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Schweizer leben zu stark auf Kosten der Zukunft

Der Ausstoss von CO2 (Kohlendioxid) ist in der Schweiz immer noch zu hoch. Keystone

Der Wohlstand in der Schweiz ist nicht nachhaltig: Höheren Einkommen und besseren Lebensbedingungen stehen beispielsweise mehr Arme, so genannte Working Poor, gegenüber.

Dies ist eines der Ergebnisse der ersten Messung nachhaltiger Entwicklung in der Schweiz.

Es gibt in der Schweiz zwar Ansätze zu einer nachhaltigen Entwicklung in verschiedenen Sektoren, gleichzeitig aber auch gegenläufige Trends. In etlichen Bereichen leben die Schweizer auf Kosten künftiger Generationen und anderer Länder.

Erstmals wurde in der Schweiz die nachhaltige Entwicklung umfassend gemessen. Hierfür steht ein neues Messinstrument mit über hundert Indikatoren zur Verfügung: das Indikatorensystem Monet (Monitoring der nachhaltigen Entwicklung). Entwickelt wurde das Instrument von den Bundesämtern für Statistik, für Raumentwicklung und für Umwelt, Wald und Landschaft.

Defizite für Frauen im Berufsleben

Den guten Ansätzen stehen gegenläufige Trends entgegen. Arbeitsproduktivität und Haushaltseinkommen haben zum Beispiel zugenommen; gleichzeitig geht aber der Abbau von Ungleichheiten zwischen Mann und Frau bei der beruflichen Stellung und beim Einkommen nur schleppend voran. Zudem gibt es mehr Working Poor als vor zehn Jahren.

Energiefresser Verkehr

Die Freude über eine verbesserte Energieeffizienz in verschiedenen Bereichen wird getrübt durch die Zunahme des Gesamtenergieverbrauchs. Als dramatisch beurteilen die drei Bundesämter diese Entwicklung im Verkehr.

Hier stieg der Energieverbrauch wegen der ungebremsten Mobilitätszunahme zwischen 1980 und 2001 um über 40% – trotz kontinuierlich verbesserter Energieeffizienz.

Sich selbst am nächsten

Eine weitere Ambivalenz zeigt sich darin, dass die Schweiz bei national relevanten Aspekten auf dem nachhaltigen Weg ist, während sie sich bei global bedeutsamen Aspekten nicht nachhaltig verhält: Schweizweit geniessen wir beispielsweise immer bessere Luft und saubereres Wasser, während der für das globale Klimasystem bedeutsame CO2-Ausstoss erst stabilisiert, aber noch nicht reduziert ist.

Der zunehmenden Aussenhandels-Verflechtung der Schweiz und der zunehmenden Reisetätigkeit der Schweizerinnen und Schweizer steht zudem keine Erhöhung der Beiträge für Entwicklungs-Zusammenarbeit gegenüber.

“Nach uns die Sintflut”

Eine dritte Erkenntnis betrifft die Fairness zwischen den Generationen. Es deutet vieles darauf hin, dass die aktuellen Errungenschaften auf Kosten zukünftiger Generationen gehen.

Während sich heute zum Beispiel viele Schweizer einer hohen Arbeits- und Lebenszufriedenheit erfreuen, verfügen 20% der Jugendlichen über nicht einmal grundlegende, für die Gestaltung ihres künftigen Lebens wichtige Lesekompetenzen.

Wertvolles Kulturland verbaut

Der Zuwachs der Siedlungsfläche erfolgt grösstenteils auf Kosten von wertvollem Kulturland. Zudem ist zu erwarten, dass die steigende Verschuldung der öffentlichen Haushalte den Handlungsspielraum kommender Generationen beträchtlich einschränkt.

Gesamthaft betrachtet gibt es somit Fortschritte in den Bereichen subjektive Lebensbedingungen, Produktion und Konsum von biologischen Produkten, Forschung, Technologie und Luftreinhaltung. Demgegenüber bestehen die grössten Defizite in den Bereichen Verkehr, Boden- und Raumnutzung, Armut und internationale Solidarität.

Das Monitoring der nachhaltigen Entwicklung soll als Anstoss dienen, diese Probleme anzugehen.

swissinfo und Agenturen

Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, welche die gegenwärtigen Bedürfnisse zu decken vermag, ohne gleichzeitig späteren Generation die Möglichkeit zur Deckung der ihren zu verbauen.
Die gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Ressourcen sollen nach dem Grundsatz der Fairness von den gegenwärtigen und zukünftigen Generationen in der Schweiz und im Ausland genutzt werden.
Ökologische, ökonomische und soziale Ziele dürfen langfristig nicht auf Kosten der jeweils anderen Ziele erreicht werden.

Monet ermöglicht neu die Messung nachhaltiger Entwicklung in der Schweiz.

Gemessene Fortschritte: Bei den subjektiven Lebensbedingungen, Produktion und Konsum von biologischen Produkten, Forschung und Technologie und Luftreinhaltung.

Grösste Defizite: Verkehr, Boden- und Raumnutzung, Armut und internationale Solidarität.

Mit Monet sollen die sektoriellen Probleme aus der übergreifenden Optik der Strategie der nachhaltigen Entwicklung angegangen werden.

Die Schweiz hat sich 1992 mit dem Ja zur “Agenda 21” und der Erklärung von Rio zu einer nachhaltigen Entwicklung bekannt.

Seit 1999 ist die nachhaltige Entwicklung in der Bundesverfassung festgeschrieben.

Der Bundesrat legte 2002 eine Strategie vor, die für die nächsten Jahre 22 Massnahmen enthält, mit denen Nachhaltigkeit gefördert werden soll.

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