Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Sozialhilfe: Empfänger vor allem in den Städten

28,4% der Sozialhilfeempfänger sind erwerbstätig, verdienen aber zu wenig. Keystone

Drei Prozent der Schweizer Bevölkerung, 220'000 Personen, haben 2004 Sozialhilfe erhalten. Fast die Hälfte der Empfänger lebt in Städten, vier von zehn haben keinen Schweizer Pass.

Junge Erwachsene mit dünnem Schulsack haben ein erhöhtes Sozialhilferisiko. Dies ein paar Eckwerte der ersten Sozialhilfestatistik mit Zahlen aus allen Kantonen.

Die erste gesamtschweizerische Sozialhilfestatistik, die am Montag in Bern vorgestellt wurde, zeigt auf, dass der Kanton Basel-Stadt die höchste Sozialhilfequote aufweist: 6,5% der Bevölkerung erhalten Hilfeleistungen.

Über dem Schweizer Schnitt lagen die Kantone Waadt, Neuenburg, Zürich, Genf, Bern und Freiburg. Das Schlusslicht bildete Appenzell Innerrhoden mit 0,6%.

In den fünf grössten Schweizer Städten mit über 100’000 Einwohnern (Zürich, Bern, Basel, Genf, Lausanne) beziehen 6% der Bevölkerung Sozialhilfe, sechsmal mehr als in kleinen Gemeinden mit unter 1000 Einwohnern. Je grösser die Gemeinde, desto höher die Sozialhilfequote und die sozialen Lasten.

Die Sozialhilfestatistik liefert für Adelheid Bürgi-Schmelz, Direktorin des Bundesamtes für Statistik, einen Beitrag zu einer Versachlichung der Diskussion um die Sozialhilfe. Diese konzentriere sich zu stark auf Einzelfälle und die Frage von Missbräuchen.

Ausländer besonders betroffen

43,7% der Sozialhilfeempfänger sind ausländischer Nationalität, während ihr Anteil an der Wohnbevölkerung nur 20,5% ausmacht. Ein Hauptgrund für diese hohe Quote ist laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) die oft mangelnde Berufsqualifikation.

Je höher der Ausländeranteil in einem Kanton, desto höher auch der Anteil der ausländischen Sozialhilfeempfänger. Nur im Tessin mit hohem Ausländeranteil spielt diese Regel nicht.

Ein erhöhtes Sozialhilferisiko haben Geschiedene, Alleinstehende, Alleinerziehende und junge Erwachsene. 13% der Sozialhilfebezüger sind junge Erwachsene. Fast 63% der jungen Sozialhilfebezüger haben keinen Berufsabschluss.

Über ein Viertel ist berufstätig

28,4% der Sozialhilfebezüger sind erwerbstätig – ihr Einkommen reicht aber nicht fürs Auskommen. 46,4% der Empfänger verfügt über keinen beruflichen Abschluss. Aber immerhin 5,6% haben eine höhere Ausbildung absolviert.

Etwa die Hälfte der unterstützen Privathaushalte ist ganz von Sozialhilfe abhängig. Bei knapp einem Viertel deckt die Hilfe weniger als die Hälfte des Haushaltbudgets.

54,1% aller Sozialhilfefälle bezogen länger als ein Jahr Sozialhilfeleistungen. Fast zwei Drittel dieser Langzeitbezüger sind Alleinerziehende.

Die Sozialhilfe wäre eigentlich nur gedacht als vorübergehende finanzielle Überbrückungs-Unterstützung in Notlagen, wenn die Sozialversicherungen nicht oder noch nicht greifen.

Die kantonalen Sozialdirektoren und -direktorinnen zeigten sich nach Veröffentlichung der Statistik alarmiert über die hohe Zahl der jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe. Nötig seien früh einsetzende Integrations-Massnahmen oder arbeitsmarktgerechte Bildungsangebote.

Bei knapp einem Drittel der abgeschlossenen Sozialhilfe-Fälle hatte sich die wirtschaftliche Lage verbessert – meist durch (Wieder-) Eingliederung ins Erwerbsleben. Ein Viertel hatte den Wohnort gewechselt oder den Kontakt zur Sozialbehörde abgebrochen. Beim Rest lösten Sozialversicherungs- oder andere Leistungen die Sozialhilfe ab.

swissinfo und Agenturen

Auch in der Schweiz hat sich das soziale Klima in den vergangenen Jahren verhärtet. Die Armut ist gestiegen und damit auch die Anzahl der Sozialhilfe-Empfängerinnen und -Empfänger.

Die Daten zur Sozialhilfe-Statistik aus allen Kantonen wurden vom Bundesamt für Statistik (BFS) in Zusammenarbeit mit der Konferenz der kantonalen Sozialhilfedirektoren und den Kantonen erhoben. Sie liefern erstmals landesweit vergleichbare Zahlen und Fakten.

Gemäss dem BFS lebten im Jahr 2004 in der Schweiz 12,5% der Wohnbevölkerung in Armut.

Gemäss den Schweizer Hilfswerken liegt die Armutsgrenze für Einzelpersonen bei einem Nettoeinkommen von 2480 Franken. Für eine Familie mit zwei Kindern liegt die Grenze bei 4600 Franken.

2004 bezogen in der Schweiz 220’000 Personen Sozialhilfe.
Dies entspricht einer Sozialhilfequote von 3%.
Fast die Hälfte der Unterstützten lebte in grossen Städten.
In den kleinen, ländlichen Kantonen lag die Quote zum Teil unter 1,5%.
Am höchsten war die Quote bei Kindern bis zehn Jahren, gefolgt von der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen (3,9%).
43,7% der Sozialhilfe-Bezügerinnen und –Bezüger waren ausländischer Herkunft.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft