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Seco startet «Schwarze Liste» für fehlbare Waffenfirmen

Das Seco geht davon aus, dass die Sniper-Munition der Thuner Firma Swiss P Defence entgegen der Abmachung in die Ukraine gelangte. Ob sie dort im Kriegsgebiet zum Einsatz kam, ist unklar. Im Bild ein ukrainischer Sniper in der Nähe von Bachmut im September 2023.
Das Seco geht davon aus, dass die Sniper-Munition der Thuner Firma Swiss P Defence entgegen der Abmachung in die Ukraine gelangte. Ob sie dort im Kriegsgebiet zum Einsatz kam, ist unklar. Im Bild ein ukrainischer Sniper in der Nähe von Bachmut im September 2023. Reuters/Stringer/Archiv

Die Rüstungskontrolle bestraft eine polnische Firma, weil sie Schweizer Munition in die Ukraine weiterlieferte. Trotz anderweitiger Vereinbarung mit dem Hersteller Swiss P Defence aus Thun.

Die Rüstungskontrolle in Bern greift durch: Erstmals setzt sie eine ausländische Waffenfirma wegen Vertragsbruchs auf eine «Schwarze Liste». Betroffen ist die in Polen ansässige Firma UMO SP. Das zeigen Recherchen von SRF Investigativ.

Auf Anfrage schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das für die Exportkontrolle von Kriegsmaterial zuständig ist: «Wir können bestätigen, dass Exporte an die betroffene polnische Firma bis auf Weiteres nicht mehr bewilligt werden.»

Was ist passiert? Am 10. Juli 2023 schickt die Thuner Firma Swiss P Defence (ehemals Ruag Ammotec) 145’000 Schuss Sniper-Munition Kaliber 0.338 und 500’000 Schuss Kaliber 0.308 an die polnische Firma UMO SP.

Vier Tage später liefert UMO SP die Munition weiter – von Polen in die Ukraine. Doch: Dieser Wieder-Export verstösst gegen das Rüstungsembargo und ganz generell gegen das Prinzip der Schweiz, keine Waffenlieferungen an kriegsführende Staaten zu unterstützen.

Wie viel wusste Swiss P Defence?

Das Seco untersucht daraufhin den Vorfall, über den die NZZ im November 2023 auf Basis des Blogs «Defense One» berichtete. Der Prüfbericht liegt SRF Investigativ nun exklusiv vor.

Er zeigt: Die Kontrolleure identifizierten zum einen die zwei besagten Munitionslieferungen an UMO SP, die vom Seco zuvor bewilligt worden waren. Und rückten zum anderen die Frage ins Zentrum, ob die Thuner Firma Swiss P Defence vom Weiterverkauf an die Ukraine gewusst hatte.

Denn «sollte das Schweizer Unternehmen von einem Weiterverkauf / Re-export in die Ukraine gewusst haben, wäre dies ein Verstoss» gegen das Gesetz, heisst es im Prüfbericht.

Nach Sichtung der Unterlagen geben die Kontrolleure des Seco Entwarnung: «Die Prüfung ergab keine Hinweise darauf, dass die Swiss P Defence AG die Munition im Wissen darum exportiert hat, dass diese anschliessend an die Ukraine re-exportiert werden sollte.»

Die Firma habe Massnahmen getroffen, um solche Risiken zu minimieren, unter anderem eine Vereinbarung, welche die Wiederverwendung ausschliesslich «auf polnischem Territorium» erlaube. Die polnische Firma lieferte trotzdem weiter in die Ukraine.

Swiss P äussert sich nicht zum Lieferstopp an den polnischen Partner und schreibt SRF Investigativ allgemein: «Swiss P Defence beliefert ihre Kunden immer und ausschliesslich im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen der Schweiz.»

Industrie findet Seco-Entscheid «vernünftig»

Für die Schweizer Waffenindustrie sei die Firma UMO SP ein «nicht unwesentlicher Partner», sagt Matthias C. Zoller. Er ist Generalsekretär der Rüstungssparte des Industrieverbandes Swissmem. Man akzeptiere den Seco-Entscheid und finde ihn «vernünftig».

Die Schweizer Firma habe sich korrekt verhalten, die ausländische missbräuchlich – es sei richtig, dass das Seco das Gesetz durchsetze. Aber: «Es ist einfach schwierig in einer Zeit, in welcher die europäischen Nachbarn nicht mehr gewillt sind, bei uns einzukaufen. Da fällt jeder Kunde, der wegfällt, ins Gewicht.»

Die Politik reagiert positiv auf die Sperre des Seco. Der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli etwa sagt: «Das Seco hat korrekt gehandelt, denn was da passiert ist, ist de facto eine Umgehung unserer Neutralität.» Die polnische Firma habe sich nicht an vertragliche Abmachungen mit der Schweizer Firma gehalten und trotzdem Munition geliefert. «Dort ist das Problem.»

In Bezug auf Fälle wie diesen sei die Schweizer Gesetzgebung genügend, sagt Dittli. «In Bezug auf andere Fälle und insbesondere für die Zukunft ist sie völlig ungenügend, weil das dazu führen würde, dass unsere eigene Rüstungsindustrie viel weniger Aufträge erhalten würde.» 

Für Dittli müsste es künftig zwingend möglich sein, dass demokratische Staaten, die vor Jahren Schweizer Kriegsmaterial gekauft haben, dieses unter gewissen Bedingungen re-exportieren können.

«Bei Ländern, die über ein Exportkontrollregime verfügen, das mit der Schweiz vergleichbar ist, müsste die Nichtwiederausfuhr-Erklärung auf fünf Jahre beschränkt werden», sagt der Ständerat.

Eine entsprechende Änderung des Kriegsmaterialgesetzes ist derzeit in Planung. Die Vernehmlassung lief Ende Oktober 2024 ab. 

Möglicherweise Gesetzeslücke?

Auch für den Zürcher SP-Nationalrat Fabian Molina ist das Eingreifen des Seco im Fall «Swiss P» richtig. «Es darf nicht sein, dass die Schweizer Gesetzgebung von ausländischen Akteuren nicht eingehalten wird. Da braucht es Massnahmen, die zeigen: Das geht nicht.» Anders als Josef Dittli ist Molina der Ansicht, dass in solchen Fällen möglicherweise eine Gesetzeslücke bestehe. 

«Offensichtlich besteht hier Handlungsbedarf, sonst wäre es nicht zu diesen Fällen gekommen.» Ziel des Kriegsmaterialgesetzes sei es, dass Schweizer Waffen nicht in Kriegen oder bewaffneten Konflikten landen würden. Nötig sei eine bessere Handhabe, damit das Ziel der Schweizer Gesetzgebung nicht über Drittstaaten umgangen werden könne.

Die polnische Firma UMO SP schreibt, aufgrund von Vertraulichkeitsvereinbarungen mit sämtlichen Geschäftspartnern sei es nicht möglich, einzelne Geschäfte zu kommentieren.

Und antwortet allgemein: «Alle Geschäfte müssen zwingend im Einklang mit den behördlichen Vorgaben durchgeführt werden.»

Der Fall «Swiss P» ist kein Einzelfall. Gemäss Recherchen von SRF Investigativ hat sich ein ähnlicher Fall im Juni 2023 abgespielt: Drei Luftdruckpistolen des Tessiner Herstellers Morini gelangten über eine indische Firma in ein Jagdgeschäft in Moskau.

Das zeigen russische Zolldaten, aufbereitet durch die Firma Import Genius, die sich auf Handelsdaten spezialisiert hat. Auch solche Sportwaffen dürfen gemäss Rüstungsembargo nicht nach Russland exportiert werden. «Das Sanktionsverbot umfasst Waffen aller Art», schreibt ein Seco-Sprecher.

Die Firma Morini hat nach eigenen Angaben nichts vom Re-Export gewusst. Sie schreibt, als Produzent oder Distributor könne man nicht verfolgen, was nach dem Verkauf mit einem Produkt geschehe: «Und schon gar nicht in einem fremden Land oder in einem anderen Kontinent.» 

Die indische Firma hat auf die Anfrage von SRF nicht reagiert. Das Seco beurteilt Indien als mögliche Plattform für Umgehungsgeschäfte mit Russland. Ausfuhrgesuche würden daher auch unter diesem Gesichtspunkt geprüft.

Es schade der Schweizer Rüstungsindustrie «ganz massiv», wenn Waffen oder Munition über Drittländer in Kriegsgebieten landeten, sagt Matthias C. Zoller. Er ist Generalsekretär der Rüstungssparte des Industrieverbandes Swissmem.

«Die Schweizer Firmen versuchen, alles gesetzeskonform abzuwickeln, das Möglichste zu tun, damit genau das nicht passiert – und ein Fehlverhalten eines ausländischen Kunden schadet dem ganzen Image der Branche.»

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