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Schweizer Bioprodukte aus Rumänien

Die Familie Hani bewirtschaftet in Rumänien Land, das Jahrzehnte lang brach lag, nicht verschmutzt und deshalb ideal für die Bioproduktion ist. Mihaela Carbunaru/InfoSud

Immer mehr Schweizer Bauern lassen sich in Rumänien nieder. Zu niedrigen Grundstück-Preisen kaufen sie sich Agrarland von mehreren hundert Hektaren und exportieren ihre Produkte in die Schweiz und nach Deutschland.

Das Haar zerzaust, das Gesicht gezeichnet von der Arbeit im Freien. Christian Hani hebt einen Erdballen von seinem Acker auf, riecht daran und sagt begeistert: “Feinkörnig und ohne Kieselsteine, wie im Garten, vom Feinsten.”

Kurz nach Abschluss seines Studiums als Agronom hatte sich der dreissigjährige, gebürtige Luzerner 2004 im Dorf Firiteaz im Westen Rumäniens niedergelassen.

Angefangen hatte er mit nichts.Heute bewirtschaftet er 800 Hektaren Agrarland. “In der Schweiz ist es sehr schwierig, ein grösseres Grundstück zu erschwinglichen Preisen zu finden. Alles wird schon bewirtschaftet, und für junge Landwirte hat es keinen Platz mehr. Hier in Rumänien hingegen konnte ich mein Geschäft von Null auf gestalten. Ich bevorzuge ein Leben auf dem Land, um meinen beiden Kindern persönliche Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten.”

Christian Hani hat Nacheiferer gefunden: Seine Eltern, seine Schwester und sein Schwager sind ihm ein paar Jahre später gefolgt.

Ideales Land für Bioprodukte

Hanis haben sich aber nicht Hals über Kopf in Rumänien niedergelassen. Christians Vater Theo war als Finanzberater im Agrarbereich tätig und ist schon vor langer Zeit zur Überzeugung gelangt, dass Rumänien die Zukunft der biologischen Landwirtschaft sei.

Seit dem Sturz des Diktators Ceausescu im Jahr 1989 wurde der grösste Teil des Bodens dieses Landes nicht bearbeitet. Deshalb ist dieses Brachland heute ideal für Bioproduktion.

Und dies sei nicht der einzige Vorteil, sagt Theo Hani: “In der Schweiz kostet eine Hektare Agrarland bis 80’000 Euro, während wir im Westen Rumäniens dafür zwischen 2000 und 3000 Euro bezahlt haben. Leider hat das Land  – trotz der gewaltigen Möglichkeiten und dem grossen Arbeitseifer der Rumänen – im Ausland einen schlechten Ruf.”

Auf den 800 Hektaren produzieren Hanis jedes Jahr rund 600 Tonnen Getreide. Alles wird in die Schweiz exportiert, wo die verarbeiteten Produkte zu einem Preis weiterverkauft werden, der deutlich höher ist als für kommerzielle. Die Nachfrage ist gross. Die Schweiz bezieht 60 Prozent der Bioprodukte aus dem Ausland.

“Bisher sind diese Produkte aus China, Kanada oder den USA importiert worden. Deshalb ist es logisch, dass wir versuchen, sie möglichst in Europa herzustellen”, sagt Lukas Kelterborn, ein Freund der Familie Hani, der sich um den Absatz kümmert. “In der Schweiz wird der grösste Teil unseres Getreides zu Mehl für die Grossverteiler Migros und Coop verarbeitet.”

Neue Landwirtschaftspolitik

Mit seinen 15 Millionen Hektaren Agrarland will sich Rumänien zum künftigen Getreidespeicher Europas entwickeln. Nach Frankreich (4 Millionen Hektaren) hat das Land die zweitgrösste Ökofläche. Laut Präsident Basescu könnte es damit 80 Millionen Einwohner ernähren. In Rumänien selber leben nur 20 Millionen Menschen.

Das Potential ist umso grösser, als dass Brüssel 2014 im Rahmen der neuen Landwirtschaftspolitik (PAC) die Subventionen zugunsten von Bukarest verdoppeln wird. Die Verhandlungen lassen tatsächlich ein neue Verteilung der EU-Unterstützungen erwarten. Die Subventionen für Westeuropa könnten sich vermehrt auf die Produktion von Biotreibstoff verlagern, während dem sie im Osten für den Anbau von Nahrungsmitteln entrichtet werden sollen.

Die Landwirtschaft des EU-Mitglieds Rumänien ist für westliche Anleger interessant geworden. “Unser Betrieb gehört Schweizer und deutschen Investoren, die 4000 Hektaren Weideland gekauft haben”, sagt der Schweizer Viehzüchter Samuel Widmer, der sich im Zentrum Rumäniens niedergelassen hat. “In Rumänien sind die Möglichkeiten für die Viehzucht grenzenlos. Man braucht nur Kapital und den Willen zum Erfolg”.

Die ehemalige kommunistische Diktatur hält ihre Ambitionen nicht zurück. Rumänien war schon vor dem Zweiten Weltkrieg der Kornspeicher Mitteleuropas. Diesen Platz will das Land wieder einnehmen und sich als “regionaler Motor durchsetzen, um die Auswirkungen einer künftigen Nahrungsmittelkrise einzudämmen”, ist der rumänische Präsident überzeugt.

Gewicht: In der Schweizer Landwirtschaft, die mehr als einen Drittel der Flächen des Landes ausmacht und knapp 1% zum BIP beisteuert, sind weniger als 3% der Bevölkerung tätig.

Nahrungsmittel: Die Schweizer Landwirte produzieren rund 60% der Nahrungsmittel, welche die Bevölkerung und die Nutztiere konsumieren.

Ökologie: Rund 10% der Landwirtschafts-Produktion ist derzeit biologisch.

Politik: Die politischen Interessenvertreter der Land- und Forstwirtschaft sind im Schweizer Parlament die viertgrösste Berufsgruppe.     

(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

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