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Sieg für die Linke

Elektrizitätsmarkt: Öffnung abgeblockt. Keystone

Das Volk hat zum Elektrizitätsmarkt-Gesetz knapp Nein gesagt, es erteilt der Liberalisierung eine Abfuhr.

Doch für alle ist klar: Es braucht ein neues Gesetz.

Innerhalb von 6 Jahren hätte der Schweizer Strommarkt geöffnet werden sollen. Bundesrat und Parlament hatten dafür das Elektrizitätsmarkt-Gesetz ausgearbeitet. Das Volksverdikt schickt den Entwurf nun bachab.

52,6% haben Nein gesagt zur Öffnung des Strommarktes, 47,4% sagten Ja. Die Westschweiz und das Tessin stimmten geschlossen gegen das Elektrizitätsmarkt-Gesetz (EMG). Am deutlichsten die Waadt mit 68,7%, gefolgt vom Kanton Jura mit 65%.

Aber auch in den Ostschweizer Kantonen überwog die Skepsis. Anders in der Zentralschweiz: Die besten Noten erhielt das EMG in den Kantonen Zug mit 58,7 Prozent Ja und Luzern mit 57,4%.

Herbe Niederlage für Stromlobby

Es ist eine herbe Niederlage für Wirtschaftsverbände und die Stromlobby. Aber auch für Energieminister Moritz Leuenberger, der sich für das Gesetz stark gemacht hatte.

Die Liberalisierung hat einen massiven Dämpfer erhalten. Dies in einer wirtschaftlich unsicheren Zeit, in der die Stimmung eher wieder gegen Marktöffnung und Privatisierungen ist. Auch die Furcht vor höheren Preisen mag ein Grund für das Nein sein.

Die EMG-Gegner hatten wohl mit ihrer Argumentation eher die Volksseele getroffen. Sie malten den Konsumentinnen und Konsumenten ein unerwünschtes Liberalisierungs-Gesetz an die Wand: Die Sicherheit der Versorgung sei im Gesetz nicht gewährleistet, argumentierten sie beispielsweise.

Bürgerliche enttäuscht

Die Reaktionen von bürgerlicher Seite fielen enttäuscht aus. Befürchtungen wurden laut, die Schweiz würde nun im europäischen Strommarkt benachteiligt. Die Liberalisierungen im Strommarkt gingen ja weiter, EMG hin oder her.

So betont die Schweizerische Volkspartei, dass eine Marktöffnung im Strombereich gerade für das Gewerbe eine wichtige Stärkung in einer schwierigen Zeit bedeutet hätte. Der Bundesrat müsse jetzt die Gründe für die Ablehnung analysieren und ein neues Gesetz ausarbeiten, sagte Parteipräsident Ueli Maurer.

Für Philipp Stähelin, Chef der CVP, ist es wichtig, dass die Schweiz trotz dem Nein ihren Platz als Drehscheibe im Stromhandel in Europa behalten kann.

Die Freisinnigen wollen weiterhin für ein Stromgesetz kämpfen. Parteipräsident Gerold Bührer ergänzte, eine geregelte Situation sei besser als eine ungeregelte.

Linke erfreut

Gewerkschaften, Grüne und grosse Teile der SP freuen sich über den Sieg gegen eine breite Phalanx aus Wirtschaft, Stromlobby und Regierung. Der Tenor: Das Volk habe ein Zeichen setzen wollen gegen die Kapriolen der Wirtschaft.

SP-Vizepräsidentin Christine Goll äusserte sich in einer ersten Reaktion zufrieden: “Der Widerstand hat sich gelohnt. Die Bevölkerung hat genug von Liberalisierungen und Privatisierungen.”

Laut Goll soll der Staat weiterhin eine “öffentlich-demokratische Kontrolle über die Stromversorgung” behalten. Ziel sollten eine Stromsparpolitik und die Förderung erneuerbarer Energien sein. Dies sei mit dem EMG nicht gewährleistet gewesen.

Auch der Gewerkschaftsbund, welcher das Referendum ergriffen hatte, ist zufrieden. Das Volk habe sich für eine sichere Stromversorgung mit stabilen Preisen entschieden.

Gerade in den sich verändernden europäischen Märkten könnten öffentliche Anbieter mit einer Versorgungspflicht weiterhin eine sichere Versorgung garantieren.

Bundesrat erstaunt

Energieminister Moritz Leuenberger interpretiert das Nein mit der Zufriedenheit der Konsumentinnen und Konsumenten mit der heutigen Situation. Die Verbraucher möchten den Markt beibehalten wie er sei.

Die Regierung und das Parlament wollten den Strommarkt schrittweise öffnen, um die inländische Rechtslage gegenüber der EU anzupassen. Sechs Jahre nach Inkrafttreten hätte der Energiemarkt für alle Stromkonsumenten liberalisiert gewesen sein sollen. Daraus wird nun nichts.

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