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Schule und Lehre: Ausländer benachteiligt

Keine Lehrstelle bei ausländischem Namen - Realität in der Schweiz. Keystone

Bei der Lehrstellensuche haben es ausländische Jugendliche viel schwerer als Schweizer. Sie werden – bei gleichen Schulleistungen – bereits bei der Selektion in die Sekundarschule benachteiligt.

Dies zeigt eine soeben veröffentlichte Nationalfondsstudie.

Die für die Deutschschweiz repräsentative Studie macht deutlich, dass beim Selektionsentscheid in die Sekundarschule auch leistungsunabhängige Kriterien wie Nationalität, Geschlecht und Sozialstatus beteiligt sind.

So haben zum Beispiel Schweizer Mädchen mit durchschnittlichen Schulleistungen eine mehr als doppelt so grosse Chance, den Sprung in die Sekundarschule zu schaffen, als ausländische Knaben mit denselben Leistungen.


Bei Schulleistungen im mittleren Bereich beträgt die Chance für einen positiven Sekundarschulentscheid bei Schweizer Mädchen 83 Prozent, bei Schweizer Knaben 70 Prozent, bei ausländischen Mädchen noch 65 Prozent und bei ausländischen Knaben gar nur 37 Prozent.

Von einer leistungsgerechten schulischen Selektion scheine man nur bei sehr guten oder sehr schlechten Schülern und Schülerinnen sprechen zu können, nicht aber beim Gros der Schülerschaft im mittleren Leistungsbereich, hält die Studie fest.

Problematische Schulnoten

Schulnoten wirkten oft als “verdeckte leistungsunabhängige Selektionskriterien”. So werden gute Deutschnoten bei ausländischen Kindern – im Gegensatz zu Schweizer Schülern – nur dann ohne Vorbehalt positiv für die Selektion eingeschätzt, wenn sie gleichzeitig mit guten Mathematiknoten einhergehen, wie Christian Imdorf, Mitautor der Studie, betont.

Schlechte Deutschnoten scheinen oft als Indiz für sprachliche Defizite gewertet zu werden. In diesem Fall führe eine gute Mathematiknote bei ausländischen Kindern selten zu einer Empfehlung für die Sekundarschule, heisst es weiter in der vom Freiburger Heilpädagogikprofessor Urs Haeberlin geleiteten Untersuchung.

Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) kenne das Problem, erklärt dazu Olivier Maradan, stellvertretender EDK-Generalsekretär.

Es gebe schon verschiedene Pläne, um die Situation zu verbessern, unter anderem den Aktionsplan mit PISA 2000-Folgemassnahmen. Weitere Schritte würden ins Auge gefasst. Die Selektionsmodalitäten seien von Kanton zu Kanton sehr verschieden, unterstreicht Olivier Maradan weiter.

Gleiche Qualifikation – Viel schlechtere Chancen

Ausländische Jugendliche sind nicht nur bei der Selektion in die Sekundarschule benachteiligt, sie haben auch deutlich schlechtere Aussichten, eine Lehrstelle zu erhalten als Schweizer Jugendliche – und dies bei gleichen Schulqualifikationen.

So haben ausländische Jugendliche der ersten Generation bei der Lehrstellensuche 4,4 mal schlechtere Chancen und Ausländer der zweiten Generation immerhin noch 1,9 mal schlechtere Chancen als Jugendliche, von denen beide Elternteile Schweizer sind.

Die Lehrstellenchancen junger Frauen (Ausländerinnen und Schweizerinnen) sind 2,8 mal schlechter als die junger Männer – auch wenn sie die gleichen Schulnoten haben und den gleichen Schultyp besucht haben.

Frauen können also von ihrem schulischen Vorsprung beim Wechsel in die berufliche Ausbildung nicht profitieren, wie die Studie “Schulqualifikation und Erfolg bei der Lehrstellensuche” weiter aufzeigt.

Kein Vorschussvertrauen

Der grössere oder kleinere Erfolg bei der Lehrstellensuche hat verschiedene Gründe: Er wird unter anderem mit dem unterschiedlich guten Zugang zu informellen Netzwerken erklärt. Zudem spiele auch das Vorschussvertrauen der Lehrbetriebe eine sehr wichtige Rolle.

Hier profitieren in erster Linie Schweizer Männer. Insbesondere ausländische Jugendliche, die erst seit kürzerer Zeit hier leben, kommen weniger in Genuss eines solchen Vertrauenskredits. Auch Frauen, die sich für männertypische Berufslehren interessieren, dürften von diesem Nachteil betroffen sein.

swissinfo und Silvia Oberhänsli, InfoSüd

Obligatorische Schulzeit in der Schweiz 9 Jahre: 3 Jahre Unter-, 3 Jahre Mittel- und 3 Jahre Oberstufe.

Nachher gehen die Jugendlichen in eine Lehre oder auf Gymnasien.

Ausländische Jugendliche werden beim Übertritt in die Oberstufe (7. bis 9. Jahr) benachteiligt.

Bei Schulleistungen im mittleren Bereich kommen nur 65 Prozent ausländischer Mädchen und lediglich 37 Prozent Knaben in die Sekundarschule.

Die andern kommen in die leistungsschwächere Realschule.

Ausländische Jugendliche haben bis zu 4,4 mal schlechtere Chancen eine Lehrstelle zu erhalten, als Jugendliche mit Schweizer Eltern.

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