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Schweizer Leichtathleten an WM vor Neuanfang

Stretching für Helsinki: Christian Belz (vorne) und Andre Bucher in der Höhenluft von St. Moritz. Keystone

Realismus pur: Die neun Schweizer Leichathleten, die an den Weltmeisterschaften in Helsinki an den Start gehen, haben kaum Chancen auf Spitzenplätze.

Das Erreichen der Halbfinals von Teamleader und Ex-Weltmeister André Bucher wäre nach zwei mageren Jahren bereits ein Erfolg.

Die goldenen Jahre der Schweizer Leichathletik liegen schon eine Weile zurück. Vier Jahre, um genau zu sein. 2001 wars, als der Innerschweizer 800-Meter-Läufer André Bucher in Edmonton eine Traumsaison mit dem Weltmeistertitel krönte.

Schon etwas weiter zurück liegen die drei WM-Kronen von Kugelstösser Werner Günthör, der zwischen 1987 und 1993 der stärkste Mann der Welt war. Dazwischen liegen die Bronzemedaillen von Anita Weyermann 1997 Athen über 1500 Meter sowie von Marcel Schelbert 1999 in Sevilla über 400 Meter Hürden.

Bucher im Aufwärtstrend

Während Günthör und Schelbert abgetreten sind, laufen Bucher und Weyermann weiter – und ihren besten Zeiten hinterher. Doch während die Bernerin nicht einmal mehr mit der Schweizer Spitze mithalten kann, arbeitet sich Bucher Schritt für Schritt wieder in die erweiterte Weltspitze vor, nachdem ihn in den letzten beiden Jahren Verletzungen zurückgeworfen hatten.

Sein jüngstes Erfolgserlebnis: Beim Golden-League-Meeting von Oslo Ende Juli senkte Bucher seiner Saisonbestzeit auf 1:45,20. “Jetzt habe ich immerhin schon erreicht, was ich mir zu Beginn des Jahres als Ziel gesetzt hatte”, freute sich Bucher.

Hoffen auf “alten” Endspurt

Damit ist der Luzerner schon 36 Hundertstel schneller als im ganzen letzten Jahr, wo er an den Olympischen Spielen in Athen im Vorlauf sang- und klanglos ausgeschieden war.

Für Helsinki ist der Routinier angesichts der aufsteigenden Formkurve zuversichtlich: “Mittlerweile kann ich auch auf den letzten 200 Metern einigermassen mithalten. Die Halbfinals in Helsinki sind ein hohes Ziel, aber jetzt realistisch.”

Moderate Zielsetzung

Von den anderen acht Schweizer WM-Teilnehmern hat Langstreckenläufer Christian Belz am ehesten Aussichten auf ein gutes Resultat. Doch der Berner hat die Anfang Saison geweckten Erwartungen – er verbesserte den Uralt-Rekord Markus Ryffels über 10’000 Meter – bisher nicht zu erfüllen vermocht. Vielleicht gelingt ihm ja nach seinem Trainingslager in der Höhe von St. Moritz eine Überraschung.

Im Bereich der persönlichen Bestleistungen abschneiden, umreisst Peter Haas, Chef Leistungssport im Schweizerischen Leichtathletikverband (SLV), die Zielsetzung der sechs Athleten und drei Athletinnen in Finnland.

Strategiewechsel

“Uns fehlt ein Aushängeschild wie früher Werner Günthör oder André Bucher in seinen besten Jahren”, diagnostiziert Haas. Um wieder Talente in die europäische oder gar weltweite Spitze zu führen, setzt der SLV auf eine gezieltere Förderung von ausgewählten Nachwuchs-Hoffnungen.

Im Rahmen des World-Class-Potential-Programms geniessen nicht nur junge Talente, sondern auch deren Trainer Unterstützung. Die Anstrengungen sollen 2008 an den Olympischen Spielen in Peking erste Früchte tragen. Bei den Top-Athleten wurde gar das System umgekrempelt. Geld vom Verband sieht nur noch, wer international mithalten kann.

Weltklasse-Dreispringer in der Warteschlaufe

Talente sind in der Schweiz dünn gesät. Momentan sind es nur drei junge Athleten, welche das Profil für das World-Class-Potential-Programm erfüllen.

Die Rettung könnte wie im Fussball Migration und Einbürgerung heissen. Erhält der kubanische Dreispringer Alexander Martinez im nächsten Jahr den roten Pass, käme die Schweiz quasi über Nacht wieder zu einen Medaillenkandidaten.

Dem Modellathlet, der mit einer Zürcherin verheiratet ist, gelang nämlich jüngst in Bern ein Riesensatz: Er landete erst bei 17,51 Metern, was die viertgrösste Weite des Jahres bedeutet. Damit würde Martinez in Helsinki zu den Top-Favoriten für WM-Gold gehören.

swissinfo, Renat Künzi

Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften von Helsinki dauern vom 6. bis zum 14. August.
Für die Schweiz gehen drei Frauen und sechs Männer an den Start:
Corinne Müller (Hochsprung), Nadine Rohr (Stabhochsprung), Simone Oberer (Siebenkampf)
Pierre Lavanchy (400 m), André Bucher (800 m), Christian Belz (10 000 m)
Ivan Bitzi (110 m Hürden), Patric Suter (Hammerwerfen), Stefan Müller (Speerwerfen).

In der Vergangenheit hatten Schweizer an Leichtathletik-Weltmeisterschaften brilliert.

Werner Günthör wurde dreimal Weltmeister im Kugelstossen (1987, 1991 und 1993).

Anita Weyermann gewann 1997 in Athen über 1500 m Bronze.

1999 in Sevilla kam Marcel Schelbert über 400 m Hürden ebenfalls auf Rang 3.

2001 lief André Bucher im kanadischen Edmonton zu WM-Gold über 800 m.

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