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Schutz für Opfer von Diskriminierung ungenügend?

Eine Asylbewerberin in einem Asylunterkunft in der Schweiz. Keystone

Einen "Grundsatz der Nichtdiskriminierung" fordert die Eidgenössische Kommission gegen Rassimus (EKR) auch in Bezug auf Wohnungen und Jobs. Falls dies zu einem "Vertragszwang" führen sollte, wäre der Hauseigentümerverband nicht einverstanden.

Die aktuelle Rechtslage stellt für die Opfer von Diskriminierung keinen effizienten Rechtsschutz dar, lautet das Fazit eines Berichts der EKR. Sie hat die Schweizerische Rechtsordnung unter die Lupe genommen.

Ein strafrechtliches Verbot zur Bekämpfung von Diskriminierung bestehe sehr wohl. Straftaten von Rechtsextremen, persönliche Beleidigungen und der Vertrieb von Pamphleten durch einzelne Personen würden mit dieser Bestimmung gut erfasst, sagt Tarek Naguib, der den Bericht im Auftrag der ERK verfasst hat.

Aber im Privat- und Verwaltungsrecht fehle es an “ausdrücklichen Verboten rassistischer Diskriminierung. “Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem”, sagt er.

Wohnungen und Jobs

Konkret geht es um Fälle, bei denen Personen beispielsweise wegen ihrer Hautfarbe oder ihres Namens eine Arbeitsstelle oder eine Mietwohnung nicht erhalten. “Diese Fälle sind schon jetzt einklagbar”, erklärt Naguib. “Jedoch ist die Rechtslage nicht griffig genug”.

Durch die Einführung eines privatrechtlichen Diskriminierungsverbots wäre “für die ganze Gesellschaft klar, dass Diskriminierung in Arbeits- oder Mietverhältnissen nicht zulässig ist”. Das würde zu einer gewissen Sensibilisierung und besseren Wahrnehmung führen und hätte eine präventiven Effekt, sagt Naguib. “Und die Betroffenen könnten sich rascher wehren. Es wäre klar, dass man vor ein Gericht oder vor eine Schlichtungsstelle gehen könnte. Das würde alles vereinfachen.”

Ein privatrechtliches Diskriminierungsverbot nach der Vorstellung der ERK würde jede sachlich nicht gerechtfertigte, direkte oder indirekte Benachteiligung, insbesondere in Arbeits- oder Mietverhältnissen, verbieten.

Die persönliche Freiheit, das Recht auf Privatleben, die Meinungsfreiheit, die Wirtschaftsfreiheit und weitere Grund- und Menschenrechte würden beachtet.

Mit einem derartigen Verbot könnte man beispielsweise einen Hausverwalter dazu zwingen, eine rassistisch motivierte Wohnungsvergabe-Praxis aufzugeben, indem man ihn zum Vertragsabschluss mit der diskriminierten Person zwingen würde.

Vertragsfreiheit

Einen privaten Hausbesitzer, der in seiner Liegenschaft wohnt, könnte man aber nicht dazu zwingen. In diesem Fall würden die Persönlichkeitsrechte vorgehen. Jedenfalls werde in Deutschland, wo Diskriminierungsverbote im Privatrecht verankert seien, in solchen Fällen zugunsten des Hauseigentümers entschieden, sagt Naguib.

Für Ansgar Gmür, Direktor des Schweizerischen Hauseigentümerverbandes HEV, geht eine Bestimmung, die zu einem “Vertragszwang” führen würde, zu weit: “Wenn es darauf hinausläuft, dass man einem Vertragspartner einen Vertrag aufzwingen kann, den er eigentlich gar nicht will, dann entspricht das nicht der Vertragsfreiheit. In erster Line achtet der Vermieter auf die Zahlungsfähigkeit der Leute.”

Sicher gebe es Fälle, in denen Menschen bei Wohungsvergaben diskriminiert würden. Doch: “Der Eigentümer schaut auf einen guten Mix unter den Mietern. In der Regel sind es die Mieter, die sich an den anderen stören. Beispielsweise haben wir viele Reklamationen wegen Küchengerüchen, wenn Menschen aus anderen Kulturen exotisch kochen. Dem Vermieter ist das egal, den Mitmietern nicht.”

Weitere Empfehlungen

Die weiteren Empfehlungen der ERK zur Verbesserung der Rechtslage in Diskriminierungsfragen lehnen sich an die bereits existierende Gesetzgebung bei der Geschlechter- und der Behindertengleichstellung an.

Die ERK möchte, dass die Schweiz die Menschenrechtsstandards vollständig übernehmen soll.

Der Bundesrat und Gesetzgeber solle das Zusatzprotokoll Nr.12 der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK, das Diskriminierungsverbot ratifizieren und drei Vorbehalte zu entsprechenden Normen zurückziehen.

Weiter schlägt die ERK vor, dass die staatlichen, kantonalen und kommunalen Behörden von Empfängerinnen und Empfängern staatlicher Leistungen verlangen, dass sie sich an den Nichtdiskriminierungsgrundsatz halten.

Mit staatlichen Leistungen sind zum Beispiel Subventionen oder auch Beiträge an kulturelle Projekte gemeint. Auch für konzessionierte Unternehmen und Personen, die einen Leistungsauftrag erfüllen, soll dies gelten.

Um die Durchsetzung der neuen Regelungen zu gewährleisten, braucht es laut der Kommission Beratungsstrukturen, Ombudsstellen und Schlichtungsstellen. Erstinstanzliche Gerichtsverfahren in Diskriminierungsfällen sollen kostenlos sein und die Beweislast soll erleichtert werden.

“Zu einer Flut von Klagen führen privatrechtliche Diskriminierungsverbote nicht”, sagte Naguib, “das hat die Erfahrung in anderen Ländern gezeigt.” Auch die befürchtete Beschneidung der unternehmerischen Freiheit sei nicht eingetreten.

Eveline Kobler, swissinfo.ch

Laut der Stellungnahme der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus sind auch im strafrechtlichen Bereich Defizite zu beheben:

a.Ergänzung der verschiedenen in der Strafnorm verankerten Tatbestände mit einem Verbot der Diskriminierung aufgrund der Nationalität und des asyl- bzw. ausländerrechtlichen Status;

b.Die Gründung und die Mitgliedschaft in Vereinigungen mit rassendiskriminierendem Zweck sind strafbar

c.Das Tragen, die Verbreitung, Herstellung, Lagerung sowie Ein-und Ausfuhr von rassistischen Symbolen sind strafbar

d.Verankerung eines strafprozessualen Mitwirkungsrecht von Vereinigungen, die sich im Kampf gegen Rassismus engagieren

e. Den im Sinne von d mitwirkungsberechtigten Organisationenen ist die Möglichkeit einzuräumen, zweckgebundene symbolische Entschädigungen einzufordern

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