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Swatch in China weiter auf Expansionskurs

Leitet seit 2003 die Swatch-Geschäfte in China: Susan Chen Swatch

1979, kurz nach der Kulturrevolution, verkaufte die Swatch Group ihre erste Uhr in China. Mittlerweile ist China der wichtigste Wachstumsmarkt des Schweizer Uhrenkonzerns. - Interview mit Susan Chen, Direktorin der Swatch Group China.

swissinfo.ch: Umsatz und Gewinn der Swatch Group waren 2009 nur leicht rückgängig. Wie ist die Situation in China?

Susan Chen: Wir publizieren keine Zahlen auf Länderebene. Ich kann ihnen aber sagen, China ist seit 2007 der wichtigste Markt für unser Unternehmen, Hong Kong und Taiwan nicht mitgerechnet.

Das Wachstum war vor allem in den vergangenen acht Jahren schlicht enorm. So ist Omega, was Umsatz und Marktanteile anbelangt, nicht nur die Nummer eins der Firma, sondern auch zur Nummer eins aller importierten Uhren in China herangewachsen. Von den wichtigsten Märkten hatte China 2009 das stärkste Wachstum.

swissinfo.ch: Nick Hayek, CEO der Swatch Group, erwartet für 2010 ein Rekordergebnis. Gilt das auch für China?

S.Ch.: Ja. Es liegt allerdings in der Logik der Natur, dass in einem Wachstumstrend jedes Jahr das vorhergehende übertrifft.

swissinfo.ch: Hat die Krise denn gar keine Spuren hinterlassen?

S.Ch.: Doch. Ende 2008 und danach waren schwierige Phasen. Die schlechte allgemeine Stimmung in Antizipation wirtschaftlich harter Zeiten hatte natürlich Auswirkungen auf die Luxusgüterindustrie. Doch China hat sich sehr schnell erholt, und die Wirtschaft wächst zurzeit wieder mit rund 10%. Der Privatkonsum war auch 2009 robust.

Bei den Investitionen sind wir auf Expansionskurs geblieben. Wir haben unser Distributionsnetz landesweit ausbauen können und waren sehr aktiv. Wir haben hart gearbeitet und Kosten auf allen Ebenen eingespart. Auch beim Management. Generell bin ich immer noch der Ansicht, dass die Möglichkeiten in China grenzenlos sind.

swissinfo.ch: Welche Ihrer Uhrenmarken wird in China am meisten kopiert?

S. Ch.: Darüber führe ich nicht Buch. Bei Plagiaten muss man jedoch unterscheiden. Es werden in den Strassen der Grossstädte Chinas in der Tat gefälschte Uhren, sagen wir von Omega oder Breguet, zu Spottpreisen angeboten.

Doch – und das ist das Zentrale – die Uhren werden als unecht angepriesen, und der Käufer weiss genau, was er erhält, wenn er eine gefälschte Breguet für 30 Franken erwirbt. Diese Art der Fälschungen sind für uns kein wirkliches Problem.

Eine ganz andere Geschichte ist es jedoch, wenn Nachahmungen zum Preis der Originale verkauft werden, wenn also Kunden absichtlich und in unserem Namen betrogen werden. Glücklicherweise, und das dürfte Sie vielleicht überraschen, habe ich in all den Jahren in China keinen einzigen solchen Fall erlebt. Nicht einen einzigen! In diesem Zusammenhang sind eine gut kontrollierte Distribution sowie eine sorgfältige Auswahl der Einzelhändler sehr wichtig.

swissinfo.ch: Gibt es auch Unterschiede beim Geschmack?

S.Ch.: Marken, respektive die damit verbundenen Werte, sind von noch grösserer Bedeutung als in reifen Märkten. Das hängt damit zusammen, dass Chinesen eine Uhr nicht nur für sich selbst kaufen, sondern damit ein Statement machen wollen. Andere sollen wissen, was für einen Zeitmesser man trägt.

Feinere, weniger glitzernde Uhren werden generell bevorzugt. Diamanten und Gold sind anderorts populärer als in China. Der eher europäische Trend grosser Uhren ist hier noch nicht wirklich angekommen. Und wir stellen eine rasch wachsende Begeisterung für mechanische Uhren fest.

swissinfo.ch Welches war die erste Uhr, welche Swatch Group in China verkauft hat?

S.Ch.: Das war eine Rado im Jahr 1979. Nach der Kulturrevolution.

swissinfo.ch Wie schwierig ist es, gute Uhrmacher in China zu finden?

S.Ch.: Sehr schwierig. Hochqualifizierte Uhrmacher gibt es in China eigentlich nicht. Deshalb bilden wir sie selber aus. Dazu haben wir im Jahr 2000 die “Nicolas G. Hayek Watchmaking School“ in der Shanghai University gegründet. Wir haben klein angefangen. Heute stossen jedes Jahr rund 20 frisch ausgebildete Uhrmacher zu uns.

swissinfo.ch: Könnten Sie eigentlich mehr Uhren verkaufen, wenn Sie mehr produzieren könnten?

S.Ch.: In gewissen Bereichen wahrscheinlich schon. Auch bei limitierten Auflagen ist die Nachfrage meistens grösser als das Angebot. Bei handangefertigten mechanischen Uhren ist die maximale Produktionsmenge durch die Anzahl verfügbarer Uhrmacher bestimmt. Und diese sind auch in der Schweiz ein rares Gut.

Fabian Gull, Schanghai, swissinfo.ch

Laut dem VR-Präsidenten Nicolas Hayek erwartet der weltgrösste Uhrenhersteller im laufenden Jahr deutlich mehr als sechs Milliarden Franken Umsatz.

Im Januar und Februar haben die Verkäufe um 30% zugenommen. “Aber Achtung, dieser Rhythmus wird möglicherweise nicht das ganze Jahr anhalten. Das Wachstum wird im zweiten Halbjahr schwächer sein”, so Hayek.

In vier bis fünf Jahren sieht er die Umsatzmarke von zehn Milliarden Franken in Griffweite.

Swatch-CEO Nick Hayek hatte im Februar für 2010 ein hohes zweistelliges Umsatzwachstum in Lokalwährungen in Aussicht gestellt. Im Vorjahr hatte sich der Bruttoumsatz des Konzerns auf 5,42 Milliarden Franken belaufen.

Die gebürtige Taiwanesin leitet seit 2003 die Geschäfte der Swatch Group in China.

Zuvor arbeitete sie in der Telekommunikationsindustrie, bei American Express und bei Johnson & Johnson.

Chen ist derzeit unter anderem mit der Realisierung eines “Flagship Store” im historischen “Peace Hotel” an Schanghais Uferpromenade beschäftigt.

Anfang des Jahres wurde Chen von der Schweizerischen Handelskammer in Shanghai als “CEO of the Year” ausgezeichnet.

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