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Schweizer Pioniere für die arabische Literatur

Die Arabische Welt ist Ehrengast an der 56. Buchmesse in Frankfurt. Keystone

Die arabische Welt ist Ehrengast an der 56. Frankfurter Buchmesse. Führend für die arabische Literatur im deutschen Sprachraum sind allerdings drei Schweizer Verlage.

Diese stellen in Frankfurt auch Neuerscheinungen von arabischen Autoren vor.

Bereits vor drei Jahren hat die in Deutschland erscheinende “Zeit” lobend geschrieben: “Wer grosse arabische Literatur sucht, muss beim Lenos-Verlag anfangen.”

Der Basler Lenos sowie die beiden Zürcher Verlage Ammann und Unions-Verlag haben beide vor mehr als 20 Jahren begonnen, Bücher aus der arabischen Welt in deutscher Sprache zu verlegen. Nun haben sie in Frankfurt ihren grossen Auftritt.

Ammann hat die gesamte Werkausgabe des in Paris lebenden arabischen Literatur-Stars Adonis im Programm, der 1930 unter dem Namen Ali Ahmed Said Esber in Syrien geborenen wurde.

Das Zugpferd Nagib Machfus

Lenos liefert zurzeit rund 60 Bände aus 11 Ländern aus. In diesen Tagen kommen acht Bände neu auf den Markt. In Frankfurt sind 13 Lenos-Autoren als Ehrengäste eingeladen.

“Bei uns steht seit Anfang das breite Spektrum im Vordergrund. Autorinnen und Autoren aus vielen Ländern, die Vielfalt einer literarischen Welt”, umschreibt Verlegerin Heidi Sommerer das Konzept.

Sie betont, Lenos habe nicht den Anspruch, alle Regionen im arabischen Raum abdecken zu wollen.

Der Unions-Verlag hat 55 Titel im Angebot. Seine Zugpferde sind die Friedenspreis-Trägerin des Deutschen Buchhandels (2000), die Algerierin Assia Djebar, und der Ägypter Nagib Machfus. Dieser ist 1998 mit dem Literaturnobel-Preis ausgezeichnet worden.

In der literarischen Einführungsrede zur Frankfurter Buchmesse bedauerte Nagib Machfus, dass der Westen sich erst wieder für die arabische Kultur interessiere, seitdem er seine Sicherheit durch den Orient bedroht sehe.

Die Rede des 92-jährigen Machfus, der wegen seines Gesundheitszustands nicht reisen konnte, wurde von seinem Freund Mohammed Salmawy verlesen.

“Dialog der Kulturen”

Von den rund 1000 Autorinnen und Autoren, die dieses Jahr in Frankfurt präsent sind, stammen 200 aus dem arabischen Raum. Ein Teil davon lebt im Exill.

17 der 22 Länder der Arabischen Liga sind offiziell im Pavillon an der Buchmesse vertreten. Fünf Länder – Libyen, Algerien, Marokko, Irak und Kuwait – haben aus unterschiedlichen Gründen auf einen Auftritt verzichtet.

Der Islam-Wissenschafter und Übersetzer Stefan Weinder bezeichnet die arabische Präsenz in Frankfurt heute schon als Erfolg.”Wir wissen schon jetzt viel mehr über die arabische Kultur als ohne diesen Messeschwerpunkt. Damit ist das wichtigste Ziel bereits erreicht.”

Der General-Direktor der arabischen Kulturorganisation ALESCO, Mungi Bosneina, sagte in seiner Eröffnungsansprache: “Für uns geht heute ein Traum in Erfüllung”, und versprach einen fruchtbaren “Dialog der Kulturen”.

Lieber Religion als Belletristik

Insgesamt hält sich der literarische Ausstoss der arabischen Staaten in Grenzen. Nicht einmal 2000 belletristische Werke erschienen 1996 laut einem UNO-Bericht im arabischen Sprachraum, obwohl gut 280 Millionen Menschen in der Region leben.

Die 22 arabischen Staaten produzierten damit weniger Bücher als die Türkei, die nur ein Viertel der Einwohner der arabischen Staaten zählt.

Als beliebteste Werke gelten in der arabischen Welt Lehrbücher und religiöse Schriften. Allein die religiöse Literatur macht 17 % der Veröffentlichungen aus, während sie im weltweiten Durchschnitt lediglich auf 5% kommt.

Das Problem der Zensur

Allzu häufig würden Bücher in der arabischen Welt als verbotenes Gut behandelt. Durch Zensur und bürokratische Prozeduren würden die Herstellungskosten in die Höhe getrieben, kritisiert der UNO-Bericht aus dem Jahr 2003.

Es sei eine paradoxe Situation, wenn auf arabischen Buchmessen Autoren für Werke ausgezeichnet würden, deren Verkauf draussen auf der Strasse durch die Zensur verboten sei.

Als Bestseller gelte ein arabisches Buch schon ab einer Verkaufszahl von 5000 Stück. Gewöhnliche Werke kämen lediglich mit einer Auflage von 1000 bis 3000 Exemplaren in den Handel.

Ein weiterer Punkt ist die hohe Analphabetenrate in einigen arabischen Staaten, welche den Buchhandel behindert.

swissinfo, Andreas Keiser

Die 56. Frankfurter Buchmesse dauert bis am 10. Oktober.

Die Schweiz ist mit etwa 190 Ausstellern wie in den letzten Jahren das siebtstärkste Ausstellerland.

Am Deutschschweizer Gemeinschaftsstand stellen 100 Verlage aus, am Westschweizer Stand sind es 27.

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