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Gesucht: Politiker mit liberalem, europäischem Profil

Operation Libero Mitglieder jubeln, darunter eine Frau im pinken Mantel
Die Bewegung Operation Libero, insbesondere Flavia Kleiner – die Dame im rosa Mantel –, wurde vor zwei Jahren öffentlich bekannt, als sie sich gegen die Durchsetzungs-Initiative engagierte. Keystone/Lukas Lehmann

Eine Stellenanzeige in zwei führenden Schweizer Zeitungen hat Aufsehen erregt und für Erstaunen gesorgt. Eine politische Bewegung sucht aktiv nach Kandidaten und Kandidatinnen für die Parlamentswahlen im nächsten Jahr.

Die Annoncen in der renommierten Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) und in der französischsprachigen Zeitung Le Temps wurden von der Bewegung Operation LiberoExterner Link veröffentlicht.

Die überparteiliche Organisation versucht, potenzielle Kandidierende zu finden, die für Werte der politischen Offenheit und des Liberalismus stehen. Sie sucht Menschen, die gerne über Parteigrenzen hinweg über politische und soziale Reformen diskutieren.

Laut Sprecher Silvan Gisler ist die Operation Libero erfreut über die Resonanz auf die Anzeige, die am 19. Oktober veröffentlicht wurde. “Wir haben einige Reaktionen von Leuten erhalten, die Interesse gezeigt haben”, sagt Gisler.

Keine politische Partei

Gisler bestätigt, dass die Operation Libero keine Pläne hat, eine politische Partei zu werden. “Wir wollen keine bestehenden Parteien kannibalisieren”, erklärt er.

Stattdessen sucht die Bewegung nach Verbündeten, die ihre Ideen auf parlamentarischer Ebene einbringen und sie direkt in den politischen Prozess auf nationaler Ebene involvieren, in der Hoffnung, damit die derzeitige Blockade zu überwinden.

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“Das Parlament war in den ersten drei Jahren der laufenden Wahlperiode nicht in der Lage, die dringend notwendigen Reformen voranzutreiben”, sagt Gisler. Er verweist dabei indirekt auf gescheiterte Kompromissversuche in einer langjährigen Kontroverse über die zukünftigen Beziehungen zur Europäischen Union oder die Reformen der Altersvorsorge und der Unternehmenssteuer.

Laut Gisler wird die Operation Libero noch vor Ende des Jahres eine Bestandsaufnahme machen und über die nächsten Schritte entscheiden. “Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht viel mehr sagen. Aber unser Ansatz war und bleibt themenorientiert und nicht parteipolitisch”, sagt Gisler.

Offene Fragen

Die Zeitungsanzeige hat politische Beobachter und Analysten gleichermassen verwirrt. “Die Leute scheinen verunsichert zu sein über unseren Ansatz, der ausserhalb einer Parteistruktur liegt”, sagt Gisler.

Der Politologe Mark Balsiger vermutet, dass die Operation Libero im Hinblick auf die Parlamentswahlen 2019 eine Strategie entwickelt. “Vielleicht sondieren sie einfach einmal, wie gross das Interesse der Nationalrats-Kandidatinnen und -Kandidaten ist. Auf diese Weise konnten sie bereits ihre Kritik an den verlorenen Jahren in Sachen Europapolitik schon einmal platzieren.”

Für Balsiger bleibt offen, ob das Vorgehen der Operation Libero eine Abkehr von ihrem typischen politischen Ansatz ist. “Es ist nicht klar, was die Folgen wären, wenn sie ihre unparteiische Haltung aufgeben würden”, sagt er. “In den letzten vier Jahren hat sich die Operation Libero den Ruf eines starken unabhängigen Players und intelligenten Aktivisten erworben. Die Bewegung machte sich damit attraktiv für potenzielle neue Mitglieder und Spender.”

Andere Experten vermuten, erste Pläne der Bewegung, eigene Kandidaten aufzustellen, hätten andere Parteien aufgeschreckt. Insbesondere die Grünliberalen (eine Mitte-Partei), deren Sitze in städtischen Wahlkreisen leicht an die Kandidaten der Operation Libero verloren gehen könnten.

In diesem Sinne könnte die Suche nach Kandidaten ausserhalb des traditionellen Parteienspektrums eine Alternative sein. “Sollte es die Operation Libero schaffen, einzelne Kandidierende mit ihren Möglichkeiten gezielt zu fördern, ist das zweifellos ein Asset”, sagt Balsiger. “Wie hoch der Preis für ein solches Engagement wäre, ist offen. Immerhin ist es eine Abkehr vom sachpolitischen Engagement zur Unterstützung einzelner Kandidaturen.”  

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Eine Botschaft

Der erfahrene Politologe Claude Longchamp sieht in der Anzeige zum Teil einen cleveren PR-Stunt für die Operation Libero. Sie ermögliche der Bewegung, eine deutlich sichtbare Botschaft an die Öffentlichkeit zu richten. Eine gewisse Ironie sei nicht abzustreiten, dass die Bewegung, die als eine der ersten Social Media für ihre Kampagnen nutzte, nun auf Printwerbung zurückgreife.

Die Operation Libero wurde 2014 gegründet, nachdem das Schweizer Stimmvolk einer umstrittenen Volksinitiative zur Einführung von Einwanderungskontingenten zugestimmt hatte (“Masseneinwanderungs-Initiative“).

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Eines der führenden Mitglieder der Operation Libero, Flavia Kleiner, gewann im politischen Kampf gegen einen weiteren hartnäckigen Vorschlag der Schweizerischen Volkspartei zur Ausweisung verurteilter ausländischer Straftäter (“Durchsetzungs-Initiative“) vor zwei Jahren an Bedeutung.

Die Bewegung setzte sich für die Homo-Ehe ein und half erfolgreich, rechtsgerichtete Angriffe auf die Asylpolitik von Regierung und Parlament abzuwenden. Sie kämpfte auch gegen den Versuch, die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuschaffen.

(Übertragung aus dem Englischen: Sibilla Bondolfi)

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