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Das Internet in der Tasche

Keystone

Wo auch immer: Es wird gesurft. Der mobile Zugang zum Internet wird für viele in der Schweiz immer selbstverständlicher. Die grösseren Datenmengen bedingen aber einen stetigen Ausbau der Netze. Weltweit hat Ostasien die Nase vorn, Afrika holt auf.

Die Entwicklung des Zugangs zum Internet von unterwegs verläuft rasant. Weil die Statistiken von der Entwicklung überrollt werden, ist es praktisch unmöglich, genaue Vergleichszahlen zu finden.

“Wir verzeichnen eine sehr markante Zunahme im mobilen Internet”, sagt Carsten Roetz, Mediensprecher von Swisscom, dem grössten Telekom-Anbieter der Schweiz. “Das Datenvolumen im mobilen Internet verdoppelt sich heute immer noch alle 16 Monate.”

Auch Kathrin Kissau, Studienleiterin bei NET-Metrix, jener Branchenorganisation, die für die Online-Medien in der Schweiz halbjährlich Untersuchungen zur Internet-Nutzung durchführt, ist jedes Mal wieder erstaunt, wenn sie neue Zahlen zur mobilen Internet-Nutzung auf ihrem Pult hat.

“Wenn wir ganz aktuelle Zahlen bei uns betrachten, rechnen wir damit, dass in der Schweiz vielleicht schon Ende dieses Jahres oder nächstes Jahr die mobile Internet-Nutzung die stationäre überholt”, sagt die Kommunikations- und Politikwissenschafterin.

Die Forschungsabteilung der US-Bank Morgan Stanley schätzt, dass dies auch weltweit innerhalb des nächsten Jahres geschehen wird. Google verzeichnet bereits mehr als ein Drittel aller Suchanfragen von mobilen Geräten. Von mobilem Internet spricht man dann, wenn dieser über ein Telekommunikationsnetz geschieht. Stationärer Zugang kann auch über ein drahtloses lokales Netzwerk geschehen.

Internet setzt sich durch

“Das Internet hat sich durchgesetzt. Dass man dieses auch mobil nutzt, wenn es technisch möglich ist, scheint mir sehr natürlich”, sagt Bernhard Plattner, der selber mehrere Smartphones benutzt.

Er könne so die Zeit besser nutzen, betont der Professor für technische Informatik und Kommunikationsnetze an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ). Der Schweizer Internet-Pionier gilt als “Vater” der Website-Endung “.ch”. Er ist oft unterwegs und nutzt diese Zeit, um beispielsweise seine E-Mails zu sortieren.

Für ihn ist klar, dass die Entwicklung zum mobilen Zugang weiter voranschreiten und sich noch verstärken wird. “Der Absatz von PCs hat sich im Lauf der Zeit zu Gunsten der Laptops verlagert. Und jetzt sieht man eine Verlagerung von Laptops zu Tablets oder Smartphones.”

Run auf Smartphones

Gemäss dem Vergleichsdienst Comparis besitzt jeder zweite Schweizer, jede zweite Schweizerin ein internetfähiges Mobiltelefon. Unter Jugendlichen sind es sogar vier von fünf.

Laut NET-Metrix sind heute 2,2 Millionen Schweizerinnen und Schweizer “im Tram, beim Spazierengehen, in Cafés oder auf der Parkbank” ständig online. Und gemäss der neusten Untersuchung nutzen bereits knapp 3 Millionen Personen ihr Smartphone und dreiviertel Millionen ein Tablet zum Surfen im Internet.

Roetz schätzt, dass dieser Anteil sogar noch um einiges höher ist. Swisscom allein hat gemäss den ersten Halbjahreszahlen 2012 6,1 Millionen Mobilfunkkunden, wovon fast die Hälfte ein Smartphone besitzt. “Und fast 70% der aktuell verkauften Geräte sind Smartphones”, betont er. Dazu kämen noch rund 600’000 Datenkarten, mit denen mobil gesurft werden kann.

Neue Netzgeneration

Weil “die Kunden erwarten, dass das mobile Internet überall mit hoher Geschwindigkeit funktioniert”, müssten die Netze permanent ausgebaut werden, sagt Roetz.

Vor der Tür steht nun der Schritt zum 4G-Netz (4. Generation/LTE), das bessere Datentransfers erlauben soll. Gegenwärtig laufen bei Swisscom Pilotversuche. “Die Frequenzen wurden erst in diesem Frühjahr vergeben”, so Roetz. Bis Jahresende will Swisscom 12 Städte mit 4G versorgen, dann soll das Netz sukzessive weiter ausgebaut werden.

Schweden ist in Europa in Sachen mobiles Breitband mit 4G führend. In Asien sind es Südkorea und Singapur. Laut der Internationalen Fernmelde-Union (ITU) wurden in diesen zwei Ländern bereits Ende 2011 mehr mobile Breitband-Abonnemente verkauft, als diese Einwohner zählen.

In Südkorea sei bereits das gesamte Land mit der neusten Technologie überzogen, sagt Dongkee Lee, Spezialist für Netzwerk-Technologie. Alle Mobiltelefonie-Anbieter seien mit an Bord. “Wir können praktisch von überall ins Internet; in der U-Bahn, am Strand oder auf kleinsten Inseln”, sagt er. In Südkorea seien bereits 6 von 10 Mobiltelefonen Smartphones.

Entwicklungssprünge

Was in Südkorea heute Alltag ist, war in Japan bereits im letzten Jahrzehnt möglich, dank einem eigenen System (PDC). Mit dem Handy, in Japan “Keitai” genannt, konnte per E-Mail über das Internet kommuniziert werden. Lange Zeit galt das Land daher als Vorreiter in Sachen mobile Datenkommunikation.

“Während der Rest der Welt eine Festnetz-Verbindung fürs Internet daheim anschaffte, kauften die Japaner Mobiltelefone, weil man damit von unterwegs ins Internet gehen konnte”, sagt Ashiq Khan von den Eurolabs des japanischen Telekom-Riesen NTT DOCOMO. Der Mobiltelefonie-Spezialist lebte während 11 Jahren in Japan.

“Grundsätzlich muss man nicht unbedingt davon ausgehen, dass sich mobile und stationäre Internet-Nutzung parallel entwickeln”, kommentiert Kissau. “Es kann auch komplementär sein, wie man in manchen afrikanischen oder asiatischen Ländern sieht.”

Sie spricht dabei den Quantensprung an, bei dem eine oder mehrere Technologien übersprungen werden, wie dies gegenwärtig in Afrika beobachtet wird. Vielerorts wird dort gleich das mobile Internet eingeführt und auf Telefon oder Computer verzichtet.

“Eine drahtlose Infrastruktur ist billiger. Es braucht nicht Leitungen bis an jeden Endpunkt”, sagt Plattner. Zudem würden auch Smartphones immer preiswerter. Laut Kissau haben “alle ein Smartphone, weil das einfacher zu organisieren oder mit Strom zu versorgen ist”.

Gemäss der ITU waren Ende 2011 bereits in 105 Ländern mehr Mobiltelefone im Gebrauch, als diese Einwohner zählten. Dazu gehören auch die afrikanischen Länder Botswana, Gabun, Namibia, Seychellen und Südafrika.

Dass damit auch immer häufiger im Internet gesurft wird, ist offensichtlich: Laut dem Webanalyse-Unternehmen StatCounter wurden in Afrika im Mai 2012 fast 13% aller Internetseiten von einem mobilen Gerät aus abgerufen, doppelt so viele wie im Jahr zuvor.

1G

Der erste Standard für mobile Telekommunikation war noch analog. Er teilt sich in drei Zeitabschnitte auf, die sich teilweise überlappen: Man spricht dabei von A-, B- und C-Netz.

In der Schweiz wurden solche Mobiltelefone “Natel” (Nationales Auto-Telefon) genannt, und sie waren gross wie ein Aktenkoffer. Der Begriff, der an die Anfänge erinnert, wird auch heute noch von vielen benutzt – sogar, wenn sie ein Smartphone besitzen.

2G

Als GSM (Global System for Mobile Communications) bekanntgeworden, erlaubte dieses System digitale Kommunikation, dank der das Versenden von Kurzmitteilungen (SMS) möglich wurde.

Gleichzeitig wurde in Japan das PDC-System (Personal Digital Cellular) lanciert, ein erweitertes 2G, weil es Datenkommunikation erlaubte und E-Mails übers Handy ermöglichte.

In vielen Teilen der Welt sind 2G-Netze noch in Gebrauch. Über die Erweiterung GPRS (General Packet Radio Service) ist bereits mit dieser Technologie ein Zugang zum Internet möglich.

Bei einer Erhöhung der Datenübertragungsrate in GSM-Mobilfunknetzen spricht man von EDGE, was oft auch als 2.5G-Standard bezeichnet wird.

3G

Unter anderem auch als UMTS bekannt, nutzt es neben weiteren Möglichkeiten und besseren Geschwindigkeiten verschiedene GSM-Dienste weiter.

Die meisten entwickelten Länder haben heute 3G-Netze. Die technische Spezifikation von 3G ist sehr komplex; es gibt viele Varianten und länderspezifische Ausprägungen.

4G

Der neuste Standard, auch Long term evolution (LTE) genannt, soll ultraschnellen mobilen Breitbandzugang zum Internet ermöglichen. Insider hoffen, dass mit 4G endlich ein globaler Standard entsteht.

In vielen Ländern werden gegenwärtig Netze aufgebaut. In der Schweiz führt Swisscom derzeit Pilotversuche durch und will bis Ende Jahr 4G in 12 Städten anbieten, Sunrise testet 4G seit einigen Monaten, Orange hat für 2013 eine Pilotphase angekündigt.

Mobiles Internet

Das Bundesamt für Statistik (BFS) spricht dann vom “mobilen Internet”, wenn von einem 3G- oder 4G-fähigen Gerät aus zugegriffen wird.

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