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Steuerkonflikt: Schweizer in den USA frustriert

Der Steuerkonflikt wirkt sich auf das tägliche Leben der 75'252 in den USA lebenden Schweizer aus. Keystone

Die Schweizer Banken wollen das Risiko nicht mehr eingehen, amerikanische Kunden aufzunehmen – oder dann nur noch unter sehr restriktiven Bedingungen. Dasselbe gilt für die in den USA lebenden Schweizer, die darüber verärgert sind.

“Ich lebe seit vier Jahren in den USA, und Ende 2011 hat mir die Zürcher Kantonalbank mitgeteilt, dass sämtliche meine Konten annulliert worden seien. Was nun? Wie sollen meine Kunden mich bezahlen?”

“Ich kann meine Zahlungen nicht mehr via Internet machen. Ob es bei einer Schweizer oder einer US-Bank ist, ein Konto zu eröffnen ist quasi unmöglich. Man muss Dutzende von Formularen ausfüllen, und es kommt viel zu teuer, weil man für jede Transaktion Gebühren bezahlen muss.”

Das sind Aussagen in einer Diskussion auf swisscommunity.org, der Plattform der Auslandschweizer.

Oder ein Expat in Argentinien, der sich über Diskriminierung beklagt: “Der Druck der USA verursacht erhöhte Restriktionen für alle Kunden von Schweizer Banken im Ausland, aus politischen und wirtschaftlichen Gründen.”

“Ein Skandal”

Die Optionen verschliessen sich eine nach der anderen, und die Auslandschweizer sind frustriert. “Es ist ein Skandal, und ich kann es gut begreifen, dass dies so viele Emotionen auslöst”, sagt Martin Naville, Vorsitzender der Schweizerisch-amerikanischen Handelskammer, gegenüber swissinfo.ch.

Er weist allerdings darauf hin, dass man unterscheiden müsse zwischen Vermögenskonten und Konten für gängige Transaktionen, die von Leuten benutzt werden, die zum Beispiel Familienangehörige, eine Wohnung, eine Hypothek oder einen Verein in der Schweiz haben.

“Ein Geschäftskonto bietet keine Möglichkeit für Steuerflucht”, betont Naville. “Mit der Schliessung solcher Konten bestrafen die Banken völlig unschuldige Kunden und manifestieren damit eine übertriebene Vorsicht.”

Für die Auslandschweizer-Organisation (ASO) sind die immer höheren Verwaltungsgebühren der Banken “ein reelles Problem. Wir erhalten Klagen von Leuten, die nicht mehr wissen, wo sie ihr Geld zu vernünftigen Bedingungen platzieren sollen. Ausserdem ist das eine Diskriminierung der Schweizer aus der Schweiz”, sagt Sarah Mastantuoni vom Rechtsdienst der ASO.

Die Dinge begannen sich zu komplizieren, als die UBS gezwungen wurde, ihre Offshore-Aktivitäten in den USA einzustellen. Die Spannung stieg weiter mit der überraschenden Anklage der US-Justiz gegen die Bank Wegelin, die gar keine Übersee-Filiale hatte.

Und jetzt kündigte sogar Raiffeisen, eine Retailbank, die hauptsächlich in der Schweiz aktiv ist, die Schliessung aller Konten von Kunden aus den USA an. Alain Girardin, Raiffeisen-Direktor für die französisch-sprachige Schweiz, sagt gegenüber swissinfo.ch, auf 3,5 Millionen Genossenschafter seien 0,01% in den USA ansässig. “Dabei handelt es sich um Kunden, die enge persönliche Beziehungen zur Schweiz haben.”

Als Amerikaner angesehen

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) bestätigt, dass die administrativen Zwänge stark zugenommen hätten. Seit den Terroranschlägen in New York von 2001 gäbe es vermehrt Reglementierungen und Formulare gegen Terrorismus, ausländische Potentaten, Geldwäscherei usw.

Der Prozess habe sich mit dem Steuerstreit beschleunigt. “Die administrativen Forderungen haben in allen Ländern zugenommen, die dem Steuerbetrug den Krieg erklärt haben und versuchen, versteckte Gelder einzutreiben. Die Mentalität der Öffentlichkeit hat sich verändert, der Steuerbetrüger ist nicht mehr eine Art Held, sondern ein gewöhnlicher Krimineller”, sagt SBVg-Sprecherin Rebecca Garcia gegenüber swissinfo.ch.

“Das ist ein echtes Problem für die in den USA wohnhaften Schweizer, aber man kann nichts machen. Nach vier Monaten Aufenthalt in den USA werden sie als volle amerikanische Staatsbürger angesehen.”

Keine einfache Lösung

Die Schweiz könne die amerikanischen Behörden noch so sehr auf ihre Bedenken aufmerksam machen, sie sei einfach machtlos, sagt Roland Meier, Sprecher des Eidgenössischen Finanzdepartementes (EFD), gegenüber swissinfo.ch.

“Der Entscheid, ob man Kunden behalten will oder nicht, steht den Banken zu. Die administrativen Forderungen, um bei den US-Steuerbehörden jeden Verdacht zu beseitigen, kosten derart viel, dass viele Leute auf die Eröffnung eines Kontos verzichten.”

Meier weist auf die von der Postfinance angebotene Alternative für den Zahlungsverkehr hin. Diese enthalte jedoch die gleichen Forderungen im Bereich Sicherheit und Gebühren wie irgendwelche Bank.

“Die Kunden müssen bescheinigen können, dass sie Steuern für die zu transferierenden Gelder bezahlt haben”, sagt Alex Rosty, Kommunikationschef von Postfinance. Er will keine Zahlen nennen, hat aber “keine namhafte Zunahme der Anzahl Konto-Eröffnungen von Schweizern feststellen können, die in den USA residieren”.

Für Martin Naville von der Schweizerisch-amerikanischen Handelskammer gibt es keine einfache Lösung. “Gewisse Banken bieten begrenzte und spezifische Dienste an, zum Beispiel für junge Studierende oder Arbeiter, die sich lediglich zwei oder drei Jahre in den USA aufhalten.”

Übrig bleibe eine eigene “Lösung”: Zum Beispiel wenn eine in den USA lebende Schweizer Person ein Domizil bei einem Bekannten in der Schweiz errichte und diesen damit beauftrage, ihr Bankkonto zu verwalten, so Naville. Dies allerdings mit dem Risiko, sich in der Illegalität wiederzufinden und sich vor allem das Leben schwer zu machen.

In der Schweiz gibt es rund 400 Banken. Die drei grössten sind UBS, Credit Suisse und Raiffeisen.

Jede in der Schweiz oder im Ausland domizilierte erwachsene Person oder jedes Unternehmen kann ein Bankkonto in der Schweiz eröffnen. Dabei gilt es, die im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr geltenden Gesetzgebungen des Heimatstaates einzuhalten. Die Banken behalten sich ausserdem das Recht vor, Kunden abzulehnen.

Unabhängig vom Aufenthaltsland des Kunden muss die Bank dessen Identität verifizieren (z.B. anhand des Passes, der Identitätskarte, des Fahrausweises). Es existiert ein Prozedere zur Eröffnung eines Kontos auf dem Korrespondenzweg. Eine Konto-Eröffnung ausschliesslich über das Internet ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

Die Bank kann eine Bescheinigung der Herkunft der Gelder verlangen, wie z.B. einen Kaufvertrag oder Bankreferenzen.

Das Verfahren zur Eröffnung eines Nummernkontos ist exakt dasselbe wie bei allen anderen Konten.

(Quelle: Schweizerische Bankiervereinigung)

(Übertragen aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

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