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St.Petersburg jubiliert – vorerst ohne die Schweiz

Was seit langem überall angekündigt wurde, ist endlich da: St.Petersburg feiert seinen 300. Geburtstag. (Bild: Alexandra Stark) Alexandra Stark

Am Dienstag sind es genau 300 Jahre her, seit Peter der Grosse sein Lieblingsprojekt startete, den Bau von St. Petersburg.

Diese Woche finden die Jubiläumsfeierlichkeiten statt. Geladen sind rund 45 Staats-und Regierungschefs. Die offizielle Schweiz ist nicht dabei.

Bis zur letzten Sekunde liefen die Vorbereitungen auf das Mammut-Fest zum 300. Geburtstags von St.Petersburg. In den vergangenen Monaten gab es im historischen Zentrum der Stadt kaum ein Gebäude, das nicht eingerüstet war, kaum ein Trottoir, das nicht neu gepflastert, kaum ein Denkmal, das nicht auf Hochglanz poliert wurde.

Knapp 2.5 Milliarden Franken sind in den vergangenen Jahren für Renovationen der Jubilarin aufgewendet worden. Die Stadt zeigt sich nun – zumindest was die Fassaden anbelangt – in neuem Glanz.

Die atemberaubende Kulisse bekommen allerdings erst einmal die rund 45 Staats- und Regierungschefs zu sehen, die Ende der Woche der Einladung des russischen Präsidenten und berühmtesten Bürgers der Stadt, Wladimir Putin, folgen werden.

Die Schweiz ging unter

Nicht mit eingeladen ist die offizielle Schweiz. Ausgerechnet das Land, dessen Architekten beim Bau von Petersburg derart aktiv mitwirkten.

Die Entscheidung, die Schweiz nicht auf die Gästeliste zu setzen, habe nicht mit Problemen zwischen Russland und der Schweiz zu tun, hiess es von russischer Seite, sondern sei logistisch begründet. Denn eingeladen sind in erster Linie die EU-Länder, die Beitrittskandidaten, Norwegen, die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, die G8, China und Indien.

Wie man hört, bestand Brüssel vor allem darauf, die neuen EU-Länder ebenfalls dabeizuhaben. Dabei soll die Schweiz etwas zwischen Stuhl und Tisch gefallen sein, obschon sie mit diversen Veranstaltungen in St.Petersburg und der Schweiz aktiv an den Feierlichkeiten teilnimmt.

War Trezzini denn ein Italiener?

Pech für das Nicht-EU-Land Schweiz, dessen verdienstvoller Tessiner Architekt Domenico Trezzini, der für den Aufbau von Petersburg eine wichtige Rolle spielte, von vielen Russen eh für einen Italiener gehalten wird.

So wird gemäss Plan Bundespräsident Pascal Couchepin, am Montag noch auf der St. Petersinsel am Bielersee, am Dienstag nicht in St. Petersburg erwartet. Er trifft dafür am 9. Juli zu einem offiziellen Besuch ein. Dann finden in der Stadt auch die “Schweizer Tage” statt.

Diese Veranstaltungen widmen sich Themen wie Architektur und Wissenschaft, bei denen Schweizer Auswanderer wie der Basler Mathematiker Leonhard Euler oder der Architekt Trezzini für die Entwicklung der Stadt eine wichtige Rolle spielten.

Neben Konzerten, Ausstellungen, Treffen von Wirtschaftsvertretern und Risotto-Schmaus führt der Tessiner Architekt Mario Botta eine Konferenz durch und der Kanton Baselstadt organisiert ein wissenschaftliches Symposium.

Offizielle Geschenke: DVD, Buch, Bänke und Uhren

Erst dann, im Rahmen der “Schweizer Tage”, sollen auch die offiziellen Geschenke der Schweiz an die Jubilarin übergeben werden: Eine multimediale DVD-Produktion “Schweizer Baumeister an der Neva” des SRG-Unternehmens swissinfo/SRI, 26 Parkbänke – von jedem Kanton einen – für den Alexandrowskij-Park im Zentrum der Stadt, und ein Sammelband zur Migrationsforschung “Schweizer in St.Petersburg”.

Gemäss der “NZZ am Sonntag” hätten zwei Departemente, das Ministerium fürs Äussere und jenes für Volkswirtschaft, bereits 100 der bekannten Schweizer Bahnhofsuhren bestellt gehabt, als Geschenk für eine halbe Million Franken. In der Annahme, die Schweiz sei an der Eröffnungfeier am 27. Mai eingeladen. Rechtzeitig sei dann, die “NZZ am Sonntag” bezieht sich auf den Schweizer Botschafter in Moskau, Walter Fetscherin, ein Besuch auf hoher Ebene organisiert worden.

Rund 70 Schweizer leben in Petersburg

Unabhängig von der offiziellen Besuchslogistik war St.Petersburg vom ersten Tag an ein Magnet für Schweizer und ist es bis heute geblieben. Jährlich reisen tausende von Schweizern in das Venedig des Nordens. Viele als Touristen, einige für immer. Heute leben und arbeiten rund 70 Schweizer in St.Petersburg.

Nur wenige fallen so schnell auf wie Jean-Luc Hildebrand. Vor seinem italienischen Restaurant “La Strada” steht sein Auto, immer noch mit Thurgauer Nummerschildern bestückt, obschon er seit acht Jahren in St.Petersburg lebt.

Abgesehen vom Nummernschild, das er aus praktischen Gründen behalten hat, deutet nicht mehr viel auf seine alte Heimat hin. Hier fühlt sich der Unternehmer, der mit einer Russin verheiratet ist, zu Hause.

Nach einem Blick auf die Speisekarte ist man gar versucht zu sagen, Hildebrand sei selbst schon ein halber Russe: Er hat eigens für den lokalen Geschmack eine Pizza kreiert, die mit grossen Maionnaise-Klacksen versehen ist – wie er sagt “ein Hit!” unter seiner russischen Kundschaft.

Beziehungen wichtiger als Regeln

Während Hildebrand vom Potenzial schwärmt, das die überbordende Bürokratie zu ersticken droht, erzählt die Altdorfer Fotografin Heidi Moretti, die hin und wieder auf eine Tasse Kaffee bei Hildebrand vorbeischaut, vom speziellen Licht, das die Stadt in warme Farben taucht. Auch wenn nicht alles immer so reibungslos klappt wie in der Schweiz, schätzt sie in St.Petersburg, dass man sich gegenseitig in Ruhe lässt. “Das Zusammenleben basiert mehr auf Beziehungen als auf Regeln”, sagt sie.

Petersburger mit gemischten Gefühlen

Den Festivitäten schauen sie wie die meisten Petersburger mit gemischen Gefühlen entgegen, heisst es doch, die Bevölkerung werde der hohen Sicherheitsvorkehrungen wegen nicht viel von den offiziellen Feierlichkeiten haben.

Am 1. Juni reisen die Staatschefs wieder ab. Dann beginnen auch die “weissen Nächte”, wenn es nicht mehr dunkel wird. Die schönste Zeit in St. Petersburg brauchen sich die Petersburger dann nur noch mit den Touristen zu teilen.

swissinfo und Alexandra Stark, Moskau

Vom 24. Mai bis 1. Juni feiert die Stadt St.Petersburg ihren 300. Geburtstag.

42 Staats- und Regierungschefs nehmen im Rahmen der Feierlichkeiten am kommenden Wochenende am Weltgipfel teil.

Die offizielle Schweiz ist dazu nicht eingeladen. Doch ein offizieller Besuch von Bundespräsident Pascal Couchepin ist für den 9. Juli geplant.

Die Schweiz beteiligt sich mit verschiedenen Veranstaltungen in St.Petersburg und in der Schweiz an den Festivitäten.

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