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Schweizer im Dienst der UNO

Jean Ziegler (links), Carla Del Ponte und Adolf Ogi: Drei Mandate, drei Persönlichkeiten. swissinfo.ch

Gerade zahlreich sind sie nicht, jene Schweizer und Schweizerinnen, die von der UNO ein Mandat erhalten. Ein vertiefter Blick.

Carla Del Ponte steht zurzeit im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Sie wurde 1999 von Kofi Annan zur Chefanklägerin des UNO-Tribunals in Den Haag ausgewählt. Der Sicherheitsrat stimmte der Ernennung der Tessinerin diskussionslos zu. Das Mandat dauert vier Jahre.

Der UNO-Generalsekretär hatte die Wahl der damaligen Bundesanwältin, deren Name schon über die Landesgrenzen hinaus bekannt war, damit begründet, dass sich Carla Del Ponte persönlich im Kampf gegen das organisierte Verbrechen engagiert hatte.

In Den Haag, am UNO-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien, steht nun in der zweiten Hälfte der Ära Del Ponte eine entscheidende Phase mit Urteilen zu gewichtigen Fällen an. Höhepunkte: Die Prozesse gegen Slobodan Milosevic. Der ehemalige serbische und jugoslawische Machthaber steht wegen Genozid und Kriegsverbrechen im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina und in Kroatien vor dem Tribunal.

Adolf Ogi – der Mann des Sportes

Seit einem Jahr ist Adolf Ogi, der ehemalige Bundesrat und berühmteste Kandersteger, UNO-Sonderbeauftragter für Sport und dessen Beziehungen zu Entwicklung und Friedensförderung. Das Mandat wurde soeben um ein Jahr verlängert.

swissinfo wollte von Adolf Ogi wissen, wie seine Aufgabe zu verstehen ist. Wieso braucht die UNO einen Sonderbotschafter für Sport? Wie sieht Ogis Bilanz aus?

“UNO-Generalsekretär Kofi Annan war zum Schluss gekommen, dass seiner Agenda für den Frieden, die umfassend weite Problembereiche abdeckt, der Aspekt Sport und Jugend fehlte. Daher entschloss er sich, dieses Mandat zu schaffen, mit dem ich betraut wurde.

Die Botschaft ist, dass Sport neben Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion auch in der Friedens- und Entwicklungfrage eine weltumspannende Bedeutung hat. Denn Sport kann dazu beitragen, Barrieren abzubauen und Brücken zu bauen zwischen Menschen und Kulturen, die sich nicht verstehen, sich nicht kennen oder die durch Gewaltkonflikte getrennt sind.

Sport kann dem nötigen gegenseitigen Respekt zum Durchbruch mit verhelfen. Diese Botschaft gilt es zu vermitteln. Dies ist ein Ziel meiner Arbeit – und zwar in der UNO und auch ausserhalb. Es geht darum, internationale Organisationen, Regierungen, Sportverbände, Sportartikel-Hersteller und andere Kreise davon zu überzeugen, dass der Sport einen Anteil haben kann, wenn es um Verständigung und Versöhnung geht.

Ein Beispiel: Wir organisierten im letzten Jahr in Treviso ein Meeting mit “Buben” aus früheren jugoslawischen Republiken. Basketball-Stars aus Jugoslawien, die in der NBA in Nordamerika spielen, trainierten die Jungs. Es wurde nie gefragt, woher einer kommt, aus Serbien, Bosnien, Mazedonien. Das Trennende wurde überwunden, die Jungs tauschten Adressen und Mails aus – diese Jungen werden nie aufeinander schiessen.”

Neben dem Vatikan ist die Schweiz das einzige Land der Welt, dass nicht zur UNO gehört. Wie erleben sie das bisherige Abseitsstehen der Eidgenossenschaft in ihrer Position, wie werden Sie als Schweizer bei der UNO wahrgenommen?

“Es ist schon so, dass ich die Nicht-Mitgliedschaft der Schweiz manchmal spüre. Durch unser Fernbleiben, das auf dem internationalen Parkett immer weniger verstanden wird, manövrieren wir uns selber ins Abseits.”

Jean Ziegler – Kämpfer gegen den Hunger

Sonderberichterstatter der Kommission für Menschenrechte und Recht auf Ernährung: dieser Titel steht seit September 2000 auf der Visitenkarte von Jean Ziegler.

“Mein Auftrag ist einfach”, so der Soziologe und frühere SP-Abgeordnete: “Kampf gegen den Hunger in der Welt, der eine Schande, ein Skandal ist. Weltweit wissen über 800 Millionen Menschen jeden Morgen nicht, ob sie an diesem Tag etwas zu essen haben. Alle sieben Sekunden stirbt ein Kind unter zehn Jahren an Hunger. Das ist inakzeptabel in einer immer reicheren Welt, die genug Nahrung produziert, um alle Menschen der Erde ernähren zu können.”

Wozu braucht es einen Sonderberichterstatter? “Um diese Geissel über das Recht zu bekämpfen. Alle Bewohnerinnen und Bewohner dieser Erde haben das Recht auf Nahrung und Trinken. Diese Rechte werden tagtäglich verletzt, das muss angeprangert werden.” Aber warum Jean Ziegler, der in einem reichen westlichen Land lebt, und nicht jemand aus einem der Länder, in denen die Bevölkerung an Hunger leidet? Nimmt man damit nicht dem Süden das Recht, seine Stimme zu erheben? Nein, überhaupt nicht, meint er.

“Ich setze mich für die Stimme des Südens ein, weil ich im Hirn dieses Monsters, dieses wirtschaftlichen Systems bin, das vom Norden beherrscht wird und so viel Ungleichheit produziert. Durch meine Präsenz hier kann ich mich am besten für das Recht auf Nahrung der Vernachlässigten dieser Erde einsetzen. Ich kenne die Mechanismen der Unterdrückung und kann sie bekämpfen. Ich hoffe, ich tue das so gut, wie ich es täte, wenn ich ein Mensch aus einem Entwicklungsland wäre.”

Da die Schweiz nicht UNO-Mitglied ist, kann sie auch nicht vollumfänglich in der Menschenrechts-Kommission mitmachen. Aber Jean Ziegler sieht in seinem Mandat nichts Paradoxes: “Ich wurde von den Ländern der Dritten Welt gewählt, und zwar wegen meiner Ideen, nicht wegen meiner Nationalität. In der UNO vertrete ich die Dritte Welt und den kritischen Westen. Paradox ist nur die unglaubliche Situation der Schweiz: Sie beherbergt die Vereinten Nationen auf ihrem Territorium, kann sich aber nicht daran beteiligen.”

Die Öffentlichkeit in der Schweiz (und im Ausland) sieht in Jean Ziegler oft den Kritiker der schweizerischen und internationalen Institutionen. Und heute steht er für die grösste Institution der Welt im Einsatz. “Ich kämpfe daher gegen nichts Anderes”, erklärt er dazu. “Ich kämpfe nur auf eine andere Art.”

Giorgio Malinverni – Einsatz für Menschenrechte

Giorgio Malinverni, Professor für Staatsrecht und internationale Menschenrechte an der Universität Genf, ist seit dem letzten Jahr Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen. Dieses Gremium kommt zweimal jährlich zusammen. Es überwacht die Umsetzung des 1966 von der UNO verabschiedeten Paktes zur Förderung dieser Rechte.

“Ich wurde von den Schweizer Behörden angefragt, und da ich interessiert war, wurde ich gewählt”, sagt er. “Dass die Schweiz nicht UNO-Mitglied ist, spielte keine Rolle. Der Staat, der einen Kandidaten präsentiert, muss den Pakt ratifiziert haben, und das hat die Schweiz schon vor zehn Jahren getan.”

“Wir machen unsere Arbeit vollständig neutral und unparteiisch”, fährt er weiter. Die 18 Mitglieder des Ausschusses vertreten denn auch nicht die Staaten, aus denen sie kommen. Sie werden aufgrund ihrer persönlichen Kompetenzen nach einer geografischen Aufteilung der Welt gewählt.

Recht auf Arbeit, Gewerkschaftsfreiheit, Recht auf Gesundheit, auf Wohnung, auf Erziehung, Armut: Das sind einige der Themen, mit denen sich diese Experten befassen, wenn sie die Berichte unter die Lupe nehmen, welche die Staaten regelmässig einreichen müssen.

Aber achtet man in der Schweiz, wo die Menschenrechte oft den bürgerlichen und politischen Rechten gleichgesetzt werden, überhaupt auf diese besonderen Rechte?

“Leider nicht so sehr”, antwortet Giorgio Malinverni. “In dieser Hinsicht ist die Schweiz wahrscheinlich nicht das beste Beispiel. Ihre Verfassung ist da etwas enttäuschend, und die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist sehr konservativ. Wir haben das bereits mehrmals kritisiert und uns für eine modernere Auffassung dieser wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte eingesetzt.”

… weitere Schweizer im UNO-Einsatz

Neben Del Ponte, Ogi und Ziegler haben in den vergangenen Jahren noch weitere Schweizerinnen und Schweizer für die UNO gearbeitet. So der ehemalige Bundesrat René Felber als Sonderbeobachter für Israel und die palästinensischen Gebiete, Walter Kaelin für das besetzte Kuwait und der Jurassier Joseph Voyame für Rumänien.

Voyame präsidierte auch das UNO-Komitee gegen Folter und Michel Moussali war Sondervertreter der UNO für die Situation der Menschenrechte in Ruanda, um einige weitere Namen zu nennen.

Bernard Weissbrodt und Rita Emch

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