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Schweizer Armee wird immer kleiner

Soldaten im Feld
Rekruten auf einem Ausbildungsmarsch. Keystone/Gaetan Bally

Der Bundesrat will eine kleinere und billigere Armee. Der Bestand soll von heute 140'000 auf 80'000 Mann verkleinert werden, kosten darf die Armee höchstens 4,4 Milliarden im Jahr. Verteidigungsminister Ueli Maurer soll sparen.

Der Bundesrat hat am Freitag den Armeebericht verabschiedet und damit die Weichen für die künftige Entwicklung der Armee gestellt.

Maurer machte vor den Medien keinen Hehl daraus, dass er sich mehr Geld und eine grössere Armee gewünscht hätte.

Zwar habe die Armee auch bisher ein Budget von rund 4,4 Milliarden gehabt, räumte Maurer ein. Faktisch koste sie aber 5,5 Milliarden Franken. Die Armee habe in den vergangenen Jahren “Schulden” gemacht, indem sie Immobilien nicht unterhalten und notwendige Rüstungsgüter nicht beschafft habe.

Die Vorgaben des Bundesrats einzuhalten, stelle angesichts des Nachholbedarfs eine grosse Herausforderung dar. “Für uns bedeutet das Einsparungen von 20 bis 25 Prozent”, sagte Maurer. Der Bundesrat hat ihn beauftragt, bis in einem Jahr aufzuzeigen, wie und wo gespart werden soll.

Stellenabbau

Ein Stellenabbau in der Armee und in der Verwaltung werde wohl unumgänglich sein, sagte Maurer. Auch bei der Rüstung und der Ausrüstung werde die Armee Abstriche machen müssen. Wichtig sei aber, dass man dies offenlege und sich nicht wie in der Vergangenheit etwas vormache, stellte Maurer fest.

Dies ist laut Maurer denn auch das Hauptziel des Armeeberichts: Die Politik soll auf Basis dieser Grundlage entscheiden können, welche Aufgaben die Armee wirklich erfüllen soll – und wie viel ihr dies wert ist.

Fünf Wiederholungskurse

Bis Ende 2012 will der Bundesrat dem Parlament die rechtlichen Grundlagen für die Änderungen vorlegen. Umgesetzt werden sollen die Neuerungen 2015. Die Armee stecke im Grunde noch in der letzten Reform und brauche erst eine Konsolidierungsphase, erklärte Maurer.

Wie die neue Armee genau aussehen soll, steht im Detail noch nicht fest. Maurer rechnet jedoch mit 16’000 Rekruten pro Jahrgang. Er geht weiter davon aus, dass Armeeangehörige in Zukunft noch etwa fünf Wiederholungskurse absolvieren müssen.

Vermutlich würden aber nicht alle gleich viele Wiederholungskurse absolvieren, und auch die Rekrutenschulen dürften – je nach Truppengattung und Einheit – unterschiedlich lange dauern, so Maurer.

Keine Berufsarmee

Eckpfeiler der neuen Armee bleiben Neutralität, Milizprinzip und allgemeine Militärdienstpflicht. Nicht in Frage kommt für den Bundesrat eine Berufsarmee und eine Durchdiener-Armee. Aktuell bleibe jedoch die Frage, ob der Anteil an Durchdienern angehoben werden solle, schreibt der Bundesrat.

Armeechef André Blattmann zeigte sich an der Medienkonferenz vor allem mit jenem Teil des Berichts zufrieden, der das Leistungsprofil der Armee festlegt. Die Aufgaben seien noch nie so klar definiert worden, sagte Blattmann. Es gehe nun darum, die Aufgaben und Mittel “endlich” wieder in Einklang zu bringen.

Mehr Auslandeinsätze

Bei den Leistungen der Armee soll nach dem Willen des Bundesrats die Akzentverschiebung von der Verteidigung hin zu umfassenden Schutzaufgaben fortgesetzt werden.

Die Friedensförderungs-Einsätze sollen qualitativ und quantitativ verstärkt werden. Von bisher rund 500 soll dieser Bestand auf 1000 Personen erhöht werden. Den Einsatz im Kosovo will der Bundesrat verlängern. Welche Einsatzgebiete sonst noch in Frage kämen, hat er noch nicht entschieden.

Unterschiedliche Reaktionen

Während die Mitteparteien und die Sozialdemokraten – wenn auch mit kritischen Untertönen – erfreut reagierten, kündigte die Schweizerische Volkspartei (SVP) Fundamentalopposition an, wobei die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) mit aller Kraft Schützenhilfe leistete.

Hans Fehr, SVP-Nationalrat und AUNS-Geschäftsführer, kündigte energischen Widerstand an. Statt den Verfassungsauftrag, die Landesverteidigung, zu erfüllen, beschreite der Bundesrat den Irrweg Richtung Durchdiener-, Profi- und Auslandeinsatz-Armee.

Die Bestandsreduktion und die massive Erhöhung der Durchdiener-Zahl heble Milizprinzip und allgemeine Wehrpflicht faktisch aus, teilte die SVP mit. Inakzeptabel ist für die Partei auch die angestrebte Verdoppelung des internationalen Engagements. Die Partei werde den Bericht und die damit zusammenhängenden Gesetzesänderungen bekämpfen.

Gedämpften Applaus gibt es von der Sozialdemokratischen Partei (SP): Nationalrätin Evi Allemann, Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission, zeigte sich erfreut, dass der Bundesrat die Zahl der Durchdiener auf 1000 vervierfachen will. Die Armee dürfe aber nicht zur Hilfspolizei werden, betonte sie.

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) sieht im Bericht ihre hauptsächlichen Forderungen aufgenommen. Wie Generalsekretär Tim Frey sagte, liegen die Bestandsreduktion und der Kostenplafonds auf der Linie des CVP-Armeepapiers. Ein grosses Fragezeichen bleibe, wie sich die Umsetzung der Reduktion gerade auf strukturschwache Regionen auswirke.

“Beunruhigend, aber folgerichtig”

Denis Froidevaux, Vizepräsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG), findet den Bericht beunruhigend, aber aufgrund der bundesrätlichen Vorgaben vom Dezember 2008 folgerichtig.

Abzuwarten bleibe, wie die Politik die Vorgaben umsetze. Ausschlaggebend sei, ob es wirklich bei den zugesicherten 4,4 Milliarden Franken im Jahr bleibe.

Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) bezeichnete die Verkleinerung als “Scheinabbau der Armee”. Einmal mehr verpasse es der Bundesrat, das Massenheer grundsätzlich in Frage zu stellen.

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Die Armee rechne in Zukunft noch mit etwa 16’000 Rekruten pro Jahrgang, sagte Maurer am Freitag vor den Medien.

Bei dem neu definierten Sollbestand der Armee von 80’000 Mann ergebe das einen Bedarf von etwa fünf Wiederholungskursen.

Von den 80’000 Mann sollen 22’000 mit schweren Waffen ausgerüstet sein.

35’000 Mann werden der Infanterie zugeteilt und 22’000 sorgen für die unterstützenden Dienste.

1000 Soldaten sollen künftig für Auslandseinsätze zur Verfügung stehen.

Für den Ersatz der Tiger-Kampfflugzeuge ändert der Bericht laut Maurer nichts.

Der Bundesrat hatte bereits im Sommer bekannt gegeben, dass er vorerst auf den Kauf neuer Flugzeuge verzichtet.

Bis 2015 will er entscheiden, wie es weiter geht.

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