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Schweizer haben am Lauberhorn eine Rechnung offen

Schweizer Hoffnung Nr. 1: Didier Cuche stürzt sich ins Abenteuer Lauberhorn-Abfahrt. Keystone

Beim Abfahrts-Klassiker ob Wengen von nächstem Samstag brennen die Schweizer Skiasse darauf, die Scharte von Adelboden auszuwetzen. Die Hoffnungen ruhen auf Didier Cuche, dem Zweiten der letzten beiden Jahre.

Vor heimischem Publikum den Berg runter zu sausen, macht Skirennfahrern am meisten Spass.

Doch bei den Lauberhornrennen – der Kombination von Freitag, dem Abfahrtsklassiker von Samstag und dem Slalom am Sonntag, stehen die Hausherren unter grossem Druck.

Denn das Schweizer Team hat am letzten Wochenende in Adelboden den Auftakt zur Berner Oberländer Weltcup-Serie vor über 25’000 Zuschauern verpatzt.

Im Riesenslalom, der Paradedisziplin des bisherigen Winters, landete der zweifache Saisonsieger Daniel Albrecht nur auf Rang 26. Carlo Janka, Gewinner in Val d’Isère, wurde 22., Didier Cuche belegte immerhin Platz 11.

Am Chuenisbärgli holten ausgerechnet zwei Fahrer die Kohlen aus dem Feuer, denen dies am wenigsten zugetraut worden war: Der knapp 23-jährige Bündner Sandro Viletta fuhr mit Startnummer 53 und Bestzeit im zweiten Lauf sensationell auf Platz 4.

Marc Berthod, immerhin Vorjahressieger auf dem schwierigsten Riesenslalom-Hang der Welt, aber diesen Winter mit gesundheitlichen und materialtechnischen Problemen kämpfend, qualifizierte sich als Sechster für die Weltmeisterschaften.

Desaströs fiel der Sonntag aus: Im Slalom vermochte sich kein einziger Fahrer aus dem Team von Cheftrainer Martin Rufener für den zweiten Lauf der besten 30 zu qualifizieren.

Nach dem helvetischen Sturzfestival blieb den Hausherren lediglich noch zuzuschauen, wie die Österreicher wie im “Riesen” die Lorbeeren holten.

WM-Countdown beginnt

Klar, dass die Schweizer in Wengen auf Revanche sinnen. Dort haben sie gleich eine dreifache Rechnung offen: Erstens mit dem Abfahrts-Klassiker selber, denn seit dem Sieg Bruno Kernens vor sechs Jahren konnte ihn kein Schweizer mehr gewinnen.

Zweitens mit dem Publikum, das in Adelboden ersatzeshalber den östlichen Nachbarn zujubeln musste. Und schliesslich drittens mit den eigenen Ansprüchen.

Denn die Schweizer, die nach dem Tiefpunkt an der WM in Bormio 2005 wieder stark aufsteigende Tendenz aufweisen, wollen der Konkurrenz zeigen, dass sie an der WM von Februar in Val d’Isère zu den heissen Medaillenanwärtern gehören.

Sieg zum Apéro?

Das Wochenende beginnt am Freitag mit der Super-Kombination, bestehend aus einer Abfahrt und einem Slalomlauf.

Zwar ist dies der am wenigsten prestigeträchigste Wettbewerb in Wengen. Doch hier stehen die Aktien für einen Schweizer Sieg sehr gut. Daniel Albrecht bewies mit seinem WM-Titel 2007, dass er zu den komplettesten Skirennfahrern der Gegenwart gehört.

Ist Silvan Zurbriggen fit, d.h. schmerzen weder Knie noch Rücken allzu sehr, ist auch er für eine Überraschung gut. Wie auch Carlo Janka, der neue Star im Schweizer Team, der mit seinem 8. Platz in der bisher einzigen Kombination des Winters seine Vielseitigkeit unterstrich.

Samstag, 12 Uhr 30 mittags…

Der Samstag bringt die Stunde der Wahrheit. Für die Fahrer und die Zuschauer an der Strecke sowie diejenigen zuhause vor den Bildschirmen.

Denn die Lauberhorn-Abfahrt ist unter den Sportübertragungen der grösste Strassenfeger, direkt nach den grossen Fussballspielen. Im letzten Jahr waren es fast 1,1 Mio. Zuschauer, die den Event live am Schweizer Fernsehen mitverfolgten.

Obwohl Rufeners Speed-Spezialisten in den bisherigen drei Weltcup-Abfahrten noch keine dicken Stricke zerrissen – als bestes Ergebnis resultiert der fünfte Platz Didier Cuches in Bormio – gehört der Neuenburger zum engsten Favoritenkreis.

Cuche ist so etwas wie der Vize-König am Lauberhorn, wurde er doch bei den letzten beiden Austragungen nur von Bode Miller geschlagen. Eine Revanche wäre also auch gegenüber dem “wilden Hund” aus den USA überfällig.

Wenn die Qualität im Schweizer Team, sprich die Resultate, zuletzt nicht mehr ganz gestimmt haben, siehts punkto Quantität besser aus. Erwischen Didier Défago, Daniel Albrecht, Carlo Janka oder Ambrosi Hoffmann einen guten Tag und einen guten Ski, können auch sie die längste Abfahrt im Weltcup-Zirkus ganz vorn beenden.

Miller, Walchhofer, Innerhofer

Dennoch: Der Sieg wird auch dieses Jahr nur über Miller führen. Zudem sind auch die von Michael Walchhofer angeführten Österreicher immer für einen Sieg gut. Das gilt neuerdings auch wieder für die Italiener, die mit Peter Fill, Christof Innerhofer und Werner Heel über drei ganz heisse Abfahrts-Eisen verfügen.

Im sonntäglichen Slalom stehen die Schweizer Stangenkünstler vor einer delikaten Aufgabe. Für sie gilt es, die Balance zwischen bedingungslosem Angriff und Lockerheit zu halten.

Verkrampfen sich Zurbriggen, Marc Berthod, Marc Gini & Co. nach der Niederlage am Chuenisbärgli noch mehr, droht auch in Wengen eine Heimpleite.

Rufeners Fahrer könnten sich in diesem Fall dann immerhin damit trösten, dass sie nach misslungener Hauptprobe in den heimischen Bergen die Exploits für die WM in zwei Wochen in Frankreich aufgespart haben.

swissinfo, Renat Künzi

Die Schweizer vermochten im Abschlusstraining von Donnerstag nicht mehr ganz so zu überzeugen wie am Vortag.

Als bester fuhr Daniel Albrecht auf Platz 4. Der Walliser verlor 64 Hundertstel auf den Ersten, den Slowenen Andrej Jerman.

Zweitbester Schweizer war Carlo Janka. Als 8. büsste der Lauberhorn-Debütant 1,19 Sekunden ein.

Kronfavorit Bode Miller fuhr vermutlich mit angezogener Handbremse; als 16. brauchte der Sieger der letzten beiden Jahre 1,95 Sekunden mehr als der Schnellste.

Didier Cuche, aussichtsreichster Schweizer und Schnellster im Mittwochs-Training, wurde unterwegs mit gelber Flagge abgewinkt, weil vor ihm der Österreicher Klaus Kröll gestürzt war. Bis dahin war der Neuenburger mit schnellster Zwischenzeit gestoppt worden.

Didier Défago, eine weitere Schweizer Trumpfkarte und Zweiter am Mittwoch, fuhr auf Platz 14.

Ein starkes Comeback zeigte Tobias Grünenfelder. Nach seiner Zwangspause infolge Aussenbandverletzung von Ende Dezember in Bormio belegte er zeitgleich mit Ambrosi Hoffmann den 20. Platz. Ihr Rückstand betrug 2,35 Sekunden.

Die Lauberhorn-Strecke, mit knapp 4,5 Kilometern die längste Weltcup-Abfahrt, wartet dieses Jahr mit einer Neuerung auf: Der Sprung im Ziel-S fällt weg, nachdem eine vier Meter hohe Kante abgetragen wurde.

Die Ausfahrt der S-Kurve wurde zudem um 15 Meter verbreitert.

Aber auch ohne Sprung bleibt die letzte Kurve nach der kräfteraubenden Fahrt eine Schlüsselstelle.

Im 1. Training am Mittwoch zog sich der Schwede Markus Larsson bei einem Sturz im Ziel-S einen Nasenbruch, Schnittwunden, eine Hirnerschütterung und Prellungen zu.

Die meisten Fahrer begrüssten die Entschärfung. “Die Strecke ist immer noch dieselbe”, sagte Didier Cuche. Nur Bode Miller (USA) und Hermann Maier (Ö) hielten nicht mit Kritik zurück.

Die Änderungen geschahen im Namen der Sicherheit für die Fahrer, nachdem es in den letzten Jahren einige schwere Stürze gegeben hatte.

Den schlimmsten Vorfall gab es 1991, als sich der Österreicher Gernot Reinstadler im Ziel-S tödliche Verletzungen zugezogen hatte.

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