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Schweiz löst sich vom Image als Steuerparadies

Die Schweiz hat mit insgesamt 70 Ländern Steuerabkommen getroffen. Keystone

Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat Ja gesagt zu zehn neuen Doppelbesteuerungsabkommen gemäss den OECD-Richtlinien. Damit biegt die Schweiz auf den Weg ein, der sie weg vom Image als international gescholtenes Steuerparadies führt.

Doppelbesteuerungsabkommen, kurz DBA, sind beileibe keine Neuheit. Sie regeln mit Partnerländern, dass Unternehmen oder Einzelpersonen, die in beiden Ländern aktiv sind, nicht zweimal Steuern entrichten müssen.

Neu aber ist, dass die Schweiz in den revidierten Abkommen eine Richtlinie der Organisation für Entwicklung und Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) aufgenommen hat. Artikel 26 über den erweiterten Informationsaustausch besagt, dass Amtshilfe nicht nur bei Steuerbetrug geleistet wird, sondern auch bei Steuerhinterziehung. Dies allerdings nur aufgrund einer Anfrage und für konkret benannte Fälle.

Die Schweiz ist das einzige Land mit einer “subtilen” Trennung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung.

Schmach der grauen Liste

Die OECD-Norm versetzt dem Schweizer Bankgeheimnis einen harten Schlag. Dennoch entschied sich der Bundesrat im März 2009, sie zu übernehmen. Dabei stand die Regierung unter grossem Druck aus dem Ausland.

Mehrere Länder, darunter Frankreich, Deutschland, aber auch Italien, die USA und Grossbritannien, warfen der Schweiz vor, mit dem Bankgeheimnis als Strategie die Steuerflucht zu begünstigen. Durch die Löcher in den Staatshaushalten aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise verstärkte sich die Kritik massiv.

Die Spannungen kulminierten im April 2009 darin, dass die OECD die Schweiz auf die so genannte graue Liste der Steueroasen setzte. Dies geschah auf Druck der G20, dem wirtschaftspolitischen Zusammenschluss der 20 stärksten Industrienationen.

Die Vorgabe war klar und unmissverständlich: Die Schweiz muss zwölf neue DBA nach OECD-Richtlinien abschliessen, damit sie von der grauen Liste gestrichen wird. Das Dutzend war bereits im September letzten Jahres unter Dach. Der Informationsaustausch tritt aber erst in Kraft, wenn die revidierten Abkommen Gültigkeit besitzen.

Klare Mehrheit

Die Schweiz hat bis zum heutigen Zeitpunkt mit über 20 Ländern neue DBA ausgehandelt. Ein erstes “Zehner-Paket” fand jetzt die Zustimmung des Schweizer Parlaments. Während das Ja im Ständerat (Kleine Kammer) praktisch unbestritten war, stemmte sich im Nationalrat (Grosse Kammer) die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) gegen die Abstriche am Bankgeheimnis.

Die Behördenzusammenarbeit sei nur ein erster Schritt, weitergehende Forderungen würden bald folgen, begründete die SVP ihr Nein. “Als souveräner Staat dürfen wir uns nicht alles diktieren lassen, sonst kommen weitere Forderungen, die den Werk- und Finanzplatz Schweiz schwächen”, sagte der Schaffhauser SVP-Nationalrat Hansjörg Walter.

Konkret befürchtet die Rechtspartei den automatischen Informationsaustausch, der dem Bankgeheimnis den definitiven Todesstoss versetzen würde.

Mit dieser Argumentation stand die SVP aber alleine da. Bei einer Anfrage müssten sich ausländische Behörden auf einen konkreten Fall mit begründetem Verdacht auf Steuerflucht stützen, sagte Christophe Darbellay von der Christlich-Demokratischen Volkspartei (CVP). “Die Doppelbesteuerungsabkommen schliessen die Jagd nach Daten, die so genannten Fishing Expeditions, aus”, so der Walliser.

Die grosse Ja-Mehrheit im Nationalrat basierte in erster Linie auf den Stimmen aus dem Mitte-Rechts- und Links-Lager. Während die bürgerlichen Vertreter die Schweiz so rasch als möglich von der grauen Liste entfernen wollten, taxierte die Linke die Abkommen als Schritt in die richtige Richtung, nämlich zu noch stärkerer Zusammenarbeit mit den Behörden.

Der unterlegenen SVP bleibt als letzte Hoffnung das Stimmvolk, denn jedes einzelne revidierte Doppelbesteuerungsabkommen unterliegt dem fakultativem Referendum. Ob dies allerdings ergriffen wird, steht auf einem anderen Blatt.

Olivier Pauchard, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

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Die Parlamentarier haben in den Debatten klar gemacht, dass Amtshilfe ausgeschlossen sein soll, falls die Daten über mutmassliche Steuersünder gestohlen worden waren (“Daten-Klau”).

Damit spielten sie auf mehrere CDs an, die ausländische Behörden, namentlich in Deutschland, kauften oder erhielten. Die CDs enthielten Daten über mögliche Steuersünder, die Schweizer Banken gestohlen worden waren.

Ein Entscheid dazu ist aber noch nicht gefällt.

Erst das Anwendungsgesetz zu den neuen DBA wird diesen Punkt klären.

Beide Räte des Schweizer Parlaments haben die neuen Doppelbesteuerungsabkommen gemäss den OECD-Richtlinien angenommen.

Die Ständeräte hiessen neun einstimmig gut. Beim Abkommen mit den USA gab es eine Gegenstimme sowie eine Enthaltung.

Die neuen DBA betreffen die USA, Grossbritannien, Mexiko, Dänemark, Frankreich, Norwegen, Finnland, Luxemburg, Österreich und Katar.

Alle diese Abkommen unterliegen dem fakultativen Referendum.

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