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Schweizer Bankangestellte als Ferienverweigerer

Bitte Abschalten und die Hektik hinter sich lassen!

Schweizer Führungskräfte sind Ferienmuffel: Zwei Drittel der Personal- und Finanzmanager schöpfen ihren jährlichen Urlaubsanspruch nicht aus, wie eine Untersuchung zeigt.

Eine Tendenz, die bisher vor allem der japanischen Arbeitswelt zugesprochen wurde, zeigt sich immer mehr in der Schweiz: Angestellte, die ihre Ferien nicht vollständig beziehen.

Grund dafür ist oft ein hohes Arbeitspensum und ein schlechtes Gefühl dabei, dem Arbeitsplatz längere Zeit fern zu bleiben. Diesen Schluss ziehen die Autoren einer Studie des Personaldienstleister Robert Half.

Die Workplace Survey, in deren Rahmen 6000 Personal- und Finanzmanager aus 17 Ländern befragt wurden, entlarvt die Schweizer Führungskräfte als echte Ferienmuffel. Sind es weltweit gut die Hälfte, die auf einen Teil ihres Urlaubs verzichten (55%), liegt der Anteil der Ferienverweigerer in der Schweiz mit 67% deutlich höher.

“Ohne mich läuft nichts”-Haltung falsch

Dahinter steht die verbreitete Haltung, dass zuviel zu tun sei, der Pendenzenberg bei Abwesenheit nur noch höher werde und die eigene Präsenz im Team zwingend sei.

Doch wer sich für unverzichtbar hält, erweist sich und dem Unternehmen möglicherweise einen Bärendienst. Nur wer sich regelmäßig entspannen könne, bleibe auch im Job leistungsfähig und sei weniger stressanfällig, sagt Beatrix Kollmann von Robert Half Schweiz.

“Erholung ist wichtig für Gesundheit und Motivation eines jeden Mitarbeiters. Um eine ausgewogene Work-Life-Balance herzustellen, sollten daher möglichst alle Urlaubstage im Laufe des Jahres genommen werden”, rät Kollmann.

Druck infolge Bonusanreizen

Mary-France Goy vom Schweizerischen Bankpersonalverband (SBPV) bestätigt, dass es in der Branche Probleme mit dem vollständigen Ferienbezug gibt. Als Ursache macht sie die Anreize der Arbeitgeber mit Boni-Zahlungen aus.

Zwar sind Angestellte laut Goy selber schuld, wenn sie auf der Jagd nach höheren Boni auf ihre Ferien verzichten und sich stattdessen Überstunden auszahlen lassen. “Wir hoffen, dass die Finanzkrise auch diesbezüglich zu einer Änderung führt”, sagt sie.

Mit zwei Vorstössen versuchte der Personalverband, die Bänkeler zu mehr Ferienglück zu zwingen – mit unterschiedlichem Erfolg. Keine Chance hatte beim Personal die Initiative für eine sechste Ferienwoche im Jahr. “Bitte nicht, wir haben schon Mühe, unsere fünfte Woche zu beziehen!”, lautete gemäss Goy der Tenor.

Gesundheitsprogramme: Grosse gehen voran

Verankert wurde hingegen die Forderung, dass die Angestellten jährlich mindestens zwei Wochen Ferien am Stück machen. Doch das reicht nicht aus, wie die Sprecherin einräumt. Immerhin hätten die Grossbanken das Problem erkannt und Gesundheitsprogramme initiiert, die etwa Gymnastikprogramme oder Massagen umfassten.

Der SBPV hat deshalb eine Studie in Auftrag gegeben. “Wir wollen herausfinden, was die Betriebe betreffend Gesundheitsmanagement unternehmen”, sagt Goy.

Resultate werden für Frühling 2009 erwartet. Danach werde der Verband entsprechende Empfehlungen herausgeben. Goy hofft, dass sie die Arbeitgeber mit ins Boot holen kann. Denn Ferien-Verzicht erweise sich gerade für die Unternehmen als Boomerang, weil er mit hohen Gesundheitskosten zu Buche schlage.

swissinfo, Renat Künzi

Überlastete Mitarbeiter sind anfälliger für Stress und gesundheitliche Probleme. Das verursacht Kosten für den Arbeitgeber.
Entspannungsübungen und Sport sind erwiesenermassen effiziente Mittel gegen die Anspannung.
Häufig greifen überlastete Mitarbeiter aber zu Medikamenten (Symptombekämpfung).
Um die Ursache anzugehen, empfiehlt sich ein Ausgleich zur Arbeit (ausgeglichene Work-Life-Balance).

Nur 33% der befragten Schweizer Personal- und Finanzmanager nehmen alle Urlaubstage im selben Jahr.

Die Hälfte von ihnen betrachtet die arbeitsfreie Zeit als wichtige Erholung; 42% gaben interne Vorschriften an, während 8% maximal fünf Ferientage in das nächste Jahr mitnehmen dürfen.

67% der Schweizer Personal- und Finanzmanager verzichten auf einen Teil ihres Ferienguthabens.

Die wichtigsten drei Gründe dafür: Zuviel Arbeit (53%), Möchte nicht zu lange am Arbeitsplatz fehlen (29%), Bin zu wichtig für das Team (11%).

Quelle: Robert Half, Workplace Survey 2008.

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