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Schweizer in den Wolkenkratzern von Peking

Dem Walliser John Vouillamoz eilt es nicht mit der Rückkehr in die Heimat. swissinfo.ch

Vom Wallis über Ägypten und Jemen nach Peking. Der Hotelier John Vouillamoz war 28 Jahre alt, als er die Schweiz verliess - vielleicht für immer.

China hat von den gewaltsam unterdrückten Freiheits-Demonstrationen bis zum heutigen Wirtschaftsboom eine rasante Entwicklung durchgemacht: John Vouillamoz hat diese hautnah miterlebt.

Von seinem Büro unter dem Dach eines luxuriösen Apartmenthauses überblickt er einen grossen Teil der riesigen Stadt. Zu seinen Füssen erstreckt sich die wichtigste und prunkvollste Geschäftsmeile Pekings, Wang Fu Jing Da Jie.

In einiger Entfernung unverkennbar die steilen Dächer der Verbotenen Stadt, der Palast der Volksversammlung und einer der grössten Plätze der Welt: Tian An Men.

Und rundherum ein Meer von Wolkenkratzern und in den Himmel wachsenden Baugerüsten. “1989 waren vom Dach des Palace Hotels gleich nebenan gerade mal drei Wolkenkratzer zu sehen. Heute kann man sie gar nicht mehr zählen”, meint John Vouillamoz. “Die Stadt ist kaum wiederzuerkennen”.

Fernweh



“Am Anfang gab’s hier rein gar nichts: keine Entwicklung, keinen nennenswerten Markt, keine Produkte “, erklärt der Walliser. “Damals arbeitete ich als Direktionsassistent des Hotelrestaurants; Tomaten und Honig mussten wir aus Hongkong importieren. Kaum zu glauben!”

Nach China hat ihn der Zufall geführt. “Ich wohnte in Zürich, und zwar gern. Dann entdeckte ich auf einer Ferienreise Asien, seine Menschen und seine Dimensionen. Von da an war ich nicht mehr zu halten”.

Im August 1989 schlug ihm eine Agentur eine Stelle im Palace Hotel vor: “Kennen Sie Peking?” Er sagte begeistert zu.

Am 28. September 1989 landete John Vouillamoz in der chinesischen Metropole. Und dort lebt er noch heute: mit seiner Frau – einer Chinesin – und seinen 12- und 5-jährigen Kindern.

Wieder zu Hause



Eine Ausnahme bildeten die Jahre zwischen 1994 und 1999, die er in Ägypten und Jemen verbrachte. Die Zeit als Direktor eines Fünf-Sterne-Hotels in Jemen gestaltete sich besonders schwierig: Die politischen Probleme und ständige Gefahr terroristischer Anschläge machten ihm zu schaffen, und so beschloss er, nach Peking zurückzukehren. “Das war nun mein Zuhause”, setzt er hinzu.

Der Walliser übernahm 1999 die Führung des renommierten “Sino-Swiss Hotel” in der Nähe des Flughafens. Seit einigen Monaten leitet er den Komplex “Lee Garden Apartments” im Zentrum von Peking, Apartments, die er an Touristen, Familien und Geschäftsleute vermietet.

Diese neue Art, einen Aufenthalt in einer Grossstadt zu gestalten, ist in Asien recht weit verbreitet. “Nach all den Jahren in der Hotelbranche wünschte ich mir eine neue Herausforderung. Ich bin mit meiner Wahl zufrieden, obschon mir der Kontakt mit den Gästen und der Restaurationsbetrieb ein wenig fehlt “, fügt er hinzu.

Fehlende Risikobereitschaft



“Mit den Chinesen habe ich mich immer ausgezeichnet verstanden”, erklärt John Vouillamoz. “Seit 1989 hat sich jedoch Vieles geändert. Am Anfang träumten alle von einem glücklichen Leben als reicher Mann in Amerika oder Europa.”

“Der Westen übt zwar nach wie vor eine grosse Faszination aus. Doch mittlerweile haben die Chinesen gemerkt, dass das Land der unbegrenzten Möglichkeiten direkt vor ihren Augen liegt. Sie wollen im Ausland reisen und dort studieren – aber dann nach China zurückkehren.”

Auch den Wahlpekinger John Vouillamoz zieht es vorläufig nicht in die Schweiz zurück.

“Beruflich wäre es schwierig, in der Schweiz eine interessante Aufgabe zu finden. Abgesehen davon, dass Änderungen nur langsam vor sich gehen, lässt sich schwerlich etwas Neues erfinden: In der Schweiz ist alles schon da. Der hektische Rhythmus von Peking würde mir fehlen”.

Doch John Vouillamoz fühlt sich nach wie vor als Schweizer. Er ist Präsident des Auslandschweizerclubs “Swiss Society Beijing” und verbringt seine Ferien alle zwei Jahre in den Alpen.

“Schliesslich lebte ich 28 Jahre lang in der Schweiz und habe hier Verwandte und Freunde. Ich komme immer wieder gerne in die Schweiz”, fügt er mit einem Lächeln hinzu. “Allerdings habe ich jedes Mal den Eindruck, dass Risikofreude nicht gerade gefragt ist. In der Schweiz geht man dem Risiko aus dem Weg”.

swissinfo, Marzio Pescia, Peking
(Übersetzung aus dem Italienischen: Maya Im Hof)

Über 600’000 Schweizer leben im Ausland;

Seit 1990 ist die so genannte Fünfte Schweiz auf 150’000 Personen angewachsen;

Bis Ende 2003 waren in China 1’882 Schweizer ansässig.

John Vouillamoz wird 1961 in Saxon im Wallis geboren. Mit 15 Jahren entscheidet er sich für eine Ausbildung im Gastgewerbe.

Nach Abschluss einer Lehre als Kellner in Monthey beginnt er die Hotelfachschule in Genf. 1982 wechselt er nach Zürich, wo er in verschiedenen Restaurants erstmals Führungsaufgaben übernimmt.

1988 erfährt sein Leben eine Wende: Auf deiner vierwöchigen Ferienreise durch Singapur, Malaysia und Thailand wird John Vouillamoz vom Asienvirus befallen. 1989 ergreift er die erstbeste Gelegenheit, nach Asien zurückzukehren: als Direktionsassistent im Restaurant des Palace Hotel in Peking.

Nach einem fünfjährigen Aufenthalt in China sucht John Vouillamoz 1994 eine neue Herausforderung: Er tritt eine Stelle in einem Mövenpick-Hotel in Ägypten an. Dann arbeitet er drei Jahre lang als Hoteldirektor in Jemen.

1999 kehrt er nach Peking zurück, wo er haute lebt und arbeitet. Die Metropole ist sein neues Zuhause.

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