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Studie über kindliche Psyche unter Beschuss

Die Studie wird 3000 Kinder vom Fötus bis ins Erwachsenenalter untersuchen. Keystone

Einem Nationalfonds-Projekt, das psychische Störungen mit Hilfe von Föten und Kleinkindern untersuchen will, soll die Unterstützung entzogen werden.

Dies verlangt eine Basler Organisation. Auch ein Mitglied der Nationalen Ethik-Kommission meldet Kritik an.

Die Studie SESAM des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) wird Daten von 3000 Kindern zur Untersuchung von psychischen Störungen erheben.

Der “Basler Appell gegen die Gentechnologie” und die Nationale Ethik-Kommission kritisieren die Studie, da Ungeborene und Kleinkinder keine Einwilligung dazu geben könnten. Der Nationalfonds weist die Kritik zurück und sagt, es sei noch zu früh, darüber zu richten.

“Was ich über das Projekt gelesen habe, stimmt mich skeptisch”, bestätigte Carola Meier-Seethaler, Mitglied der Nationalen Ethik-Kommission (NEK), einen Bericht der “Berner Zeitung” vom Donnerstag. “Ich finde es gefährlich, einen Fötus von drei Monaten bis ins Alter von 20 Jahren als Versuchsperson zu nehmen.”

Ungefragt als Versuchsperson

Bis ins Jugendalter könnten die Kinder kein Einverständnis zu ihrem Status als Versuchspersonen geben, sagte Meier-Seethaler.

Den gleichen Einwand hat auch der Verein “Basler Appell gegen Gentechnologie” gegenüber der im Auftrag des Bundes lancierten Studie.

Der Artikel 119 der Bundesverfassung schreibe vor, dass das Erbgut einer Person nur untersucht werden dürfe, wenn die betroffene Person zustimme. Dies sei bei Kindern nicht der Fall, sagte Pascale Steck, Geschäftsführerin des Vereins.

Gegenüber swissinfo führte Steck auch Datenschutz-Argumente ins Feld: “Wir wissen nicht, wer in Zukunft zu diesen Daten Zutritt haben wird, und das ist beunruhigend. Es ist sehr wichtig, dass diese Art von Daten gut geschützt ist.”

Kein Blankoscheck für Forscher

Dem Schweizerischen Nationalfonds werfen Meier-Seethaler und der “Basler Appell” vor, vor der Bewilligung der 10,2 Millionen Franken Bundesgelder keine Ethik-Kommission eingeschaltet zu haben.

Philippe Trinchan, Kommunikationschef des Nationalfonds, weist diese Vorwürfe zurück: “Es handelt sich hier um ein grosses Missverständnis. Die Forscher erhalten vom Nationalfonds keinen Blankoscheck.”

Das Projekt sei in einer ersten Voranalyse bewilligt worden. Nun würden die einzelnen Teilprogramme von einem Forschungsteam an der Universität Basel ausgearbeitet.

“Jedes Teilprojekt wird später den zuständigen lokalen Ethik-Kommissionen vorgelegt”, sagte Trinchan. Erst dann bewillige der Nationalfonds die Bundesgelder definitiv.

Gerade dieses Vorgehen kritisiert Meier-Seethaler. Die Nationale Ethik-Kommission werde vor vollendete Tatsachen gestellt. “Das Projekt ist von nationaler Bedeutung.”

Ihrer Meinung nach hätte es daher zum “demokratischen Anstand” gehört, die NEK schon früher einzubeziehen.

Psychisches Wohl der Schweiz stärken

Das Projekt SESAM (swiss etiological study of adjustment and mental health – Schweizerische ätiologische Studie zur psychischen Gesundheit) begleitet die 3000 Kinder mit ihren Eltern und Grosseltern während 20 Jahren, vom Fötusstadium des Kindes bis ins junge Erwachsenenalter.

Ziel des Projektes ist es, Ursachen seelischer Störungen, die zu mangelnder Anpassung in der Gesellschaft führen, zu verstehen. Die Untersuchung solle das psychische Wohl der künftigen Generationen nachhaltig stärken, heisst es in einem Projektporträt auf der Homepage des SNF.

Für das Projekt wurden bis 2009 Bundesgelder in der Höhe von 10,2 Mio. Franken bewilligt. Der offizielle Start des Projekts ist am 1. Oktober 2005.

swissinfo und Agenturen

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) unterstützt eine auf 20 Jahre angelegte Studie zur psychischen Gesundheit.

Das Projekt untersucht genetische, umweltbedingte, psychologische, soziale und biologische Risikofaktoren und will die Wurzeln von psychischen Krankheiten erkunden.

Die Vereinigung “Basler Appell gegen Gentechnologie” verlangt, die Unterstützung für das Projekt sei auszusetzen.

Die Gruppe wendet sich dagegen, dass die genetische Verfassung von 3000 Kindern von der 12. Woche der Schwangerschaft bis zum Erwachsenalter untersucht wird.

Auch die Nationale Ethik-Kommission meldet Bedenken an.

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