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Senegal: Weihnachten fehlen Schnee und Kälte (3)

Feststimmung in Afrika.

Seit über 20 Jahren verbringt die Schweizerin Annelise Ehemba die Festtage im Süden Senegals. Die Hitze lässt keine helvetische Weihnachtsstimmung aufkommen.

Trotzdem ist Weihnachten etwas Besonderes. Am christlichen Fest feiern auch Muslime mit.

Dezember im senegalesischen Ziguinchor. Kein dampfender Weihnachtstee, sondern warmes Bier steht neben dem Adventskranz, der in keiner Weise denjenigen aus der Schweiz nachsteht. Der Kranz wird seit Jahren wieder verwendet: Gut verpackt überstehen die dekorierten Tannenzweige aus Plastik die heissschwülen Monate in Senegal.

Früher sass sie mit ihren Töchtern und einer Pflegetochter oft um den Adventskranz herum. “Wir liessen die Kerzen brennen, und ich erzählte die Weihnachtsgeschichte”, sagt Annelise Ehemba, Hotelbesitzerin in Ziguinchor, dem Hauptort der Casamance.

Heute, wo die Töchter älter sind, stellt sie den Kranz aus nostalgischen Gründen auf – für sich und die Mädchen, die jedes Jahr danach verlangen. Und noch heute ist das gemütliche Beisammensein wichtig.

Keine Selbstverständlichkeit

Besinnliche Weihnachten sind in der Casamance keine Selbstverständlichkeit. Mit unterschiedlicher Intensität kämpften seit 1982 Rebellen für die Unabhängigkeit dieser Region südlich von Gambia. Einer Region, die von der zentralistischen Regierung sehr stiefmütterlich behandelt wird.

Die Unruhen erreichten zwischen 1997 und 1998 den Höhepunkt. “Diese Zeit war am schlimmsten”, erinnert sich Annelise Ehemba. “Beide, Militärs und Rebellen, legten Anti-Personen-Minen aus und niemand wusste, wer als nächstes mit dem Auto darüber fahren würde.”

Unzählige Zivilisten wurden Opfer von Säuberungsaktionen, zahlreiche Menschen verschwanden.

Seit ungefähr sieben Jahren sei die Situation besser, so Annelise Ehemba.

Tannenbaum zum Ausklappen

Die Hitze lässt in Senegal wenig Weihnachtsstimmung aufkommen. Auch fehlen die blinkenden Leuchtketten-Rentiere, die üppig geschmückten Tannenbäume und der Glühweingeruch vom Weihnachtsmarkt: Markt ist in Ziguinchor jeden Tag – und Tannenbäume gibt es nicht.

Annelise Ehemba klappte jeweils am 24. Dezember ihren Tannenbaum aus Plastik auf und dekorierte ihn mit Kugeln, Sternen und Blinklichtern. Dieses Jahr wird die Plastiktanne erstmals durch eine Palme ersetzt – eine echte. “Es ist schon komisch, hier zu feiern. Der Winter fehlt, der Schnee, die Kälte”, sagt sie.

Sie würde gerne wieder mal Weihnachten in der Schweiz verbringen, um diese spezielle Atmosphäre zu spüren. Diesen Wunsch wird sie sich auch dieses Jahr nicht erfüllen – zuviel Arbeit kommt über die Festtage auf sie zu.

Festmenü mit Lachs und Gänseleber

Und so feiert die Familie Ehemba – die ältere Tochter kommt für Weihnachten aus dem Internat in der Schweiz nach Hause – mit einem gemeinsamen Essen aus der Hotelküche: “Terrine de crevettes roses et concombres à la menthe” gefolgt von einem “Chapon doré aux bolets forestiers” mit “Gratin dauphinois”, “Fagots d’haricots aux tiges de citronelle”. Zum Dessert gibt es die traditionelle “Bûche de Noël”.

Am 25. Dezember besucht die Familie gemeinsam die Weihnachtsmesse und gönnt sich danach zu Hause mit Freunden und Verwandten ein Festmenü mit Lachs und Gänseleber.

Ein Fest für Christen und Muslime

Anders die senegalesischen Familien. In Senegal gibt es laut offiziellen Angaben fünf Prozent Christen und die Mehrheit davon lebt in der Casamance. Sie dekorieren, wenn die Finanzen es erlauben, ihr Haus mit Girlanden und besuchen an Weihnachten die Messe.

Danach wird gefeiert mit Tanz und “Sucrés” wie Cola, Fanta und Palmwein. Gegessen wird Reis mit Sauce, vielleicht mit einem Stück Fleisch oder einem grillierten Fisch garniert.

Muslimische Freunde, Bekannte und Nachbarn überbringen ihre besten Wünsche zu Weihnachten und feiern selbstverständlich mit – wie auch die Katholiken ihren muslimischen Nachbarn zur Tabaski, dem islamischen Opferfest, gratulieren und mit ihnen Schaffleisch essen.

“Senegal ist in dieser Hinsicht einmalig”, sagt Annelise Ehemba. Hier würden die christlichen und muslimischen Feiertage für alle gelten. “Wo sonst können zwei katholische Verliebte im Garten einer muslimischen Familie ihre Verlobung von einem katholischen Priester segnen lassen?”

swissinfo, Rebecca Vermot, Ziguinchor, Senegal

Wie feiern Schweizerinnen und Schweizer im Ausland Weihnachten? Was kommt bei ihnen auf den Festtagstisch?

swissinfo berichtet dazu in einer losen Serie aus verschiedenen Regionen der Welt.

Annelise Ehembra wurde 1956 geboren und wuchs in Derendingen bei Solothurn auf. Sie lernte zuerst Eisenbetonzeichnerin und später absolvierte sie eine kaufmännische Lehre.

Nach ersten Erfahrungen in der Schweizer Hotellerie wurde sie Reiseleiterin. An der senegalesischen Touristendestination Cap Skiring lernte sie ihren künftigen Ehemann, Jean-Pascal Ehemba, kennen.

1986, mitten in den Unruhen, pachteten sie in Ziguinchor ein Dancing und bauten es zu einem Hotel um.

1995 öffnete das Hotel seine Tore.

Zurzeit sind 302 Schweizerinnen und Schweizer bei der Schweizer Botschaft in Dakar gemeldet. Gemäss Botschaft leben ungefähr 200 von ihnen in und um Dakar herum.

In der Casamance leben 30 Schweizer, 25 davon im Hauptort Ziguinchor, einer Stadt von knapp 170’000 Einwohnern.

Die meisten Schweizerinnen und Schweizer in der Casamance arbeiten im Tourismus. Anders in der Region Dakar. Dort sind die Schweizer sowohl in der Gastronomie, im Handel, in der Entwicklungshilfe, in der Bildung und im Tourismus tätig.

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