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Schweizer Fondue für die deutschen Nachbarn

Die Qual der Wahl beim grossen Schweizer Käseangebot in einem Hamburger Laden. swissinfo.ch

Ein Schweizer Tante-Emma-Laden mit 50 Sorten Schweizer Käse – und das mitten in Hamburg: Stefan Caspers und Birgit Westhues haben sich ihren Traum eines Schweizer Feinkostladens verwirklicht.

Liebe geht durch den Magen, sagt ein Sprichwort. Stefan Caspers und Birgit Westhues sind hochgradig verliebt in die Schweizer Küche. “Eidgeniesser” nennen sich die beiden Deutschen, seitdem sich alles in ihrem Leben um helvetische Spezialitäten dreht.

Vor gut vier Jahren hat das Paar mitten im Hamburger Stadtteil Ottensen einen Schweizer Tante-Emma-Laden mit Restaurant geschaffen. “Schweizweit. Küche, Keller, Proviant” steht an der Eingangstür zu dem liebevoll renovierten Souterrain-Lokal aus der Gründerzeit.

Ein Blick in die Wandregale lässt das Herz von “Heimwehschweizern” höher schlagen: Von Ragusa und Rivella über Tessiner Merlot bis hin zu Kambli-Gutzi und Hero-Konfitüre ist auf wenigen Quadratmetern so ziemlich alles zu haben, was typisch schweizerisch ist und schmeckt.

Und spätestens bei einer Tasse heisser “Ovi” (Ovomaltine) vergisst man, dass vor der Tür Hamburg-typisches Schmuddelwetter mit Nieselregen und Sturmböen wartet, und nicht etwa das Alpenpanorama. “Schweizweit” ist in der Hansestadt mittlerweile die erste Adresse für Schweizer Wein-, Käse- und Schokoladeliebhaber.

Eigeninitiative und Hartnäckigkeit

Kennen gelernt hat Caspers die Leckereien des Nachbarlands, als der gelernte Koch mehrere Jahre in Saas Fee und Grindelwald arbeitete. Zurück in Deutschland hatte der 37-Jährige mit seinen kulinarischen Vorlieben jedoch ein Problem: “Wer in Italien im Urlaub war, kann beim italienischen Feinkosthändler prima in Erinnerungen schwelgen”, sagt der gebürtige Westfale.

Für seine Gelüste gab es dagegen nichts dergleichen. Der Gastronom, der sich ohnehin selbständig machen wollte, zögerte deshalb nicht lange und schuf mit seiner Partnerin sein eigenes Schweiz-Refugium. Das aufstrebende Quartier Ottensen in der Nähe des Bahnhofs Hamburg-Altona schien ihnen dafür der ideale Ort.

Nicht nur Käse

Allerdings war der Anfang nicht leicht, schliesslich liegen zwischen Hamburg und der Schweiz fast 900 Kilometer, und Grosshändler, die sich auf Lebensmittel aus dem Alpenland spezialisiert hatten, gab es nicht. “Es hat viel Eigeninitiative und Hartnäckigkeit gebraucht, um das Sortiment aufzubauen und die Händler von meinem Konzept zu überzeugen”, sagt Caspers.

Der Aufwand hat sich gelohnt: Allein rund 50 Sorten Schweizer Käse – vom Sennenmutschli über Felsengreyerzer bis zum Vacherin Mont d’Or – liegen in der Vitrine. Sogar zwei Sorten Sbrinz sind im Angebot, eine milde junge und eine zwei Jahre alte.

“Die Hamburger mögen es durchaus würzig”, weiss Caspers. Besonders beliebt seien ausserdem – passend für die Jahreszeit – verschiedene Käsemischungen fürs Fondue.

Fondue-Probe für Liebhaber

Für sein Käseangebot hat “schweizweit” vom Magazin “Der Feinschmecker” vor zwei Jahren eine Auszeichnung erhalten. So gehört der kleine Laden laut der Gastro-Zeitschrift zu den 350 besten Käsehandlungen Deutschlands.

Mittags und abends kann man im “schweizweit” auch essen. Wer also das Fondue gleich vor Ort geniessen will, nimmt an einem schlichten Holztischchen Platz und bestellt sich zum Beispiel ein Champagnerfondue mit schwarzen Trüffeln. Absolute Liebhaber des geschmolzenen Käses können sich – ähnlich einer Weinprobe – durch sämtliche Mischungen des Hauses probieren.

Ihre Küche bezeichnen Caspers und Westhues als “modern schweizerisch, dabei frisch und ideenreich”. Das kann ein Nüsslersalat mit gehobeltem Tête de Moine sein oder Schmetterlingsnüdeli mit pikantem Kürbiscurry und Pouletbruststreifen. Geheimtipp von Stammgästen ist das hausgemachte Toblerone-Mousse.

Schweiz-Fans ohne Wenn und Aber

Bis Weihnachten war “schweizweit” abends ausgebucht, was bei dem Mini-Lokal allerdings nicht erstaunt. Trotzdem: das Konzept eines Schweizer Feinkostladens mit angeschlossener Gastronomie scheint zu funktionieren. Vielleicht auch, weil “schweizweit” authentisch wirkt und auf jeglichen Souvenirkitsch verzichtet.

“Handyschalen oder Mousepads mit Schweizer Kreuz wird man bei uns nie finden”, sagt Caspers. Man wolle sich weder anbiedern noch ein Stück Schweiz imitieren. “Wir sind einfach Schweiz-Fans ohne Wenn und Aber.”

Für seine Leidenschaft nimmt Caspers sogar in Kauf, dass ein LKW 1500 Kilometer fahren muss, bis ein “Rohmilchkäsli” aus dem Berner Oberland den Weg in die Hansestadt gefunden hat. Natürlich sei dies auf den ersten Blick wenig ökologisch, räumt er ein. Doch die hohe Qualität und regionale Wertschöpfung von Schweizer Lebensmitteln machten die Kilometer wieder wett.

swissinfo, Paola Carega, Hamburg

Hamburg-Ottensen liegt im Westen der Stadt, nur wenige S-Bahn-Minuten von der City entfernt. In dem kleinstädtisch anmutenden Quartier mit seinen vielen Gründerzeithäusern gibt es viele Läden, Restaurants und Kneipen, Studiokinos und mehrere Kulturzentren.

Die Bewohner von Ottensen schätzen ausserdem die Nähe zur Elbe: Am Elbstrand oder in den Parkanlagen kann man weite Spaziergänge machen, den Museumshafen besichtigen oder mit einer kleinen Fähre auf dem Fluss herumschippern.

Eine Aufwertung erfuhr das ehemalige Industriequartier – das dem Filmemacher Fatih Akin schon öfters als Kulisse diente – in den 1980er-Jahren, als zunehmend Freiberufler und Künstler dahin zogen.

Mittlerweile ist Ottensen das beste Beispiel dafür, was Stadtgeografen als “Gentrifikation” bezeichnen. So hat sich der früher ein wenig heruntergekommene, alternative und multikulturell geprägte Szenestadtteil zu einem fast schon gediegenen Viertel mit attraktiven Einkaufsmöglichkeiten entwickelt.

Viele alte Häuser sind saniert, die Wohnungen begehrt, und statt Studenten-WGs finden sich hier heute Mittelstands-Familien und Akademiker.

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