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Steuerdebatte als Wahlkampfarena

CVP-Nationalrat Pierre Kohler hatte das Gefühl, an einer Wahlkampf-Veranstaltung zu sein. Keystone

20 Tage vor den eidgenössischen Wahlen haben die Parlamentarier ihre Forderungen zum Thema Steuern gestellt. Rund 50 Vorstösse befanden sich auf der Tagesordnung.

Am Ende dieser Marathondebatte beschlossen die Nationalräte aber nur Unternehmens-Steuersenkungen in Milliardenhöhe.

Diese ausserordentliche Session zu Steuerfragen behandelte die verschiedensten Fragen.

In der über vierstündigen Debatte brachten die Nationalräte 52 Vorstösse ein – Motionen und andere Postulate.

Wie bei diesem Dossier üblich waren die Positionen von der klassischen Rechts-Links-Konfrontation geprägt.

Die eine Seite verlangte Steuersenkungen, die andere eine Bremsung des fiskalischen Wettbewerbs und grössere Solidarität.

Keine Überraschungen

Vor einer Woche prophezeite die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) in einer Mitteilung, in dieser Session würden “die Masken fallen”. Das Stimmvolk könne sehen, wer sich für Steuergerechtigkeit einsetze und wer für Einzelinteressen.

Unter den (wenigen) Abgeordneten, die man in den Wandelhallen des Parlaments antraf, tönte es weniger optimistisch. In der Tat hat diese Session keine Überraschungen gebracht, sind doch die einzelnen Positionen schon seit langem bekannt.

“Die Debatte ist ziemlich vorgespurt, man weiss bereits, wer was sagen wird”, sagte Yvan Perrin, Vizepräsident der Christlichdemokratischen Partei (CVP). “Es ist lediglich eine externe Scheindebatte, drei Wochen vor den nationalen Wahlen.”

Nur ein Vorstoss angenommen

Die extremsten von Parlamentariern eingebrachten Vorstösse wurden abgelehnt. Auf der rechten Seite forderte die rechtsbürgerliche Schweizerische Volkspartei (SVP), welche diese Sonder-Session verlangt hatte, die Mehrwertsteuer ab 2010 um 1% zu senken.

Die SVP konnte ausserhalb ihrer eigenen Reihen jedoch kaum überzeugen. Ihr Vorschlag wurde mit 125 gegen 54 Stimmen abgeschmettert. Die anderen Parteien folgten der Argumentation von Finanzminister Hans-Rudolf Merz, ein solcher Abbau bedeute für den Bund einen Einnahmenrückgang von über 3 Mrd. Franken, ohne dass die Konsumenten eine Entlastung spüren würden.

Auch die bürgerliche Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) kam mit ihrem Vorschlag nicht durch. Sie scheiterte mit ihrer grossen Vision für ein einfacheres Steuersystem, die “Swiss Easy Tax”, die mit 102 gegen 43 Stimmen abgelehnt wurde. Damit wäre ab einem bestimmten Einkommen eine einheitliche Steuerquote geschaffen worden, und die Steuererklärung hätte sich leichter ausfüllen lassen.

Die Linke präsentierte eine ganze Reihe von Vorschlägen, die sich gegen den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen und gegen Steuerprivilegien richteten. Alle Vorstösse wurden von der bürgerlichen Mehrheit des Nationalrates abgelehnt.

Ein einziger SVP-Vorstoss wurde mit 98 gegen 80 Stimmen angenommen. Danach soll die Gewinnsteuersatz für Unternehmen von 8,5 auf 5% gesenkt werden. Die Linke und der Finanzminister hatten sich vergeblich gegen dieses Projekt gewehrt, das dem Bund Einnahmenausfälle von rund 3,7 Mrd. Franken bescheren wird. Die angenommene Motion muss nun in einen Gesetzesentwurf umgewandelt werden.

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Eine Debatte für nichts?

Ein einziger akzeptierter Antrag erweckt den Eindruck, der Berg habe eine Maus geboren, hat die halbtägige Debatte doch zu wenig Konkretem geführt.

Dies betrübt CVP-Nationalrat Pierre Kohler: “Heute habe ich eher den Eindruck, man befinde sich auf einer politischen Wahltribüne, statt sich mit dem Thema Steuern gründlich auseinanderzusetzen.”

Der Kommunist Joseph Zisyadis sagte: “Diese Debatte ist komplett ins Wasser gefallen. Sie wird keine Folgen haben. Es handelt sich nur um eine Liquidation parlamentarischer Vorstösse, die sich schon seit langem in der Pipeline befanden.”

Also eine Debatte für nichts? “Eine Debatte ist nie für nichts, aber heute hatte man den Eindruck, dass mehr angesichts der eidgenössischen Wahlen politisiert wurde als um Lösungen zu finden, die den Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen”, schliesst Pierre Kohler.

swissinfo, Olivier Pauchard
(Übertragung aus dem Französischen: Etienne Strebel)

Parallel zum Nationalrat führte auch der Ständerat (Kantonsvertretung) eine ausserordentliche Steuerdebatte durch.

Mit 30 gegen 6 Stimmen gingen die Kantonsvertreter zum zweiten Mal in Folge nicht auf eine Vorlage ein, die auf eine Steuerbefreiung der Ärmsten abzielt.

Der Text hätte es den Kantonen (zuständig für die Erhebung der Steuern) überlassen, die neuen Regelungen umzusetzen. Sie wären auch frei gewesen, die Einkommensgrenze für Steuerbefreiung festzusetzen.

Diese Zusicherungen reichten jedoch nicht aus. 17 Kantone hatten sich in der Vernehmlassung gegen dieses Projekt ausgesprochen; sie taxierten es als überflüssig oder schwierig anzuwenden.

Die derzeitige Praxis ist sehr unterschiedlich. Einige Kantone besteuern bereits bescheidene Einkommen, während andere viel weiter oben beginnen.

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