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Schweizer Statistik wird endlich eurokompatibel

Auch die Schweizer Statistik ist auf dem Weg nach Europa. Keystone

Eines der neun Abkommen der Bilateralen II zwischen der Schweiz und der EU betrifft auch die Statistik. Die Abkommen sollten demnächst unterzeichnet werden.

Das Bundesamt für Statistik (BFS) muss allerdings viel Arbeit leisten, um seine technischen Normen anzupassen und auf den europäischen Zug aufzuspringen.

“Eines der Ziele des Statistik-Abkommens ist es, objektive und mit der Europäischen Union (EU) vergleichbare Daten zu erhalten, und zwar in allen Bereichen, die für unsere Partnerschaft relevant sind”, sagt Gabriel Gamez vom Bundesamt für Statistik (BFS), das Ende Mai seinen neuen Sitz in Neuenburg bezogen hat.

“Um ein Land zu führen, muss man es kennen und erfassen.” Diesen Auftrag erfülle das Bundesamt für Statistik seit 1860. Damit verbunden ist die delikate Aufgabe, den Preisindex festzulegen, um der Wirtschaftspolitik Orientierungspunkte zu geben.

Keine Politik ohne Statistik

Die Statistik ist somit die Basis der Politik. Um zu diskutieren und Beschlüsse zu fassen, muss man dieselbe statistische Sprache sprechen, also Daten gebrauchen, die vergleichbar sind, etwa bei der Berechnung von Löhnen, bei der Einwanderung oder beim Verkehr.

Das Statistik-Abkommen mit der EU erlaubt es der Schweiz, sich an die Standards von Eurostat, dem statistischen Amt der EU, anzupassen. Die Daten aus der Schweiz werden von Eurostat künftig gemeinsam mit den Daten aus den 25 Mitgliedstaaten veröffentlicht.

Gabriel Gamez ist überzeugt, dass dieses neue Instrument der Schweiz erlauben wird, “ihre Position im europäischen Umfeld zu stärken”.

Ein Anpassungsprozess von fünf Jahren

Um den statistischen Betrieb an die europäischen Normen anzupassen, rechnet das BFS mit drei bis fünf Jahren.

Die Arbeiten werden jährlich rund 30 Mio. Franken kosten, zusätzlich zum regulären Jahresbudget von 82 Mio. Die Zahl der Stellen soll innerhalb des BFS um 80 auf 500 erhöht werden. Zwanzig weitere neue Stellen werden in anderen Bundesämtern geschaffen.

Der direkte Beitrag an Eurostat wird die Schweiz nach Aussage von Gabriel Gamez maximal 9 Mio. Franken kosten, die bereits im Budget enthalten sind.

Mit diesen zusätzlichen Mitteln sollte es der Schweiz möglich sein, den Rückstand auf die EU punkto statistischer Erhebungen wettzumachen, vor allem in den Bereichen Gesundheit und Wirtschaft.

Verzettelte Statistik verhindert Überblick



Die Anpassungen an die europäischen Standards werden wichtige Lücken in den offiziellen Statistiken schliessen, besonders in den politisch heiklen Gebieten der Krankenkasse, Renten, öffentlichen Finanzen oder der Bildung, wo ein Überblick heute schwierig ist.

Bearbeitet werden diese Bereiche heute nämlich von verschiedenen Bundesämtern, oder sie liegen gar in der Kompetenz der Kantone.

“Die Themenfelder, über die man heute am wenigsten Überblick hat, sind meistens solche, in denen die Kantone die grössten Kompetenzen haben”, bemerkt Gabriel Gamez.

Die Stimmen mehren sich denn auch, die eine Zentralisierung der Statistik beim BFS fordern, darunter auch Antoine Gualtierotti, Statistikprofessor am IDHEAP (Institut de hautes études en administration publique) in Lausanne: “Der Direktor des BFS hat weder die Verantwortlichkeit noch die Mittel, um den heutigen Bedürfnissen gerecht zu werden.”

Das Statistikamt könne nicht selber entscheiden, über welches Thema es forschen will. Für all seine Tätigkeiten brauche es eine rechtliche Basis mit einem Mandat des Parlaments und ein spezielles Budget, das die Regierung bewilligen muss.

“Das BFS ist völlig abhängig vom Gesetz und vom Budget”, folgert Antoine Gualtierotti.

Ein Instrument für den Umschwung



Aber die Zeiten ändern sich. Die Globalisierung hat die Grenzen der kantonalen oder nationalen Märkte zu grossen Teilen aufgeweicht. “Unsere Art, die Dinge zu sehen, ist nicht mehr zuverlässig und stichhaltig”, sagt Gabriel Gamez.

Er erinnert daran, dass das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz am Sinken und das Wachstum heute eines der schwächsten ist unter den wohlhabenden Staaten. Die Schweiz müsse jetzt wirtschaftliche und soziale Massnahmen ergreifen.

Interessant ist, dass diejenigen Länder, die die Rückkehr zum Wachstum am besten gemeistert haben – etwa Schweden oder die Niederlande, eine sehr starke statistische Kultur haben.

Um ihre Vitalität wieder zu gewinnen, müsse die Schweiz “jedes Interesse daran haben, zuverlässige Daten zu erhalten”, was das bilaterale Abkommen mit der EU nun möglich macht.

swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Aus dem Französischen von Katrin Holenstein)

Die Statistik ist ein unverzichtbares Instrument bei der politischen und wirtschaftlichen Entscheidfindung.

Das bilaterale Abkommen zur Statistik wird es der Schweiz erlauben, eigene Daten zuverlässig mit denjenigen der EU-Länder zu vergleichen.

Die Schweiz wird sich je nach eigener statistischer Kompetenz an Projekten von Eurostat, dem statistischen Amt der EU, beteiligen.

Die Anpassungen an die EU-Standards werden drei bis fünf Jahre dauern und jährlich rund 30 Mio.Fr. kosten. Das bisherige Budget beträgt 82 Mio.Fr.

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