So funktioniert das genossenschaftliche Wohnen in der Schweiz

Von der historischen Grossgenossenschaft über das selbstverwaltete Projekt bis hin zum hybriden Miete-Eigentum-Modell bieten Wohnbaugenossenschaften unterschiedliche Lösungen für bezahlbaren Wohnraum.
Im Norden von Lausanne, in Les Plaines du Loup, entsteht eine richtige Stadt. Die Finanzierungsmodelle und Lebensstile sind unterschiedlich, aber das Ziel ist dasselbe: eine Alternative zum traditionellen Immobilienmarkt.
Bis 2034 soll das Ökoquartier 8000 Menschen und 3000 Arbeitsplätze bieten. In der ersten Phase des Projekts, die Anfang 2025 abgeschlossen sein soll, wird ein Viertel der Wohnungen von Wohngenossenschaften bewohnt.
Hybridmodell zwischen Miete und Eigentum
Eine Wohnbaugenossenschaft ist eine gemeinnützige Organisation, deren Hauptziel darin besteht, Wohnungen zu erschwinglichen Mieten anzubieten, die in der Regel 15 bis 20% unter den Mieten auf dem freien Markt liegen. Jedes Mitglied hat eine Stimme und einen Anteil an der Genossenschaft, besitzt seine Wohnung aber nicht.
Die 1920 gegründete Société Coopérative d’Habitation Lausanne (SCHL) ist eine der grössten Wohnbaugenossenschaften der Schweiz. Ihr Liegenschaftsverwalter Daniel Brühlart erklärt, wie sie funktioniert: «Wir haben über 8200 Genossenschafterinnen und Genossenschafter. Sie kaufen Anteilscheine zu je 300 Franken und schaffen damit Eigenkapital für die Genossenschaft.»
Die SCHL verlangt einen Einstiegsbeitrag von 900 Franken plus 900 Franken pro Zimmer. Dafür liegen die Mieten deutlich unter dem Marktniveau.
«Für eine 4-Zimmer-Wohnung mit 91 Quadratmetern zahlen wir 1750 Franken Nettomiete, das ist wirklich fair», sagt Genossenschafter Stéphane Delanis.
Eine Genossenschaft engagierter Bewohnerinnen und Bewohner
Ebenfalls in Lausanne bietet die Genossenschaft La Meute nicht nur erschwinglichen Wohnraum, sondern auch ein echtes soziales Projekt.
Zu den 24 Wohnungen, von denen einige Migrantinnen und Migranten, Kunstschaffende und Studierende vorbehalten sind, gehören auch ein Vereinscafé und ein Zentrum für zeitgenössische Kunst.
«Wir versuchen hier, Verbindungen, Solidarität und ein gemeinsames Leben zu schaffen», betont die Genossenschafterin Annabel Glauser.
Eine Besonderheit von La Meute ist die Selbstverwaltung: Die Mitglieder kümmern sich um alles, vom Aufsetzen der Mietverträge bis zur Bauleitung.
Das spart Verwaltungskosten, kostet aber auch Zeit. «Im Durchschnitt brauche ich drei bis vier Stunden pro Woche», sagt die Lausannerin.
Die Genossenschaftsanteile sind höher (rund 20’000 Franken für eine Wohnung), können aber bei Auszug der Mietenden zurückgegeben werden.
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Zwischen Miete und Eigentum
Le Bled bietet eine Mischform an, die sowohl Mietende als auch Besitzende umfasst. Samuel Bendahan, Präsident der Genossenschaft in Lausanne, erklärt das innovative Konzept: «Eine Mieterin, ein Mieter zahlt für 100 Quadratmeter, von denen sich fünf ausserhalb der Wohnung befinden. Bei einer Eigentümerin, einem Eigentümer sind es 20 Quadratmeter.»
Mit diesem Modell lassen sich viele Gemeinschaftsräume schaffen, zum Beispiel Veranstaltungsräume, schallisolierte Musikzimmer, Spielzimmer für Kinder oder Bastelräume.
«Wir haben unsere 97 m2 grosse 4-Zimmer-Wohnung für 650’000 Franken gekauft, weit unter dem Marktpreis», sagt Genossenschafts-Mitbesitzer Filippo Gander. Um Spekulationen vorzubeugen, wird der Wiederverkaufspreis während 25 Jahren fixiert.
4% des Schweizer Wohnungsbestands
Der Anteil der Wohnbaugenossenschaften am Schweizer Wohnungsbestand stagniert bei rund 4%.
Brühlart erklärt dies mit dem schwierigen Zugang zu Grundstücken: «Auf dem freien Markt werden wir oft von Immobilienfonds ausgestochen, die zwei- bis dreimal mehr investieren als wir.»
Die Entwicklung der Genossenschaften erfordert einen politischen Willen. Bendahan, der auch Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei ist, betont: «Ohne spezifische Hilfen wie Darlehen für den gemeinnützigen Wohnungsbau wäre es viel schwieriger, diese Projekte zu entwickeln.»
Obwohl Genossenschaften oft mit der Linken in Verbindung gebracht werden, erhalten sie in einigen Gemeinden auch Unterstützung von der Rechten. Ihre weitere Entwicklung wird weitgehend von politischen Massnahmen abhängen, die ihnen den Zugang zu Grundstücken und die Finanzierung erleichtern.
Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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