genanntes Erdgas aus Schiefer, exakter aus Ton oder Schwarzschiefer, ist organisch entstandenes Erdgas.

Im Laufe der geologischen Bewegungen des Erdmantels sank es immer tiefer und wurde in Speichersteine wie Tonschiefer eingeschlossen.

Es befindet sich in dessen winzigen Poren oder Bruchzonen.

Im Gegensatz zu Erdgas in porösen Schichten strömt es nicht mit hohem Druck zum Bohrloch, sondern muss meist mit Horizontal-Bohrung gefördert werden.

Erdgas ist ein brennbares Naturgas, das unterirdisch vorkommt. Es tritt häufig zusammen mit Erdöl auf, da es auf ähnliche Weise entstanden ist.

Erdgase bestehen hauptsächlich aus hochentzündlichem Methan, unterscheiden sich aber in ihrer weiteren chemischen Zusammensetzung.

Als fossiler Energieträger dient es hauptsächlich zum Heizen, zur elektrischen Stromerzeugung und in kleinem Umfang als Treibstoff für Kraftfahrzeuge.

(Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi)

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