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Schweizer Christen streiten ums Abendmahl

Mittelalterliche Darstellung des Letzten Abendmahls – Fresken aus dem 15. Jahrhundert. Max Weiss/S. Martino, Bondo

Das kategorische Nein der römisch-katholischen Kirche zur gemeinsamen Abendmahlfeier hat alte Gräben wieder aufgerissen.

Im Jahr 2004 haben sich auch in der Schweiz die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Katholiken und Protestanten verfestigt.

Ein Kirchgang gehört für viele Menschen immer noch zum Weihnachtsfest. An den hohen Festtagen des Kirchenjahres sowie bei traditionellen Riten wie der Taufe findet die Kirche nach wie vor regen Zuspruch.

Allerdings ist die Stimmung in den Chefetagen der grossen Landeskirchen in der Schweiz, den Katholiken und den Protestanten, nicht eben weihnächtlich harmonisch. In zentralen Glaubensfragen liegen die beiden Glaubensrichtungen wieder meilenweit auseinander.

Die ökumenische Suche

In den vergangenen Jahrzehnten waren grosse Schritte zur Annäherung und Entspannung zwischen katholischer und reformierter Kirche gemacht worden. Unter anderem unterzeichneten die Schweizer Bischofskonferenz und der Evangelische Kirchenbund 1972 eine Vereinbarung, die gemischte Ehen erlaubte.

Die Kirchen glichen sich so einer veränderten gesellschaftlichen Realität an. Es handelte sich um eine zwangsläufige Folge der wachsenden Mobilität zwischen den Regionen und des stetigen Bedeutungsverlusts der Kirchen als moralische Institutionen.

Inzwischen ist die unterschiedliche Konfession bei Ehepartnern schon der Regelfall, wie eine Erhebung im Kanton Zürich aufgezeigt hat.

Als Konsequenz eines offeneren Denkens nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstanden viele Kontakte zwischen Katholiken und Protestanten. Man betete gemeinsam für die Einheit der Christen.

Keine Tunnel-Einweihung ohne Ökumene

Die Ökumene war unaufhaltbar. Und bei vielen Anlässen – von der Einweihung eines Tunnels bis zur Eröffnung einer Schule – ist es zur Normalität geworden, dass gleichzeitig ein reformierter Pastor und ein katholischer Priester anwesend sind.

Während die Gläubigen auf lokaler Ebene wenig Mühe mit den ökumenischen Annäherungen haben, tun sich die Kirchenoberen auf der theologischen Ebene wesentlich schwerer. Die beiden Lesarten der Bibel bleiben von krassen Unterschieden gekennzeichnet.

Die unterschiedlichen Auffassungen haben in den letzten Jahren sogar erneut zugenommen. Für die katholische Kirche ist es undenkbar, die Heilige Messe am Sonntag durch einen ökumenischen Wortgottesdienst zu ersetzen.

Auf evangelischer Seite wird kritisiert, dass der Vatikan die eigene Wahrheit verkündet, ohne auf die Sensibilität anderer Rücksicht zu nehmen. Im Gegensatz zur evangelisch-reformierten Kirche sind die Katholiken sehr hierarchisch organisiert und geben die Glaubensgrundsätze dezidiert von der Zentralregie in Rom nach unten durch.

Keine gemeinsame Eucharistiefeier

Vor einem Jahr erneuerte der Vatikan sogar seinen Hegemonieanspruch, indem er einigen anderen Konfessionen eine Kirchenwürde absprach.

Im März dieses Jahres verbot der Papst seinen Glaubensanhängern die gemeinsame Eucharistiefeier mit Protestanten.

In der Schrift “Redemptionis Sacramentum” heisst es: “Im übrigen muss man leider einige ökumenische Initiativen zur Kenntnis nehmen, die in ihren Absichten zwar gut gemeint sind, doch hie und da zu einer Praxis der Eucharistie führen, die der Disziplin der kirchlichen Glaubensdoktrin zuwider läuft.”

Zwar ist in der römisch-katholischen Kirche das Sakrament der Eucharistie für jedermann gleich. Doch die reale Präsenz von Christus in der Hostie nach katholischem Glauben ist nicht vereinbar mit der symbolischen Verteilung von Brot und Wein gemäss evangelischer Kirche.

In der genannten Schrift hat die entsprechende Glaubenskongregation der katholischen Kirche zugleich festgelegt, “dass es undenkbar ist, die Heilige Messe am Sonntag durch ökumenische Wortgottesdienste oder durch gemeinsame Gebetsfeiern mit Christen anderer Konfessionen zu ersetzten oder durch die Teilnahme an ihren liturgischen Feiern.”

Mit anderen Worten: Ökumenische Feiern können zwar toleriert werden, haben aber nie den Wert einer Messe. Dies hat nicht nur für Irritationen bei den Protestanten gesorgt, sondern auch bei einigen Katholiken, die bei bestimmten Themen wie Familie, Zölibat und Homosexualität sowieso schon im Clinch mit ihrer Kirche stehen.

Die Reformierten reagieren

Die Reaktionen auf protestantischer Seite sind nicht ausgeblieben. Als Papst Johannes Paul II in diesem Jahr die Schweiz besuchte, waren die Beziehungen gespannter denn je. Die evangelischen Kirchen haben derweil ihre theologische Position in Bezug auf das Abendmahl geklärt.

In einem einstimmig verabschiedeten Grundsatzpapier hat der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK), in dem die 26 evangelischen Kantonalkirchen zusammengeschlossen sind, die Abendsmahlslehre aus protestantischer Sicht dargestellt.

Demnach sind alle Gläubigen an den Tisch des Herrn geladen, um ihren Glauben zu bezeugen. Brot und Wein sind Symbole des Leidens von Jesus Christus, aber keine reale Präsenz des Gottessohnes; für die Feier des Abendsmahls bedarf es keines geweihten Priesters, weil alle Gläubigen Zeugen des Glaubens sind.

Der Text “Das Abendmahl in evangelischer Perspektive” nimmt in der Substanz diejenigen Elemente auf, die vor 500 Jahren zur Abspaltung von der römisch-katholischen Kirche geführt hatten.

Einzige Ausnahme: Für die Zukunft wird gewünscht, das Abendmahl öfters zu feiern. Heute laden die Kirchen nach der von Zwingli begründeten Tradition die Gläubigen ein, nicht öfter als fünf Mal im Jahr das Abendmahl einzunehmen.

Spaltung bleibt ein Thema

Mit den beiden Texten haben die Kirchen ihre Glaubensüberzeugungen dargelegt und sich gegeneinander abgegrenzt. Ihre Gemeinsamkeit liegt darin, dass sie ihre theologischen Überzeugungen in kohärenter Weise darlegen und damit Glaubwürdigkeit gewinnen wollen.

Gleichzeitig bringt diese Identitätserklärung die Unterschiede im christlichen Lager deutlich zur Geltung.

Trotz aller Probleme bleibt der Wille zur gemeinsamen ökumenischen Aktion. “Angesichts der drängenden Fragen der Gegenwart, auf die der christliche Glaube Antworten schuldig ist, kommt dem gemeinsamen Zeugnis der verschiedenen christlichen Kirchen grosses Gewicht zu. Es gilt, den in der ökumenischen Zusammenarbeit bereits erreichten Stand dankbar anzuerkennen und weiter auszubauen”, heisst es im SEK-Dokument.

swissinfo, Daniele Papacella
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

An Weihnachten gehen auch heute noch viele Menschen in die Kirche, die sonst keine Gottesdienste (mehr) besuchen. Da Weihnachten auch ein Fest der Familien ist, und Ehen und andere Partnerschaften heute zu einem grossen Teil konfessionell gemischt sind, ergeben sich oft Fragen rund um die Christmesse.

Die römisch-katholische Kirche hat in jüngster Zeit ihre Gläubigen erneut aufgefordert, auf das gemeinsame Abendmahl mit anderen Konfessionen zu verzichten. Die Eucharistie stellt für die Katholiken die reale Präsenz von Christus dar.

Die Protestanten haben im Gegenzug dazu eingeladen, auf Glaubens-Feiern zu verzichten, welche die Sensibilität von Katholiken verletzen könnten.

In den protestantischen Kirchen bleibt die Einladung zur gemeinsamen Abendmahl-Feier aber für alle Gläubigen offen. Das Abendmahl wird als symbolischer Akt der Gemeinschaft mit Christus gesehen.

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