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Wie Play Suisse Wellen schlägt

Max Borg

Seit einem guten Jahr existiert Play Suisse als Streaming-Plattform der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG. Inzwischen ist Play Suisse zu einem wichtigen Player in der Schweizer Digitallandschaft geworden und hat Streaming-Plattformen wie Disney+ und Amazon Prime Video überholt.

Am 7. November 2020 hatte die SRG SSR ihre Streaming-Plattform Play Suisse lanciert. Das Angebot konnte kürzlich seinen ersten Geburtstag feiernExterner Link. Anlässlich dieses Jubiläums hat die SRG als Muttergesellschaft, zu der auch swissinfo.ch gehört, eine Nutzerstatistik veröffentlicht. Sie basiert auf internen Daten und Drittstudien von Digimonitor, einem Unternehmen, das die digitalen Gewohnheiten der Bevölkerung erfasst und auswertet.

Die Ende August publizierte Studie von DigimonitorExterner Link zur Mediennutzung in der Schweiz zeigt, dass Play Suisse viele Zuschauer:innen gewinnen konnteExterner Link, ein starkes Wachstum verzeichnet und zur zweit-meistgeschauten Streaming-Plattform der Schweiz avanciert ist.

Gemäss dieser Erhebung sieht die Rangfolge der Streaming-Dienste wie folgt aus: Netflix wird von 42% der Schweizer Bevölkerung genutzt, gefolgt von Play Suisse (10,2%), Disney+ (9,7%), Apple TV+ (4,8%) und Amazon Prime Video (4,5%).

Die Streaming-Landschaft wird in einigen Monaten noch stärker aufgesplittert sein. Dann werden Paramount+ und Peacock in den europäischen Markt eintreten. Beide werden in der Schweiz über Sky verfügbar sein. Peacock befindet sich im Besitz von NBC Universal.

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Die dominierende Marktposition von Netflix unter den Streaming-Plattformen überrascht nicht: Netflix ist seit September 2014 in der Schweiz verfügbar und hat wohl das richtige Gleichgewicht zwischen Eigenproduktionen und älteren Filmen gefunden. Die tägliche Top-10-Liste zeigt die beliebtesten Filme der Zuschauer:innen auf. Diese kombinieren in der Regel Neuerscheinungen mit (etwas) älteren Titeln.

Aktuell ist in dieser Liste etwa die Komödie “Central Intelligence” aus dem Jahr 2016 zu finden, was wahrscheinlich auf den Erfolg des jüngsten Films “Red Notice” zurückzuführen ist, in dem ebenfalls Rawson Marshall Thurber die Regie führte und Dwayne “The Rock” Johnson die Hauptrolle spielt.

Netflix weist wirklich globale Züge auf, mit Originalproduktionen aus den USA (“Stranger Things”), Südkorea (“Squid Game”), Deutschland (“Dark”) sowie weiteren Ländern.

Netflix machte an der jüngsten Ausgabe des Geneva Digital Market im Rahmen des Geneva International Film FestivalExterner Link deutlich, dass seine Abteilung für Deutschland, Österreich und die Schweiz (DACH-Division) sehr daran interessiert sei, Geschichten aus der Schweiz zu entwickeln oder einzukaufen. Eine Erweiterung des Angebots mit bereits existierenden Schweizer Filmen und Serien steht jedoch nicht zur Debatte. Denn dieses Segment wird bereits von Play Suisse abgedeckt.

Play Suisse als “Video-Boutique”

Die vor einem guten Jahr lancierte SRG-Streaming-Plattform Play Suisse verfügt über 2700 katalogisierte Titel. Ziel ist es, durch die Zusammenführung von Filmen, Serien und Dokumentationen ein Zuhause für Schweizer Geschichten zu werden.

Die besten Schweizer Spiel- und Dokumentarfilme sowie Fernsehsendungen sollen landesweit zugänglich gemacht werden, und zwar mit Untertiteln in allen Amtssprachen (Deutsch, Französisch und Italienisch). Zudem gibt es einen Bonus. Dieser erlaubt es Zuschauer:innen, eine ganze Staffel streamen zu können, sobald die erste Folge in der jeweiligen Sprachregion ausgestrahlt wurde.

Es lässt sich von einer “Video-Boutique” sprechen, da sich Play Suisse an eine ganz bestimmte Zielgruppe wendet und gewisse Einschränkungen aufweist – wegen den Urheberrechten ist die internationale Verfügbarkeit der Plattform auf Personen mit einer Schweizer Telefonnummer und Postleitzahl beschränkt. Play Suisse ist kostenlos, was diesem Dienst einen Vorteil gegenüber anderen, kostenpflichtigen Streaming-Plattformen verschafft.

Play Suisse auuf einem Tablet
Auswahl-Menu von Play Suisse: Die Streaming-Plattform des Schweizer Radios- und Fernsehens ist kostenlos und allen in der Schweiz wohnhaften Personen zugänglich. Alexandra Wey/Keystone

Apropos Kosten. Der Preis allein ist nicht ausschlaggebend für die deutlich bessere Marktposition von Netflix gegenüber den Streaming-Plattformen von Apple und Amazon. Beide gehören zu den gleichnamigen grösseren Unternehmen, die im Gegensatz zu Netflix nicht ausschliesslich auf Streaming-Abos setzen.

Besonders Amazon Prime Video wird häufig für seine wenig benutzerfreundliche Bedienoberfläche kritisiert. Zudem leidet dieser Dienst darunter, dass es in einigen Ländern eine gewisse Überschneidung mit Netflix gibt (weniger in den USA, da beide Streaming-Plattformen dazu neigen, Exklusivverträge für Drittanbieterinhalte wie die Sitcom “Seinfeld” oder die Comedy-Serie “The Office” abzuschiessen).

Amazon Prime Video ist weltweit seit Dezember 2016 verfügbar. Es hat eine grössere Auswahl als Netflix, wenn es um ältere Filme geht (Erscheinungsjahr vor 1990 oder 2000). Doch in Ländern, in denen Synchronisationen üblich sind, gibt es einen grossen Nachteil: Je nach Titel und Copyright können Nutzer:innen nur auf die synchronisierte Version zugreifen (in der Schweiz auf Deutsch, Italienisch oder Französisch) und müssen daher andere Dienste nutzen, wenn sie die untertitelte Originalversion schauen wollen.

Apple TV+ ging im November 2019 an den Start. Der grösste Nachteil dieser Plattform ist der Ansatz “Qualität vor Quantität”: Die angebotenen Originaltitel sind zwar bei Kritikern und Zuschauer:innen in der Regel sehr beliebt, aber ihre Anzahl ist beschränkt. Daher rechtfertigt es sich kaum, für dieses Angebot einen eigenen Bezahldienst zu abonnieren.

Und abgesehen von einigen ausgewählten Titeln, die an Eigenproduktionen gebunden sind (etwa Neuauflagen der Kinderserie “Fraggle Rock” und die Staffel “Peanuts”), verfügt Apple TV+ über wenig filmisches Archivmaterial.

Eine technische Hürde besteht zudem darin, dass der Zugriff auf diesen Streaming-Dienst im Rahmen der Apple TV-App auf Apple-Produkte beschränkt ist, während alle anderen Plattformen auf einer Vielzahl von Geräten genutzt werden können.

Und dann gibt es noch Disney+, das im März 2020 in Europa in den Markt eintrat. Experten zufolge dürfte diese Plattform bis 2027 die Gesamtzahl der Abonnenten von Netflix übertreffen (im November 2021 zählt Disney+ weltweit 118 Millionen aktive Nutzer:innen, während Netflix auf 214 Millionen kommt. Amazon Prime Video liegt mit 175 Millionen dazwischen, und Apple TV+ folgt mit weniger als 20 Millionen).

In der Schweiz zählt Disney+ derzeit 650’000 Nutzerinnen und Nutzer (mehr als Apple und Amazon zusammen). Die Beliebtheit von Disney+ lässt sich leicht durch die Natur des Disney-Konzerns selbst erklären. Disney ist ein zuverlässiger Anbieter von familienfreundlichen Filmen und Serien.

Dieser familienfreundliche Ruf dürfte aber auch ein gewisser Nachteil gewesen sein. Zumindest lässt sich dies aus der kürzlichen Einführung eines “Star”-Kanals bei Disney+ schliessen, der sich an Erwachsene richtet.

Darüber hinaus bedeutet Disneys kulturelle Allgegenwart, dass die meisten der hochkarätigen Titel von den Durchschnittszuschauer:innen wahrscheinlich schon gesehen wurden. Die interessantesten Eigenproduktionen finden sich hauptsächlich in Zusammenhang mit der “Marvel”-Superheldenreihe und der “Star Wars”-Saga. Das bedeutet umgekehrt, dass es für all jene, die keine Fans dieser beiden Serien sind, kaum Anreize gibt, sich an diesen Streaming-Dienst zu abonnieren.

Zwei Dienste zum Preis von einem

Zurück zu Play Suisse, einer Streaming-Plattform, die alle Voraussetzungen erfüllt, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben: Ihr Angebot überschneidet sich kaum mit anderen Streaming-Plattformen in der Schweiz (ausgewählte Schweizer Filme sind auf Apple TV+ verfügbar, aber nur zum Verleih/Kauf).

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Die angebotenen Titel richten sich zudem an ein breites Publikum und können in allen möglichen Versionen geschaut werden (Originalversionen mit Untertiteln und synchronisierte Versionen in den jeweiligen Landessprachen, falls verfügbar).

Es liegt auf der Hand, dass Play Suisse ähnliche Zahlen wie Netflix (2,8 Millionen Nutzer:innen) erreichen könnte, indem es das anbietet, was Netflix nicht anbietet: Ein umfangreiches Sortiment von Schweizer Spielfilmen, Fernsehsendungen und Dokumentarfilmen. Play Suisse beabsichtigt allerdings nicht, Eigenproduktionen herzustellen, die direkt für das Streaming bestimmt sind und nicht im Fernsehen gezeigt werden.

Umgekehrt will Netflix Schweizer Originalproduktionen in sein Angebot aufnehmen. Dabei soll als Kriterium für die Aufnahme gelten, dass diese Schweizer Produktionen Aspekte beinhalten, die ein weltweites Publikum ansprechen.

Das umfangreiche “Bibliotheksangebot” bleibt der SRG überlassen. Die beiden Plattformen – Netflix und Suisse Play – werden sich gegenseitig ergänzen und den grössten Teil der Zuschauerinteressen abdecken. Buchstäblich zwei Dienste für den Preis von einem (da Play Suisse kostenlos ist).

(Übertragung aus dem Englischen: Gerhard Lob)

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich die des Autors und spiegeln nicht unbedingt die Meinung von SWI swissinfo.ch wider.

(Übertragung aus dem Englischen: Gerhard Lob)

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