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Srilankische Konfliktparteien in Bern

Regierungsvertreter Goonetilleke, Aussenministerin Calmy-Rey und Pulidevan von der LTTE (v.l.n.r.). Keystone

In Bern kam es erstmals seit der Unterbrechung der Friedensgespräche wieder zu direkten Kontakten zwischen den Konfliktparteien Sri Lankas.

Das Treffen fand im Rahmen der Jahrestagung der Politischen Abteilung IV des Aussenministeriums (EDA) statt.

“Wir freuen uns, dass die Parteien die Gelegenheit für eine solche Diskussion gerade in der Schweiz wahrnehmen”, sagte Aussenministerin Micheline Calmy-Rey bei der Eröffnung der Konferenz, die dem Thema Sri Lanka gewidmet war.

Seit der Unterbrechung der Friedensgespräche im April 2003 hatte es solche Direktkontakte nicht mehr gegeben, schon gar nicht in der Öffentlichkeit.

Gekommen waren von der Regierungsseite Botschafter Bernard Goonetilleke, Generaldirektor des Friedenssekretariats, und von den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) Kumaran Pulidevan, Generalsekretär des LTTE-Friedenssekretariats.

“Es war für beide Seiten nicht ganz einfach, nach Bern zu kommen”, sagte Botschafter Peter Maurer, Chef der Politischen Abteilung IV, gegenüber swissinfo. Es sei ein ausserordentlich positives Zeichen. Offenbar sei man bereit, wieder miteinander zu sprechen.

Kritische Fragen



In drei Workshops wurden zentrale Fragen des Friedensprozesses angesprochen: Machtteilung und Dezentralisierung, die Rolle der Geschlechter sowie Auswanderung und Rückkehr.

Gespart wurde auch nicht mit kritischen Fragen. “An den Podien ging es nicht darum, Lösungen zu finden”, erklärte Maurer. Man wolle die Verhandlungspause nutzen, um die Dimension der Probleme abzustecken.

Ian Martin, ehemaliger Generalsekretär von Amnesty International und Vize-Präsident des International Centers for Transitional Justice, betonte in seinem Referat, dass es ohne Respekt für die Menschenrechte keinen nachhaltigen Frieden gebe. Dazu gehöre auch die schwierige Aufarbeitung der Menschenrechts-Verletzungen der Vergangenheit.

Aus Fehlern lernen



“Wir müssen aus unseren Fehlern lernen”, sagte Goonetilleke. Seit der Unabhängigkeit 1948 habe es in Sri Lanka Versuche gegeben, den zentralistischen Staat zu dezentralisieren. Doch gelungen sei dies nie.

Es gebe keinen besseren Ort als die Schweiz, um diese Fragen zu klären. “Föderalismus war bei uns fast ein Schimpfwort.” Man habe den Föderalismus mit Abspaltung gleichgesetzt und sich davor gefürchtet.

“Es ist uns gelungen, den Leuten zu zeigen, dass man mit dem Föderalismus die Einheit des Landes wahren und zugleich den Gemeinden Autonomie gewähren kann”, betonte Maurer.

Keine Konkurrenz zu Norwegen



Die Vermittlerrolle im Friedensprozess in Sri Lanka kommt Norwegen zu. Die Schweiz hatte sich bis jetzt eher ergänzend engagiert, indem sie etwa zusammen mit Deutschland die Arbeit des Berghof-Zentrums für Konfliktforschung finanzierte. Macht die Schweiz Norwegen Konkurrenz?

Botschafter Maurer winkt ab. “Norwegen und die Schweiz haben unterschiedliche Rollen. Wir tauschen uns sehr intensiv aus.”

Auch der Botschafter der Schweiz in Sri Lanka, Bernardino Regazzoni, sieht das Engagement der Schweiz nicht in Konkurrenz zu Norwegen. Doch habe die Schweiz mit ihrer Föderalismus-Erfahrung etwas anzubieten.

Föderalismus-Kompetenz



Föderalismus ist ein neuer Schwerpunkt der Schweizer Friedens- und Menschenrechts-Förderung. “Wir sind in den letzten Jahren zur Überzeugung gelangt, dass unsere dezentralen Strukturen nützliche Erkenntnisse bergen für Konfliktparteien, so etwa im Sudan, dem Balkan oder eben in Sri Lanka”, erklärte Maurer.

Auch die internationale Gemeinschaft habe erkannt, dass man mit einer “the winner takes all”-Mentalität keine Konflikte löse. “Wir sind von unserem Hintergrund her glaubwürdig. Wir haben Kompetenzen an den Universitäten und können die Leute einladen, um zu zeigen, wie es bei uns funktioniert.”

Es sei ihr wichtig, dass die schweizerischen Beiträge zu Friedens-Ordnungen nicht zusammenhanglos erfolgten, sagte Bundesrätin Calmy-Rey in ihrer Eröffnungsrede. “Ein Teil unserer eigenen politischen Identität soll in unsere Beiträge einfliessen.”

Friedenspolitik darf etwas kosten



Die zivile Friedensförderung sei ein zentrales Anliegen der schweizerischen Aussenpolitik, betonte Calmy-Rey. Sie sei überzeugt, dass deren Bedeutung in Zukunft noch zunehmen werde.

“Unsere Friedenspolitik darf auch etwas kosten”, sagte die Bundesrätin im Hinblick auf die in der Herbstsession anstehende ständerätliche Beratung über einen Rahmenkredit für Massnahmen zur zivilen Friedens- und Menschenrechtsförderung. Die Aufwendungen für die Verhinderung eines Konflikts seien geringer als die Kosten für den Wiederaufbau nach einem Krieg, argumentierte Calmy-Rey.

Trotz dem Treffen der srilankischen Konfliktparteien in Bern hält sich die Euphorie von Botschafter Maurer in Grenzen. “Der Weg ist noch sehr weit. Ich habe nicht den Eindruck erhalten, dass wir in einem Schnellzug in Richtung einer endgültigen Einigung sitzen.”

Zum Abschluss der Konferenz überreichte das EDA beiden Parteien einen Schweizer Kugelschreiber. Damit sollen sie das Friedensabkommen einst unterzeichnen.

swissinfo, Hansjörg Bolliger

Unabhängig seit 1948
Drei Viertel der 19 Mio. Sri Lanker sind buddhistische und christliche Singhalesen
18% sind hinduistische und christliche Tamilen
seit 1983 kämpfen die Tamilen für einen eigenen Staat
65’000 Menschen fielen dem Konflikt zum Opfer
1,6 Mio. wurden aus ihren Häusern vertrieben
800’000 intern Vertriebene
Waffenstillstand Februar 2002
April 2003 Unterbrechung der Friedensgespräche

Im Dezember 2002 lebten 38’310 Personen aus Sri Lanka in der Schweiz.

Die Schweiz hat gemessen an der Bevölkerung die weltweit höchste Zahl an srilankischen Asylsuchenden.

Seit 25 Jahren unterstützt die Schweiz Programme der Humanitären Hilfe und der Entwicklungs-Zusammenarbeit in Sri Lanka.

2002 hat das EDA Programme in Humanitärer Hilfe, Entminung, Friedensförderung und Wiederaufbau in Sri Lanka mit fast 6 Mio. Franken unterstützt.

2003 sind dafür 7,5 Mio. Franken vorgesehen.

Im Bereich Humanitäre Hilfe liegt der Schwerpunkt auf Projekten zur sicheren Rückkehr von intern Vertriebenen.

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