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Schritt zur strengeren Regulierung der Banken

Die UBS-Krise 2008 gab den Anstoss zur Vorlage "Too big to fail“ Keystone

2008 musste die Grossbank UBS durch staatliche Hilfe gerettet werden. Und seither war im Parlament eine stärkere Regulierung der Bankenbranche gefordert worden. Der Ständerat hat sich für höheres Eigenkapital von Grossbanken ausgesprochen.

16. Oktober 2008: Die internationale Finanzkrise trifft mit ganzer Wucht die Schweiz. Regierung und Nationalbank kündigen an, für die UBS ein Rettungspaket in Höhe von 68 Milliarden Franken geschnürt zu haben: Die Eidgenossenschaft stellt der angeschlagenen UBS 6 Milliarden Franken in Form einer Pflichtwandelanleihe zur Verfügung. Dazu kommen maximal 62 Milliarden von Seiten der  Schweizerischen Nationalbank für eine Auffanggesellschaft für faule UBS-Kredite (“Ramschpapiere”).

Das UBS-Rettungspaket war ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Schweiz. Die Regierung verteidigte ihr aussergewöhnliches Vorgehen mit dem Argument, dass eine Insolvenz der Grossbank UBS die ganze Volkswirtschaft zum Zusammenbruch bringen könnte. Die grösste Bank der Schweiz führt unter anderem die Konten von 130‘000 kleinen und mittleren Unternehmen der Schweiz.

Die Schweiz stand unter Schock, auch wenn sich die Entwicklung bereits seit einiger Zeit abgezeichnet hatte. Denn die UBS war in den Strudel der US-amerikanischen Suprime-Krise geraten und musste hohe Verluste mit Abschreibungen in Milliardenhöhe verzeichnen. Dazu kam, dass die US-Steuerbehörden der UBS vorwarfen, Amerikanern bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben.

Vorsichtsregeln missachtet

Im Dezember 2008 verabschiedete das Parlament trotz harscher Kritik das UBS-Rettungspaket. Die Linke wollte die staatliche Hilfe an eine stärkere Regulierung des Bankensektors knüpfen. Doch der Plan scheiterte in diesem Moment. Allerdings stiess das spekulative Treiben der UBS-Kader auch bei Vertretern von bürgerlichen Parteien auf Kritik. Viele neoliberale Politiker hatten Mühe, eine Bank wie die UBS mit Steuergeldern zu unterstützen.

Die UBS erwies sich als europäische Bank, die am stärksten von der Krise an den amerikanischen Finanzmärkten betroffen war. Seit dem Jahr 2000 hatte die UBS ihre Aktivitäten im Investmentbanking stark ausgebaut und dabei alle Regeln der Vorsicht und des Masshaltens über Bord geworfen – genau die Regeln, die eigentlich das Schweizer Bankenwesen auszeichnen.

Dies hatte einen extremen Vertrauensverlust des Parlaments gegenüber der Grossbank und ihrer Fähigkeit zur  Selbstkontrolle zur Folge. Die Regierung wurde daher beauftragt, ein Projekt vorzulegen, durch welches das systemische Risiko verringert werden soll, dass die Insolvenz einer Grossbank die ganze Volkswirtschaft gefährden kann. Es gehe nicht an,  dass der Staat wegen der Grösse einer Bank praktisch gezwungen sei, diese mit staatlichen Mitteln zu stützen (Too big to fail).

Verdoppelung des Eigenkapitals

Die Regierung folgte dem Auftrag. Und das nun von dem Parlament zur Abstimmung vorgelegte Gesetz sieht eine bessere Verteilung der Risiken vor, höhere Anforderungen in Bezug auf die Liquidität sowie ein Stärkung der Eigenmittel.

Systemrelevante Grossbanken müssen demnach ihre risikogewichteten Aktiven mit gesamthaft bis zu 19 Prozent Eigenkapital unterlegen. Dies entspricht fast dem Doppelten der Richtlinien, die im internationalen Abkommen Basel III festgeschrieben sind.

Das Gesetz “Too big to fail“ ist soeben vom Ständerat (Kantonskammer) verabschiedet worden – trotz einiger Kritik von bürgerlichen Politikern, welche die UBS-Position vertraten. Gemäss der Grossbank schwächen die ihrer Meinung nach übertrieben harten Vorschriften ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit.

“Die jüngste Krise hat schmerzhaft aufgezeigt, dass unsere Volkswirtschaft im Falle der Insolvenz einer Grossbank besonders stark gefährdet ist“, hält Pirmin Bischof von der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) dagegen fest. Die Aktiven der beiden Schweizer Grossbanken (UBS, Credit Suisse) erreichten 38 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts. In keinem anderen Land gäbe es so hohe Quoten.

“Man muss sich fragen, ob die Lektion der Finanzkrise wirklich von allen verstanden wurde“, meint FDP-Ständerat Dick Mary. “Diese Krise ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern war die Folge einer ruchlosen Kultur, die auf Geldgier und Spekulation fusste. Es herrschte ein totaler Mangel an Ethik und Verantwortungsbewusstsein.”

Angst vor der Volksmeinung

“Das Projekt ‚Too big to fail‘ stellt das Minimum dar, um eine erneute Krise zu verhindern“, hält der sozialdemokratische Parlamentarier Hans-Jürg Fehr fest. Seit 2008 habe das Parlament alle Vorstösse der Linken gebodigt, welche eine stärkere Regulierung der Bankenbranche forderten, darunter auch ein Begrenzung der Vergütungen und Boni für die Manager.

In dieser Hinsicht ist im Parlament immer noch die so genannte “Volksinitiative gegen Abzockerei” hängig. Diese verlangt, dass die Generalversammlung eines Unternehmens die globale Vergütung der Kader (Direktion und Verwaltungsrat)  festlegt.

Die Linke will die “Abzocker-Initiative“ möglichst schnell dem Volk zur Abstimmung vorlegen. Denn sie weiss um den Unmut in der Bevölkerung gegenüber den exorbitanten Manager-Löhnen und anderen Entschädigungen.

So hat etwa die UBS weiterhin Millionenboni an die Mitarbeiter ausgezahlt, auch nachdem sie durch Staatsgelder gerettet wurde. Doch der bürgerlichen Mehrheit im Parlament gefällt die Abzocker-Initiative nicht. Sie will Zeit gewinnen und arbeitet seit Ewigkeiten an einem Gegenvorschlag.

Während der Sommersession hat der Nationalrat entschieden, die Frist  für die Prüfung der Initiative um ein Jahr zu verlängern. Dies hat sogar bei einigen bürgerlichen Parlamentariern für Empörung gesorgt, etwa bei CVP-Vertreter Pirmin Bischof: “Es ist unannehmbar, dass die Beratung über die Volksinitiative drei Jahre in Anspruch nimmt. Damit zeigt man, dass man Angst vor dem Volksverdikt hat.”

Die neueste Revision des Schweizerischen Bankengesetzes (Too big to fail) wurde vom Ständerat als Erstkammer verabschiedet. Nun ist der  Nationalrat an der Reihe.

Ziel der Vorlage ist es, zu verhindern, dass die Krise von systemrelevanten Grossbanken die ganze Volkswirtschaft gefährdet und die Finanzmärkte destabilisiert.

Zwischen 2003 und 2007 erreichten die Aktiven von UBS und Credit Suisse zusammen 380 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP). Es ist die weltweit höchste Rate vor Island (247 Prozent) und Hongkong (204 Prozent).

Gemäss der Vorlage „Too big to fail“ müssen die Grossbanken ihre Eigenkapitalquote auf mindestens 19 Prozent aufstocken (zurzeit 8 Prozent).

Die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) ist zudem verpflichtet, die Anwendung dieser Regulierung zu überprüfen, während die Schweizer Nationalbank kontrollieren muss, ob die Banken ein systemisches Risiko darstellen.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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