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Sieger und Verlierer von links bis rechts

Die Bundesräte Pascal Couchepin und Hans-Rudolf Merz sind enttäuscht. Keystone

Mit dem Nein zu allen drei eidgenössischen Vorlagen ist keine der Parteien wirklich zufrieden.

Doch alle sind sich einig, dass einzelne Reformen möglichst bald an die Hand genommen werden müssen.

Bundesrat Pascal Couchepin sprach von einer massiven Ablehnung. Immerhin gebe es keinen “Röstigraben”. Zudem sei das Nein “eurokompatibel”: Auch in anderen europäischen Ländern hätten solche Reformen zur Zeit keinen Erfolg.

Es sei aber weder ein Sieg für die Linke noch für die Rechte, sagte der Sozialminister.

Rentenalter-Erhöhung “vom Tisch”

“Die SP ist die Siegerin des wichtigsten Abstimmungssonntages seit Jahren”, fasste der Präsident der Sozialdemokraten, Hans-Jürg Fehr, seine Bilanz zu den Abstimmungen zusammen.

Fehr spricht daher von einem Richtungsentscheid: Der Durchmarsch der Rechten sei fürs Erste gestoppt. Mit dem Nein zur AHV-Revision sei das Thema Rentenalter-Erhöhungen endgültig vom Tisch.

Das Abstimmungsresultat zeige, dass Sozialwerke nicht reformiert werden könnten, ohne dass der Bundesrat mit den linken Parteien und den Gewerkschaften verhandle, hiess es vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), der das Referendum gegen die 11. AHV-Revision ergriffen hatte.

Ueli Maurer, Präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP), wertet das Nein zur AHV-Revision als “Zeichen des Unmutes im Volk”. Nötig sei jetzt eine Aufklärung über Kosten und Bedürfnisse der Altersvorsorge. Nur mit einer solchen Gesamtschau hätten neue Lösungen vor dem Volk eine Chance.

Für neue Rezepte sei es aber noch zu früh. “Aber die Forderung der SVP, das Nationalbank-Gold für die AHV zu verwenden, erhält neue Bedeutung.”

Kantone gestärkt

“Der Abbau bei der AHV wird nicht goutiert, wenn sich andere gleichzeitig mit dem Steuerpaket bedienen”, kommentierte Ruth Genner, Präsidentin der Grünen, das Nein.

“Ein Sieg der Kantone”, nannte Politologe Claude Longchamp die Ablehnung des Steuerpakets. Der Erfolg werde den Kantonen in Zukunft mehr Gewicht geben, weil sie nun durch eine einfache Referendumsdrohung Druck machen könnten.

Die Präsidentin der Konferenz der Kantonalen Finanzdirektoren, Eveline Widmer-Schlumpf, zeigte sich erfreut. Das Resultat zeige, dass Bürgerinnen und Bürger differenziert urteilen könnten und den Behörden Vertrauen schenkten, wenn auf die grossen Konsequenzen solcher Steuerpakete hingewiesen werde.

Beim Wirtschaftsdachverband economiesuisse zeigte man sich in einem Communiqué enttäuscht über die “verpasste Chance”. Das Nein sei aber nicht als generelles Nein zu Steuersenkungen zu werten.

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) sprach nach dem Nein zum Steuerpaket von einem “schwarzen Tag für die Familien”. Das Resultat eröffne aber die Möglichkeit, sich gezielt und kompromisslos für die Familienentlastung beziehungsweise die unbestrittenen Teile des Steuerpakets einzusetzen.

Finanzminister Hans-Rudolf Merz will nach dem Zwist ums Steuerpaket die Zusammenarbeit mit den Kantonen wieder verbessern. “Es war ein überladenes Paket”, sagte er gegenüber Schweizer Radio DRS.

Kein “gravierendes” Nein

Der Berner SP-Nationalrat und künftige Preisüberwacher Rudolf Strahm hat das Nein zur Mehrwertsteuer-Vorlage als “nicht gravierend” bewertet. Alle massgeblichen Kräfte seien sich nämlich einig, dass in den kommenden Jahren bei der IV ein Mehrwertsteuer-Anteil nötig werde.

Das Nein zeige, dass das Stimmvolk nicht bereit sei, zusätzliche Steuern zu zahlen, sagte Rolf Schweiger, Präsident der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP). Das Resultat sei eine Basis für weitere Diskussionen.

Auch aus Sicht der FDP braucht die IV aber weitere Einnahmen. Wenn der Bundesrat bereit sei, die finanzielle Lage der IV zu sanieren, akzeptiere die FDP eine Erhöhung der MWSt um 0,8 Prozent für die IV, erklärte Schweiger.

Nach der Ablehnung der Mehrwertsteuererhöhung müssten für AHV wie IV leistungsseitige Korrekturen gesucht werden, um die zunehmende “Verrentung” zu stoppen, schrieb der Schweizerische Arbeitgeberverband. In der Mitteilung wurde die Anpassung des Rentenalters als unbestritten bezeichnet.

Bundesrat Couchepin bedauerte das Nein ebenso und kündigte an, für die heute mit fünf Milliarden Franken verschuldete IV so rasch als möglich eine neue Finanzierungsvorlage zu schaffen. Hier bestehe dringender Handlungsbedarf.

swissinfo und Agenturen

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