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Schweizer Wirtschaft kommt nur sehr langsam in Fahrt

Die Zahnräder der Schweizer Wirtschaft kommen nur langsam in Bewegung. Keystone

Zaghaft zeigen sich erste Signale, dass die Schweizer Wirtschaft langsam einen Weg aus der Rezession findet. Auch hat die Börse ein neues Hoch erreicht.

Der Aufschwung dürfte aber erst später kommen und das Wachstum gering ausfallen.

Am Donnerstagabend erreichte der Swiss Market Index (SMI) den Jahres-Höchststand von 5298,80 Punkten; 8,15% höher als am ersten Handelstag des Jahres im Januar.

“Es ist ein Zeichen, dass bessere Zeiten kommen. Der Aktienmarkt nimmt vorweg, was die ganze Wirtschaft machen wird”, sagt Stéphane Garelli, Ökonomieprofessor aus Lausanne und ehemaliger Direktor des World Economic Forum, gegenüber swissinfo. “Wir haben den Tiefpunkt erreicht. Wir sehen das Ende der Rezession und wahrscheinlich wird das dritte Quartal schon viel besser aussehen.”

Indikatoren die nach oben zeigen, kommen vor allem aus dem Ausland. In der Schweiz selbst herrscht ausser ersten vagen Anzeichen vorderhand rezessive Ruhe, vor allem im Beschäftigungsbereich.

Die Aufregung hat sich gelegt

Für Garelli präsentiert sich die internationale Situation ruhiger als noch vor einem Jahr. “Der Ölpreis liegt bei 28 Dollar und nicht bei 40 Dollar, wie das von einigen Leuten vorher gesagt wurde.”

Gutes verspricht sich Garelli auch von den Vereinigten Staaten, die oft als Motor für die ganze Weltwirtschaft dienen. “Das Wachstum der USA lag über 2% im ganzen ersten Halbjahr. Für einige Leute ist das die richtige Richtung.”

“Die USA sind deutlich im Aufschwung, aber die Erholung in Europa wird zögerlich sein, weil die inländische Nachfrage schwach bleibt”, beschwichtigt auch Serge Gaillard, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Hoffnungen auf einen schnellen Aufschwung.

Die Weltbank prognostiziert für die USA für 2004 ein Wachstum von 3,4%. Die EU soll mit 1,7% hinterher hinken. “Euro-Land” gilt deshalb international als konjunkturelles Schlusslicht.

Für Asien hingegen werden hohe Wachstumsraten vorausgesagt. Sie sollen – ausser in Japan – von 5,9% auf 6,3% steigen. Dies trotz den Nachwirkungen des Krieges in Irak und der SARS-Krise.

Zaghafte Erholung Ende Jahr

In der Schweiz hat die Konjunkturforschungs-Stelle der ETH (KOF) letzte Woche erste Anzeichen für einen Aufschwung gemeldet – oder zumindest ein “Ende der Wachstums-Verlangsamung” per 2004.

Vor allem in der Exportwirtschaft hätten sich die Erwartungen der Unternehmen verbessert, sagte KOF-Leiter Bernd Schips vor den Medien. Einen wirklichen Aufschwung erwartet die KOF aber erst für 2005.

Garelli sieht die Gründe für den nur verhaltenen Aufwärts-Trend in der Vergangenheit. “Die Erholung wird schwach ausfallen, weil das Wirtschaftswachstum schon lange gering ausgefallen ist. Ein Wachstum von über 3% gab es im vergangenen Jahrzehnt in der Schweiz nur im Jahr 2000.”

“In den meisten Konkurrenzländern wächst die Wirtschaft schneller als in der Schweiz. Diese Länder haben einige Jahre mit Wachstumsraten zwischen 2 und 3 Prozent hinter sich.”

Verpasste Gelegenheiten

Die Schweiz habe den Technologie-Boom verpasst: Die Märkte für Internet, Computer und Mobilkommunikation seien nicht schnell genug geöffnet worden, sagt Garelli. “Das waren Märkte mit zweistelligen Wachstumsraten, davon haben wir nur wenig profitieren können.”

Davon will Gaillard nichts wissen: “Der Telekom-Markt schuf viele Arbeitsplätze in der Schweiz. Diese sind aber teilweise wieder abgebaut worden, als die Branche weltweit in die Krise stürzte.”

Er ruft in Erinnerung: “Die Swisscom hat glücklicherweise gewisse Fehler anderer Telekomfirmen nicht gemacht und beispielsweise auf teure Auslandinvestitionen verzichtet.”

Exporte in der Krise

Die Schweizer Export-Wirtschaft muss vor allem nach Norden schauen: Deutschland kauft über einen Fünftel der Schweizer Exporte und ist mit Abstand wichtigster Handelspartner. Das Nachbarland steckt aber ausser in einer Rezession auch am Rand einer Stagnation.

Kartelle als Stolperstein?

Ein weiteres Problem ortet Garelli in den hiesigen bestehenden Marktstrukturen. “Die Schweiz ist immer noch keine vollständige Marktwirtschaft. Ich spreche hier die Kartell- und Pseudo-Kartell-Situation an.”

Die Auswirkungen dieser Kartelle will Gaillard hingegen nicht überbewerten. “Im Gewerbe und der Industrie herrscht grundsätzlich Wettbewerb, weil wir eine offene Volkswirtschaft sind.” Auch er räumt allerdings ein, dass noch so genannte Vertikal-Absprachen bestünden, welche Produkte in der Schweiz im Vergleich zum Ausland verteuerten (Preisbindungen).

Garelli: “Tiefer kann man nicht tauchen”

Über alles gesehen ist Garelli aber zuversichtlich: “Tiefer als jetzt konnten wir fast nicht tauchen – diese konjunkturelle Durststrecke dauerte sehr lange. Ich denke, es wird besser werden.”

swissinfo, Robert Brookes
(Übertragen aus dem Englischen von Philippe Kropf)

Die Schweiz leidet unter gestiegener Arbeitslosigkeit, geringer Konsumlust und einem hohen Frankenkurs, der die Exporte behindert.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) erwartet, dass sich das BIP dieses Jahr leicht zurückbildet. 2004 soll es dann um 1,6% steigen.

Die Grossbank Credit Suisse (CS) rechnet 2004 mit einer Stagnation (0.0%) und Wachstum von 1%.

Ende August waren 143’672 Personen arbeitslos, das sind 3,6% der werktätigen Bevölkerung.

Es mehren sich die Anzeichen, dass die Schweiz langsam aus der wirtschaftlichen Rezession findet. Der Aufschwung dürfte aber nur gering ausfallen.

In den letzten zehn Jahren ist das Wirtschaftswachstum nur im Jahr 2000 über 3% gelegen.

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