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Schweizer Börse 2006: Wider Erwarten ein gutes Jahr

2006: Das vierte ausgezeichnete Börsenjahr in Folge. swissinfo.ch

Das Börsenjahr 2006 fiel viel besser aus als erwartet. Weder Kriege noch Krisen, weder Zinsschocks noch ölpreistreibende Hurrikane stoppten die Börse.

Nur der sommerliche Einbruch sorgte Mitte Jahr für Unruhe. Wird 2007 zum fünften guten Börsenjahr in Folge?

Das abgelaufene Börsenjahr 2006 war vom weltpolitisch-wirtschaftlichen Umfeld her ein “Extremjahr”, meint Janwillem Acket von der Bank Julius Bär gegenüber swissinfo:

“Die geopolitischen Ereignisse, sei es im Irak, in Nordkorea oder im Libanon, oder die Bombendrohungen in London – alles klassische Störfaktoren eines Börsenwachstums – vermochten dieses Jahr die Kapitalmärkte nicht aus der Ruhe zu bringen.”

Klassische Hausse-Hemmer fielen 2006 weg

Auch der zweite klassische Störfaktor, das Wetter, sei als Hausse-Hemmer 2006 weitgehend weggefallen: In den USA gab es keine Wirbelstürme. Hurrikane wirbeln oft auch die Erdölpreise durcheinander, wegen Panikkäufen in den USA.

2006 schlug aber der Erdölpreis nicht zu stark aus, weil die Gemüter bei vollen Lagern eher ruhig bleiben.

Was den Verlauf in der Schweiz betrifft, werden sowohl die Schweizer Börse als auch der Franken eigentlich eher als defensiv erachtet, sagt Lorenz Burkhalter von Burkhalter Asset Management AG in Bern.

Doch alles ist anders gekommen

“Auch vom im Vergleich zu anderen, stärker wachsenden Volkswirtschaften eher unspektakulären inländischen Wirtschaftsverlauf her hätte man meinen können, der Schweizer Markt würde 2006 weniger nachgefragt.”

Dem war jedoch nicht so: “Gerade im europäischen Vergleich schnitt die Schweizer Börse sehr gut ab”, sagt Burkhalter.

In ganz Europa hätten sich die Finanzmärkte seit geraumer Zeit stark vom europäischen Wirtschaftsverlauf abgenabelt und sehr positiv reagiert. Sie nahmen 2006 viel vom künftigen internationalen Wachstum vorweg.

Massive Übernahmewelle

Punkto Firmentransaktionen gilt 2006 als absolutes Rekordjahr. Der deutsche Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck übernahm die Westschweizer Biotech-Unternehmung Serono, OC Oerlikon die Traditionsfirma Saurer, und Phonak tätigte mit GN Re Sound eine Grossübernahme im Ausland. “Einige weitere Übernahmen sind noch hängig”, fügt Burkhalter bei.

Auch ausserhalb des Swiss Market Index-Bereichs SMI, im “ausserbörslichen” Bereich, schlugen die Wellen 2006 höher: In der Ostschweiz begann sich die Glarner Kantonalbank für die Bank Linth zu interessieren – worauf die Liechtensteinische Landesbank als weisser Ritter höhere, “freundliche” Angebote nachschob. Noch steht der Entscheid aus, ob und wer sich die Bank Linth einverleiben kann.

Diese Übernahmen und Übernahme-Versuche gaben am Schweizer Aktienmarkt viel zu reden. “Der Kampf um die Bank Linth zeigt, wie die Finanzinstitute heute auch regional unter einem enormen Druck stehen – auch im regionalen Bereich herrscht Wettbewerb, auch dort gibt es Zusammenschlüsse”, so Burkhalter.

2006: Im Zeichen konjunktur-sensitiver Branchen

Zu den Börsenlieblingen in der Schweiz gehörten 2006 konjunktur-sensitive Aktien wie ABB und Adecco. Defensive Branchen hingegen, wie Nahrungsmittel und Pharma, konnten zwar im Jahresverlauf auch zulegen. Doch blieben sie hinter den Konjunktursensitiven zurück.

Bei den Finanzwerten beginnt sich nach bewegteren Zeiten jetzt, kurz vor Jahresende, eine Beruhigung der Aktienpreise abzuzeichnen.

Dollar kein Thema

Erstaunlicherweise, so Burkhalter, war der Dollar 2006 kein grosses Thema am Schweizer Aktienmarkt. Dabei hängen viele Schweizer Unternehmen wegen ihrer Exportmenge stark vom Dollar ab. “Es überrascht deshalb, dass die Dollarschwäche keine Spuren im Aktienindex hinterlassen hat.”

Noch Anfang 2006 stiegen die mittel- und langfristigen Zinsen – nur schon aus der Erwartungshaltung der Anleger heraus. Dies drückte die Obligationenkurse. Doch auch hier entspannte sich erstaunlicherweise, so Burkhalter, die Situation im zwieten Jahresteil wieder.

“Historisch tiefes Zinsniveau”

“Diese Zins-Entspannung dauerte aber nur bis Mitte Dezember”, präzisiert Acket. Dennoch bezeichnet auch er das Zinsniveau 2006 als “historisch tief”.

Mitte Dezember 2006 erhöhte die Schweizerische Nationalbank den Leitzins, wie sie das schon Anfang Dezember 2005 getan hatte. Damals wurde dies als Zeichen einer möglichen Trendwende für höhere Zinsen im Verlauf von 2006 interpretiert und löste Erwartungen aus. Diese stellten sich dann jedoch nicht ein. Inflation war 2006 kein Thema.

2007: Fünftes gutes Börsenjahr in Folge?

“Deshalb sind die Aussichten für 2007 ähnlich wie vor Jahresfrist”, schätzt Acket: “Vorsichtig optimistisch.” Immerhin war 2006 das vierte gute Börsenjahr in Folge. Deshalb seien für 2007 Gewinnmitnahmen denkbar, vor allem im ersten Halbjahr, vermutet der Chefökonom der Bank Julius Bär.

Burkhalter gibt sich noch verhaltener: “Vielleicht ist im aktuellen Umfeld etwas mehr Vorsicht angebracht.”

Viele Analysten gäben sich derzeit zwar noch sehr zuversichtlich. Aber in den USA mehrten sich die Zeichen einer konjunkturellen Verlangsamung, und der Dollar dürfte sich noch etwas weiter abschwächen, so Burkhalter: “Das wirkt sich auf die Schweizer Exportindustrie negativ aus.”

swissinfo, Alexander Künzle

Der breit gefasste Index der Schweizer Börse ist der SPI. Er umfasst alle in der Schweiz kotierten Aktien, nach 13 Branchen geordnet.

2006 stieg er (bis Mitte Dezember) von 5700 auf über 6800; bei einem Tiefst von leicht unter 5700 und einem Höchst von über 6800.

Der SMI-Index umfasst maximal 30 Aktien, die als Schweizer Blue Chips gelten, zum Beispiel Standardwerte von ABB bis Zurich Financial Services.

Im Dezember 2005 lag der SMI bei 7500 Punkten, und stieg bis Mitte Dezember 2006 auf 8600. Das Jahrestiefst betrug 7123, das Höchste 8836.

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