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Schlafwandeln ist vererbbar

Wer glaubt, dass der Mond am Schlafwandeln schuld ist, darf das weiterhin: Noch sind nicht alle Faktoren rund um das Phänomen geklärt. Keystone Archive

Kinder von schlafwandelnden Eltern weisen zehnmal häufiger die selben Symptome auf als Kinder nicht schlafwandelnder Eltern. Dies belegen Schweizer Forscher.

Schon lange vermuten Fachleute und Betroffene, dass Schlafwandeln – wissenschaftlich Somnambulismus genannt – vererbbar ist.

Schweizer Forscher unter der Leitung des Neurobiologen Mehdi Tafti vom Genfer Kantonsspital und Claudio Bassetti, Direktor der Neurobiologischen Poliklinik am Zürcher Universitätsspital, fanden nun heraus, dass ein Gen fürs Schlafwandeln mitverantwortlich ist.

Schon lange beschäftigen sich die Schweizer Fachleute mit dem Phänomen. An einer Konferenz der Amerikanischen Neurologischen Vereinigung legten sie kürzlich einen wissenschaftlichen Beleg für die Vererbung vor.

Fündig wurden die Wissenschafter in den so genannten “HLA-Genen”. Diese kodieren einerseits für Proteine, die das Immunsystem alarmieren helfen. Anderseits ist bekannt, dass diese Gene auch für andere Schlafstörungen verantwortlich sind.

Im Rahmen einer dreijährigen Studie wurden 60 Patienten untersucht – die Hälfte davon hatte Schlafwandlerinnen und Schlafwandler auch in der Familie. Das Ergebnis: Eine bestimmte Variante eines der HLA-Gene war beim vererbten Somnabulismus überaus häufig, wie Mehdi Tafti gegenüber dem Wochenmagazin “L’Hebdo” sagte.

Nach seinen Erkenntnissen spielen neben den genetischen Voraussetzungen noch andere Faktoren mit. Somnabulismus manifestiere sich nicht systematisch.

Jedes 10. Kind betroffen

Frühere Studien haben gezeigt, dass etwa 10 Prozent der zehnjährigen Kinder unter dieser Art von Schlafstörung leiden. Bei den Erwachsenen ist eine bis zwei von hundert Personen betroffen.

Schlafwandeln ist ein Zustand, bei dem sich Elemente aus dem Wachsein und dem Schlafen mischen: Der Körper ist wach, der Kopf schläft. Heute weiss man, dass Schlafwandeln mehr mit Schlafen zu tun hat als mit Wachsein – dies die Erkenntnis auf Versuchen freiwilligen Probanden in so genannten “Schlaflabors”.

Bei all diesen Studien geht es einerseits um Grundlagen-Forschung, also darum, mehr über die Funktionsweise des Gehirns herauszufinden. Zudem äusserte Bassetti bereits vor Jahren die Hoffnung, seine Erkenntnisse könnten dazu beitragen, “dass man die bizarren Phänomene nicht nur psychiatrisiert”.

Eva Herrmann

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