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Hickhack um Steuerflucht als globales Intrigenspiel

Die Bahamas - einer der tolerantesten Finanzplätze. AFP

Die Schweiz muss in einem internationalen Pokerspiel mitmachen und versuchen, eine Auseinandersetzung über Steuerflucht mit der Europäischen Union (EU) zu lösen, ohne dass sie gegenüber ihren Konkurrenten Boden als globales Zentrum für Vermögensverwaltung verliert.

Die formellen Verhandlungen mit der Europäischen Union (EU) werden in den kommenden Monaten erwartet. Brüssel will versuchen, die vor Schlupflöchern nur so strotzenden Zinsbesteuerungs-Richtlinien (EUSD) durch ein robusteres System zu ersetzen, das beim Kampf gegen Steuerbetrug besonders auf den Informationsaustausch von Steuerinformationen zwischen Ländern setzt.

Die Bühne ist bereit für eine titanische und möglicherweise harte Auseinandersetzung, gespielt vor einem Hintergrund des Misstrauens zwischen Ländern, die sich gegenseitig des Versuchs verdächtigen, den neu vorgeschlagenen Regeln zu entkommen.

Möglich macht solche Manöver ein Labyrinth aus verschiedenen Trust-Strukturen, Offshore-Firmen und Versicherungsprodukten, die unter einer Vielzahl von lokalen Regeln arbeiteten, schätzen Beobachter.

Zudem kann Einkommen aus diversen Quellen stammen, wie etwa von Zinsen auf Sparkonten, Rentenversicherungen, Dividenden von Aktienpaketen oder aus dem Verkauf von Immobilien.

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Die Regeln zurechtbiegen

Um den Geist der Gesetze zu umgehen, reichten ein paar simple prozedurale Taschenspielertricks, sagt Alexandre von Heeren, Präsident der Swiss Association of Trust Companies (SATC).

“Einige Länder haben gross herumposaunt, sie würden Informationen austauschen, doch sie bestanden darauf, dass ihre Gerichte entscheiden, was genau herausgegeben wird”, sagt er gegenüber swissinfo.ch. “Dies erlaubt es, die Übergabe von Informationen anzuklagen, was den Austausch für Jahre verzögern kann.”

Sowohl die Landesregierung (Bundesrat) wie auch die SATC glauben, der einzige Weg, Vermögensverwaltungs-Zentren wie Panama oder die Bahamas-Inseln davon abzuhalten, sich unfaire Vorteile zu verschaffen, sei die Verpflichtung auf einen internationalen Standard für den Informationsaustausch.

“Falls jedes Land seinen eigenen Standard für Informationsaustausch definieren kann, wird es einige ‘smarte’ geben, die diesen eng definieren und nur wenig herausgeben, während andere alle Informationen austauschen”, so von Heeren.

Die Schweiz hat Anfang 2005 begonnen, die EU-Zinsbesteuerungs-Richtlinien (EUSD) umzusetzen. Die Richtlinien verpflichten Banken, bei Konten von EU-Kunden Steuern auf den Zinsen zu erheben und diese den jeweiligen Staaten zu überweisen.

Doch schon kurz darauf wurden erste Mängel in der EUSD sichtbar, welche die EU-Kommission dazu zwangen, diese zu überarbeiten. Die Revisionen sind seit 2008 bereit.

Die Änderungen erweitern die Definition von “Einkommen” auf Zahlungen, die über Zinsausschüttungen hinaus gehen.

Sie versuchen auch, Schlupflöcher zu stopfen, mit denen über Trusts, Unternehmen, Stiftungen und andere Strukturen Geldwerte versteckt werden.

Die geänderten EUSD würden solche Finanzvehikel zwingen, anzugeben, wer die Einzahlungen gemacht hat (Settlor) und wer von den Geldwerten profitiert (Beneficiaries).

Die Änderungen der EUSD verlangen auch treuhänderische Strukturen, indem sie jene Person, die Gelder in ein Finanzvehikel einzahlt (Settlor) als besteuerbaren Besitzer bezeichnet, bis die Anspruchsberechtigten (Beneficiaries) bekannt sind.

“Blendwerk”

Die Einwände der Schweiz aber, dass sich hinterhältige Rivalen einen Vorteil verschaffen könnten, sollte die Schweiz zu viel preisgeben – ein Protest, den früher auch Österreich und Luxemburg äusserten –, wurde von einigen Beobachtern als Zeitverschwendung zurückgewiesen.

Diese Länder spielten “ein Spiel mit Rauch und Spiegeln”, sagt Mark Morris, ein Steuerberater aus Zürich, der die Europäische Kommission berät, gegenüber swissinfo.ch. “Die Änderungen an den Zinsbesteuerungs-Richtlinien zielen direkt auf die Schlupflöcher der Offshore-Firmen, Trusts und Stiftungen.”

Er zeigt sich befremdet, “dass ausgerechnet jene Länder, die sich über solche Strukturen beschweren, jene sind, die Reformen verzögern, welche diese Vehikel anpacken”.

Morris ist einer von vielen, welche die Schweiz verdächtigen, sie habe lediglich genügend Zeit herausschinden wollen, um mit anderen Ländern Quellensteuer-Abkommen auszuhandeln, mit denen der Informationsaustausch umgangen werden kann.

In Europa scheint es derzeit drei Geschwindigkeiten zu geben, wie existierende Regeln gegen die Steuerflucht reformiert werden. Während die EU die Zinsbesteuerungs-Richtlinien anpassen will, um Schlupflöcher zu stopfen, gehen Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien einen Schritt weiter: Sie haben eine Gruppe von Ländern gebildet, die den automatischen Informationsaustausch einführen wollen.

Österreich und Luxemburg haben beständig gegen die Änderung der Zinsbesteuerungs-Richtlinien gemauert, bis der Druck in diesem Jahr zu gross geworden ist. Doch Österreich weigert sich noch immer standhaft, die Reform gutzuheissen, bis auch die Schweiz gefolgt ist. Damit erhöht das Nachbarland den Druck auf die Schweiz, wenn die Verhandlungen mit der EU beginnen werden.

Unnachgiebig

Doch sogar an den Verhandlungstisch zu gelangen, wird vermutlich nicht einfach: Die Schweizer Regierung muss dem Parlament noch ein Verhandlungsmandat vorlegen, das dies absegnen muss. Voraussichtlich wird darin im Austausch für die Annahme der Änderungen in den Zinsbesteuerungs-Richtlinien auch ein besserer Zugang für Schweizer Finanzinstitute zum EU-Markt gefordert.

EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta lehnte eine solche Idee bei einem Besuch in der Schweiz im Juni rundweg ab. Doch weil sie in den letzten Jahren in verschiedenen Steuerstreiten – besonders mit den USA – derart viel Boden preisgegeben hat, scheint die Schweiz bereit zu sein, nun eine Linie zu ziehen, über die hinaus sie keine Zugeständnisse mehr machen will.

Sowohl Nicolas Pictet, Präsident der Vereinigung schweizerischer Privatbankiers, wie auch ein im Juni veröffentlichter, unabhängiger Bericht im Auftrag des Bundesrats, sprachen sich dafür aus, das Modell der Quellensteuer zu Gunsten des Austauschs von Steuerinformationen mit anderen Ländern aufzugeben.

Doch die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hat wiederholt betont, dies könne erst geschehen, wenn die Schweiz überzeugt sei, dass sich alle Finanzzentren in gleichem Mass öffneten.

“Das heisst besonders, dass es volle Transparenz bei den Trusts geben müsste”, sagte sie Journalisten an einem Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) im April. “Wenn man den wirtschaftlich Berechtigten in all diesen Finanzvehikeln nicht kennt, dann bringt ein Informationsaustausch nichts.”

(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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