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Session im Zeichen von Umwelt, Energie und IV

Die Session im Parlament ist abgeschlossen. (Imagepoint)

Umwelt- und Energiethemen, aber auch die Finanzierung der Invalidenversicherung sowie Landwirtschafts-Reformen standen im Mittelpunkt der parlamentarischen Frühjahrssession. Die Sitzungen endeten am Freitag.

Die beiden Kammern des Parlaments arbeiteten vor den Wahlen vom Oktober eine Reihe von Dossiers auf. Dabei kam es zu unerwarteten Überraschungen.

Die Session begann am 5. März und sah nach einem reinen Verwaltungsvorgang aus: Wenige Monate vor Neuwahlen schlagen die Parlamentarier in der Regel keine neuen Projekte mehr vor.

Gleichwohl kam es zu lebhaften Momenten. Beispielsweise bei der Debatte über die Agrarpolitik 2011 (AP 2011), welche Bundesrätin Doris Leuthard fast in die Verzweiflung trieb.

Die Wirtschaftsministerin musste eindringlich an die Nationalräte appellieren, um wenigstens einen Teil dieser Reform zu retten.

Agrarreform gebremst

Die AP 2011 zielt darauf ab, die Landwirtschaft schrittweise zu liberalisieren. Letztes Jahr war die Zustimmung noch gross.

Angesichts des Scheiterns der Verhandlungen zum Landwirtschaftsdossier mit der Welthandelsorganisation wollten viele Parlamentarier aber bei den Reformen die Bremse ziehen. Die Schweiz solle ihrer Meinung nach nicht zu einem Modellstaat werden, bevor ein internationales Abkommen abgeschlossen ist.

So konnte die Bauernlobby unter anderem durchsetzen, dass einige Subventionen für die Milch- und Käseproduktion bestehen blieben. Mehr noch: Statt die Agrarzuschüsse zu senken, werden in den nächsten vier Jahren 150 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich ausgegeben.

IV-Sanierung gebodigt

Genauso intensiv wie die Agrardebatte erwies sich die Diskussion um die Vorschläge zur Zusatzfinanzierung der Invalidenversicherung (IV). Dieses Sozialwerk hat Schulden von 9,3 Milliarden Franken angehäuft.

Der Versuch der Linken, neue Einnahmen durch eine unbefristete Mehrwertsteuererhöhung von 0,6 Prozent zu erreichen, stiess bei den Christlichdemokraten (CVP) und den Freisinnigen (FDP) auf Ablehnung. Diese schlugen eine auf sieben Jahre begrenzte Erhöhung der Mehrwertsteuer vor. So erlitt am Ende die gesamte Zusatzfinanzierung Schiffbruch.

Die taktischen Manöver, die zum Scheitern der IV-Finanzierung führten, stehen vor dem Hintergrund der Parlamentswahlen im Oktober, denn Steuererhöhungen zu beschliessen, ist in einem Wahljahr ausgesprochen unpopulär. Allerdings könnte sich das bei der Abstimmung über die 5. IV-Revision im Juni rächen.

Die bürgerlichen Parteien unterstützen diese Revision, die einen Leistungsabbau der IV vorsieht. Gleichzeitig müssen sie dann aber der Bevölkerung erklären, warum die Sanierung der Invalidenversicherung einzig auf dem Buckel der Leistungsempfänger erfolgen werden soll.

Kleine Schritte für die Umwelt

Schliesslich wurde auch über die Umweltpolitik heiss debattiert. Der Nationalrat widmete diesem Thema eine Marathon-Sitzung. Die alarmierenden Berichte über den Klimawandel haben im Parlament das ökologische Bewusstsein wach gerüttelt.

Die Parlamentarier haben jedoch entschieden, Anreize für ökologisches Verhalten allfälligen Verboten vorzuziehen. 23 von 77 parlamentarischen Vorstössen wurden gut geheissen.

In diesem Zusammenhang entschied das Parlament die Einführung einer CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe. Auf diese Abgabe wird seit Jahren gewartet. Der Zuschlag von einigen Rappen auf jeden Liter verkauften Heizöls stellt einen wichtigen umweltpolitischen Schritt, aber noch keine grundsätzlich neue Strategie in Umweltfragen dar.

Neuer Anlauf im Elektrizitätsmarkt

Als letzten Entscheid haben die beiden Kammern schliesslich eine Öffnung des Elektrizitätsmarktes in zwei Etappen beschlossen. Auch bei diesem Geschäft stellten die Parlamentarier einen neuen, “grünen” Geist unter Beweis. Für jede konsumierte Kilowattstunde Strom sollen künftig 0,6 Rappen für die Förderung erneuerbarer Energiequellen abgezwackt werden.

Dieses Zugeständnis der Bürgerlichen an Grüne und Linke wird aber auch als politischer Schachzug gedeutet, um nach der Abfuhr im Jahr 2002 eine neuerliche Niederlage bei der Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes zu vermeiden.

swissinfo, Armando Mombelli
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Das Schweizer Parlament setzt sich zusammen aus der Volkskammer (Nationalrat) und der Kantonskammer (Ständerat). Das Parlament wird für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt.

Die Räte tagen in der Regel vier Mal jährlich für je drei Wochen (März, Juni, September, Dezember).

Neben den Sessionen stehen dieses Jahr noch eine Eidgenössische Referendumsabstimmung zur 5. IV-Revision am 17. Juni, die Parlamentswahlen am 21. Oktober sowie die Regierungswahl Mitte Dezember auf der politischen Agenda.

Im Nationalrat wurde das neue Waffengesetz angenommen. Danach dürfen Dienstwaffen weiterhin zuhause aufbewahrt werden.

Das Parlament hat eine Totalrevision des Opferhilfegesetzes beschlossen. Wichtigste Neuerung: Personen, die Opfer von Gewaltverbrechen oder Attentaten im Ausland werden, erhalten keine Entschädigungen mehr aus der Schweiz.

Der Nationalrat hat zudem eine Reform der Finanzierung von Spitälern beschlossen: Demnach wird Patienten die freie Spitalwahl eingeräumt. Die Kosten dieser Reform teilen sich die Krankenkassen und die Kantone.

Die Finanzierung der Kohäsionsmilliarde für 10 neue EU-Länder wird nicht zu Lasten der Entwicklungshilfe gehen. Dies hat der Ständerat entschieden.

Im Parlament ist zudem die allgemeine Volksinitiative definitiv durchgefallen. Vom Volk wurde dieses Instrument 2003 gut geheissen. Demnach hätten 100’000 Stimmberechtigte mit ihren Unterschriften nicht nur eine Verfassungsinitiative, sondern auch eine Gesetzesrevision verlangen können.

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