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Schiller und Tell – ein Erfolgsgespann

Schillers Arbeitszimmer in Weimar. An diesem Schreibtisch schrieb der Autor den Wilhelm Tell. B. Piatti/Tells Theater/Schwabe Basel

Vor 200 Jahren gelangte der "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller zur Uraufführung. Der eine war für das Ansehen des andern entscheidend.

Der in Weimar lebende Friedrich Schiller wurde mit dem Prädikat “Dichter der Freiheit” ausgezeichnet, und Wilhelm Tell erlangte weltweiten Ruhm als Freiheitsheld.

Oft wird die Frage gestellt: “Wie kam Schiller zu seinem Tell?” Eins vorweg: Nicht aus persönlicher Anschauung. Schiller war nie in der Urschweiz gewesen, im Gebiet, wo sich die Sage des schweizerischen Unabhängigkeitskampfes so untrennbar mit der Sagengestalt Wilhelm Tells verbunden hat.

Schillers Frau, Charlotte, weilte in ihrer Jugend in der Urschweiz. Sie war einerseits von der Landschaft tief berührt, aber auch vom Tell-Mythos. Genau so erging es dem “Dichterfürsten” Johann Wolfgang von Goethe, Schillers Freund. Er hatte die Urkantone einige Male bereist und auch Material zu Wilhelm Tell gesammelt.

Von Goethe zu Schiller

Goethe plante, 1797 die Tell-Geschichte selbst in einem Gedicht zu verwenden. Darüber unterhielt er sich auch mit seinem Freund Schiller. Goethe kam jedoch nicht dazu, dieses Projekt zu realisieren.

Einige Jahre später jedoch besagte ein Gerücht, Schiller hätte sich nun des Themas angenommen. Anscheinend begann Schiller sich erst dann wirklich für dieses Motiv zu interessieren.

Schiller liess sich von Goethe und seiner Frau alles erzählen, was sie über die Urschweiz wussten. Weiter las er Bücher und alles, was ihm zum Thema in die Hände fiel, unter anderem auch das berühmte “Chronikon Helveticon” von Ägidius Tschudi (1505-1572).

Dann “tapezierte” Schiller sein Arbeitszimmer in Weimar mit Kartenmaterial, Bildern und Plakaten zur Urschweiz.

Lohnender Recherchier-Aufwand

Schliesslich war er mit der Geschichte, dem Menschenschlag und der Landschaft, in der das Stück spielte, dermassen vertraut, dass er präzise Gedankenreisen veranstalten konnte und auch aus der Urschweiz stammende Menschen erstaunt waren, dass er, der nie vor Ort war, so plastische, genaue und farbige Schilderungen abgeben konnte.

Ausgerüstet mit einem immensen Hintergrundwissen begann 1802 mit der Arbeit zu seinem “Wilhelm Tell”. Krankheit und andere Aufgaben verzögerten jedoch den Arbeitsbeginn auf Anfang 1803. Bis zum August waren die Vorarbeiten abgeschlossen, und Schiller begann mit der Niederschrift des Textes.

Am 18. Februar 1804 setzte der Dichter den Schlusspunkt aufs Papier. Gerne hätte Schiller seinen Tell im Berliner Nationaltheater zur Uraufführung gebracht. Dessen Direktor hatte jedoch Angst, dass das Stück politisch zu anstössig sein könnte. So wurde die Aufführung im Hoftheater von Weimar beschlossen, welches von Goethe geleitet wurde.

Beifall und Kritik

Die Uraufführung fand dann am 17. März 1804 in Weimar statt. Die Premiere fand offensichtlich Schillers Zustimmung. Eine Bekannte Schillers, Ernestine Voss, sagte: “Ich sass in Schillers Loge neben ihm und sah in seinem unbeschreiblich heiteren Gesicht, wie jedes Gelungene in der Aufführung und jeder Beifall, der dem Dichter galt, auf ihn wirkte; besonders die Szene mit dem Apfel, welche vom Vater und Kind so gegeben ward, dass jeder Zuschauer von der Angst ergriffen ward, als ob er Wirklichkeit vor sich sähe.”

Die Aufführung blieb aber auch von Kritik nicht verschont. Eine Theater-Kritik monierte: “Schillers ‘Wilhelm Tell’ ist, nach dem Urteil verständiger Zuschauer, keines seiner vorzüglichsten Produkte.”

Dennoch ist der Tell, Schillers letztes vollendetes Theaterstück, eines der Erfolgreichsten und meist Beachteten überhaupt geworden. Friedrich Schiller starb 46-jährig, ein gutes Jahr nach der Uraufführung. Er war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland bekannter und beliebter als sein Freund Goethe.

swissinfo, Etienne Strebel

Friedrich von (seit 1802) Schiller:
Geboren am 10.11.1759 in Marbach am Neckar.
Er wuchs als Sohn eines Arztes in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf. Er hatte drei Schwestern.
1773 bis 1780: Jurastudium und ab 1775 Medizin. Danach war er Regimentsarzt.
1777 bis 1780 Erstlingsdrama “Die Räuber”. Die Uraufführung führte zu einer Arreststrafe und einem Schreibverbot.
1790 heiratet Schiller Charlotte von Lengenfeld.
Seit 1791: Lungentuberkulose-Leiden.
1792: Ernennung zum Ehrenbürger der französischen Republik.
1794 Schiller und Goethe werden Freunde.
1799 Umzug nach Weimar.
1804 Beendigung des “Wilhelm Tell”.
Am 9. 5. 1805 stirbt Friedrich von Schiller nach einem schweren Rückfall seines Lungenleidens.

Schillers wichtigste Werke:

Die Räuber (1781)
Luise Millerin (Kabale und Liebe) (1783)
An die Freude (1785)
Don Carlos (1787)
Über naive und sentimentalische Dichtung (1795)
Wallenstein (1796-99)
Maria Stuart (1800)
Die Jungfrau von Orleans (1801)
Die Braut von Messina (1803)
Wilhelm Tell (1804)

Wichtige Balladen:

Das Lied von der Glocke (1797)
Der Kampf mit dem Drachen (1798)
Der Ring des Polykrates (1797)
Der Taucher (1797)
Die Bürgschaft (1798)
Die Kraniche des Ibykus (1797)
Kassandra (1802)

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