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Schmid beurlaubt Armeechef Nef

Reuters

Verteidigungsminister Samuel Schmid hat den Chef der Armee, Roland Nef, vorläufig beurlaubt. Dies gab Schmid an einer Medienorientierung in Bern bekannt.

Bis zur ersten Sitzung des Bundesrats nach den Ferien am 20. August soll der Armeechef Fakten auf den Tisch legen, die das in ihn gesetzte Vertrauen glaubhaft bestätigen sollen.

Könne Nef dies nicht leisten, werde er, Schmid, dem Gesamtbundesrat die Entlassung des Armeechefs beantragen.

Schmid reagierte damit auf die jüngsten Enthüllungen der SonntagsZeitung, wonach Nefs Ex-Partnerin diesem vorgeworfen hatte, in ihrem Namen per E-Mail auf Sexinserate geantwortet, ihre Privatadresse und die Telefonnummern bekannt gegeben und ein Bild von ihr angehängt zu haben.

Nef müsse nun glaubhaft und ohne Interpretations-Spielraum alle Mutmassungen, Gerüchte und Vorwürfe entkräften, um den fortdauernden Diskussionen ein Ende zu setzen, sagte Schmid.

Dass Schmid den Bundesrat bei der Wahl Nefs im Juni 2007 nicht über das laufende Strafverfahren informiert hatte, bezeichnete er jetzt als Fehler, den er bedaure. Am (vergangenen) Freitag hatte er das Vorgehen noch verteidigt. Er sei aber weiterhin handlungsfähig, sagte Schmid.

Interimistischer Armeechef

Der 52-jährige Divisionär André Blattmann übernimmt interimistisch die Leitung der Armee. Er war zwei Monate nach Nef im Herbst 2007 unter gleichzeitiger Beförderung vom Brigadier zum Divisionär vom Bundesrat zum Stellvertreter Nefs gewählt worden.

Vor seiner Ernennung zum stellvertretenden Chef der Armee war er zugeteilter höherer Stabsoffizier des Chefs der Armee.

Couchepin trifft Schmid und Nef

Bundespräsident Pascal Couchepin hat sich vor Schmids Medienorientierung mit dem Verteidigungsminister und Armeechef Roland Nef getroffen. Es sei um eine direkte Information gegangen, verlautet aus dem Departement des Innern (EDI).

Couchepin hatte sich am Sonntag in die Affäre eingeschaltet und erklärt, die Glaubwürdigkeit des Armeechefs müsse überprüft werden, auch wenn aus beruflicher Hinsicht keinerlei Anlass zu Klagen über Nef bestehe. Eine Sondersitzung des Bundesrates ist dem Vernehmen nach vorläufig nicht geplant.

Reaktionen: Von wohlwollend…

“Schmid hat spät gehandelt, viele Fehler gemacht, aber für den Moment richtig gehandelt”, sagte die Fraktionschefin der Sozialdemokratischen Partei (SP), Ursula Wyss.

Deshalb fordere sie den VBS-Chef auch nicht zum Rücktritt auf. “Wenn die Fakten aus der Sonntagspresse stimmen, muss Nef gehen”, bekräftigte Wyss jedoch.

Eine sofortiges Treffen des Gesamtbundesrates fordert die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP). Die Beurlaubung von Nef sei ein Schritt in Richtung Aufklärung der Affäre, sagte CVP-Vizepräsident Dominique de Buman. Doch der Schritt genüge nicht.

Warte der Bundesrat bis zum 20. August, riskiere er neue Enthüllungen. Der Rücktritt Schmids ist für die CVP zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch kein Thema. Zuerst müssten die Einzelheiten bekannt sein, sagte de Buman.

Die Freisinnig Demokratische Partei (FDP) hält Schmids Vorgehen für sinnvoll, aber auch für zu langsam. Es bestehe keine Notwendigkeit, bis am 20. August zu warten. Der Bundesrat als Wahlbehörde müsse schnell handeln. Die Freisinnigen fordern Schmid nicht zum Rücktritt auf. Dass dieser die Akteneinsicht zu Nefs Person nicht schon während des Anstellungsverfahrens im Frühjahr 2007 vornahm, ist laut FDP jedoch unverständlich.

Die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) unterstützt den Entscheid ihres Mitglieds Samuel Schmid zum Armeechef Roland Nef. Die Angelegenheit müsse sauber abgeklärt werden, statt irgendwelchen Hetzkampagnen nachzugeben, sagte BDP Sprecher Lorenz Hess.

… bis ablehnend

Die Grünen bezeichnen Nefs Beurlaubung als Farce. Faktisch sei Nef bereits jetzt nicht mehr Armeechef. Für den Präsidenten der Grünen, Ueli Leuenberger, ist aber auch die Zeit von Verteidigungsminister Samuel Schmid endgültig abgelaufen: “Schmid muss zurücktreten!”

Für die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei SVP, der Samuel Schmid bis vor ein paar Wochen noch angehörte, schädigt Schmid mit seinem Verhalten im Zusammenhang mit Armeechef Nef das Ansehen der Schweiz. “Das ist nicht ein Fall Nef, das ist ein Fall Schmid”, sagte SVP-Sprecher Alain Hauert.

Schmid ist laut Hauert offensichtlich nicht in der Lage, die aktuelle Krise zu lösen. Der Auftritt am Montag habe einmal mehr Schmids Führungsschwäche gezeigt und sei typisch für ihn: Schmid versuche die Angelegenheit auszusitzen, anstatt Verantwortung zu übernehmen.

Auch die Offiziere der Schweizer Armee sind mit Schmids Vorgehen nicht einverstanden. Sie beanstanden den langen Zeitraum bis zum 20. August, der Platz biete für weitere Spekulationen gegenüber Nef. Dies beruhige die Situation nicht, schränke die Handlungsfreiheit der Armeeführung ein und schade dem Ansehen der Armee.

swissinfo und Agenturen

Die Kontroverse um Armeechef Roland Nef wird am kommenden Freitag die sicherheitspolitischen Kommissionen (SiK) des National- und Ständerats beschäftigen. Auf der Traktandenliste stehen Anhörungen mit Bundespräsident Pascal Couchepin und Verteidigungsminister Samuel Schmid sowie – je nach Entwicklung – auch mit Armeechef Roland Nef.

Eine Orientierung der Öffentlichkeit über allfällige Empfehlungen der Kommissionen ist für Freitagnachmittag vorgesehen.

Ursprünglich hatten die Präsidenten der beiden Parlamentskommissionen keinen Bedarf für die Einberufung einer Sondersitzung im Fall Nef gesehen.

Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat im Zusammenhang mit der Affäre um Armeechef Nef Ermittlungen wegen Verdachts auf Amtsgeheimnisverletzung aufgenommen. Sie betreffen die Publikation eines amtlichen Dokuments in der jüngsten Ausgabe der Sonntags Zeitung.

Bei den Dokumenten handle es sich um Ausdrucke von Informationen, die ausschliesslich auf Datenbeständen der Polizei beruhten und nicht Eingang in die Untersuchungsakten fänden.

Inzwischen habe sich ergeben, dass verschiedene Beamte Einblick in das fragliche Aktenstück genommen hätten.

Die Staatsanwaltschaft werde von Amtes wegen aktiv, weil es bei der Verletzung des Amtsgeheimnisses um ein Offizialdelikt gehe. Zudem sei am Montag eine Strafanzeige des Anwalts von Roland Nef eingegangen.

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