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Schweizer Staatskasse einmal mehr übervoll – und es hagelt Kritik

Ueli Maurer
Verkündet lieber einen Überschuss von drei Milliarden Franken als ein Loch im Staatshaushalt von dieser Grösse: Finanzminister Ueli Maurer. © Keystone / Peter Klaunzer

Die Bundeskasse schliesst für letztes Jahr mit einem Überschuss von mehr als drei Milliarden Franken ab. Finanzminister Ueli Maurer hatte mit einem Plus von 300 Millionen Franken gerechnet. Viele Länder würden sich die Hände reiben. In der Schweiz aber setzt es Kritik ab.

Ueli Maurer und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) haben sich um die Kleinigkeit von 2,7 Milliarden Franken verschätzt. Wie ist das möglich? Können sie nicht rechnen?

Doch erst mal Gemach: Ein massiver Überschuss ist in der Schweiz die Regel, nicht die Ausnahme. In der Bundeskasse resultierten in den letzten Jahrzehnten oftmals grosse Überschüsse. 2018 passt da also bestens in Bild.

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Das Finanzdepartement hat sich in der Folge bemüht, die Diskrepanz zwischen Prognose (+295 Mio. Franken) und Realität (+3,029 Mrd. Franken) zu erklären.

Fehler bei der Einschätzung der Einnahmen seien unvermeidlich, weil die Entwicklung der Einnahmen ziemlich starken Schwankungen unterliege, heisst es in der Erklärung des EFD. Auf der anderen Seite seien die Ausgaben systematisch niedriger als die budgetierten Beträge, da die vom Parlament genehmigten Beträge nicht überschritten werden dürften. Die Quintessenz daraus: Die Verwaltung neige dazu, bei der Budgetierung zurückhaltend zu sein und die zugewiesenen Ressourcen sparsam einzusetzen.

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Vorwand für neue Schnitte?

Doch mit diesen Erklärungen geben sich nicht alle zufrieden. Wie schon in der Vergangenheit warfen mehrere Vertreter der Linken dem Finanzminister vor, den rechten Ideologen in die Hände zu spielen, die den Staat möglichst klein halten wollten. 

Durch die systematische Ankündigung von Haushaltsdefiziten oder niedrigen Gewinnen würde Maurer den neoliberalen Kräften einen Vorwand geben, um jedes Jahr Sparprogramme auch im Sozialbereich aufzulegen. Diese Kürzungen, so die Linke, seien aber angesichts der jährlichen Milliardenüberschüsse unnötig.

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Diese Kritik ist angesichts der Finanzlage, wie sie sich seit 2006 entwickelt, verständlich: Die Bundeskasse hat regelmässig mit Überschüssen abgeschlossen, die weit über budgetierten Zahlen lagen. Einzige Ausnahme war 2014: Damals verzeichnete der Bund ein geringes Defizit von 124 Millionen Franken.

Aber alle Kritik und ideologischen Kontroversen hin oder her: Alle Parteien begrüssen, dass der Bund dank der Überschüsse seine Schuldenlast reduzieren kann. Von 130 Milliarden Franken im Jahr 2005 ist die Verschuldung des Staats im Jahr 2018 auf unter 100 Milliarden Franken gesunken.

Die Schweiz ist damit eines der wenigen Länder in Europa, welche die “Konvergenzkriterien” des Maastrichter Vertrages erfüllen. Dieser verpflichtet die Mitglieder der Europäischen Union (EU, die Schweiz ist nicht Mitglied) unter anderem, die Staatsverschuldung auf weniger als 60% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu begrenzen.

Unter Berücksichtigung auch der Kantone, der Gemeinden und der Sozialversicherungen liegt die Gesamtverschuldung der Schweiz bei weniger als 30% des BIP und damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt von über 80%.

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Dieses relativ gute Handling der Staatsverschuldung aber kommt nicht von ungefähr. Die “gute Performance” der öffentlichen Mittel ist in erster Linie eine Folge der “Schuldenbremse”. 2001 hatte das Schweizer Stimmvolk an der Urne Ja gesagt zu einem Mechanismus, der die Entstehung struktureller finanzieller Ungleichgewichte verhindern soll.

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Und zwar so: In Jahren der Konjunkturabschwächung, also bei schlechter wirtschaftlicher Entwicklung, sind begrenzte Defizite erlaubt. In Jahren dagegen, wenn die Wirtschaft brummt, müssen Überschüsse zur Tilgung der Staatsverschuldung realisiert werden. 

Die so genannte Schuldenbremse ist in der Schweiz seit 2003 in Kraft. Seither schielt der eine Finanzminister und die andere Finanzministerin mit einer Prise heimlichen Neides auf die Schweiz.

Die Länder des Euroraums haben einen anderen Weg beschritten: Sie haben den in den 1990er-Jahren verabschiedeten Stabilitäts- und Wachstumspakt gelockert, dessen Ziel die Koordination der Finanzpolitik und die Vermeidung übermässiger öffentlicher Defizite war.

Die globale Finanzkrise 2008 zeigte jedoch die negativen Auswirkungen mangelnder Haushaltsdisziplin. Seit 2013 haben die Mitglieder der Eurozone daher die Mechanismen zur Kontrolle der öffentlichen Haushalte wieder verstärkt. Allerdings ist das Schuldenproblem in den meisten Ländern Europas und der Welt nach wie vor schwerwiegend.

(Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi)

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