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Swiss Re und WTC-Pächter vor Gericht

Ein Anschlag oder zwei? - für Versicherer eminent wichtig. Keystone

Seit Montag beschäftigen die Folgen des Anschlags vom 11. September 2001 ein Gericht in New York.

Es entscheidet darüber, wie viel Entschädigung der Hauptpächter des World Trade Centers von den Versicherungen – darunter der Swiss Re – erhält.

Der Immobilien-Tycoon Larry Silverstein hatte die beiden Türme knapp zwei Monate vor dem Anschlag als Pächter von der Port Authority of New York and New Jersey für 99 Jahre gemietet. Beim Prozess geht es im Kern nun um die Frage, ob es sich bei dem Anschlag auf das World Trade Center (WTC) versicherungstechnisch um einen einzigen Schadensfall oder um zwei getrennte handelt.

Die von Silverstein geforderten 6,6 Mrd. Dollar sind fast das Doppelte dessen, was die Versicherer bezahlen wollen. Eine “unerhörte Forderung”, wie die Swiss Re, die Schweizer Rückversicherung in einer Mitteilung schreibt. Auf sie entfallen 22 Prozent der Versicherungs-Verpflichtungen.

Barry Ostrager, Anwalt des Hauptversicherers Swiss Re, sagte zur Eröffnung des Prozesses, WTC-Pächter Larry Silverstein habe “seine Interessen” an der Versicherungssumme nach dem 11. September geändert. Die Versicherung sei aber schon am 19. Juli 2001 in Kraft getreten.

Der Anwalt Silversteins, Herb Wachtell, behauptete dagegen, die Swiss Re habe sich bereits am 26. Juli an einen Versicherungsvorschlag gebunden, nach dem die Terrorattacken als zwei Ereignisse gelesen werden können.

Unter eigener Regie

Silverstein will das WTC unter seiner eigenen Regie wieder aufbauen. Das wird aber nur möglich sein, wenn er die grössere Entschädigungs-Summe erhält.

Andernfalls wäre er auf die Hilfe von Finanzpartnern angewiesen, die ihm jedoch höchst wahrscheinlich die alleinige Kontrolle über den Wiederaufbau entziehen würden. Das will der Immobilien-Mogul vermeiden.

Langwieriger Prozess

Am Montag begann die kritische erste Phase des dreiteiligen Prozesses, den Silverstein gegen die Versicherungen angestrengt hat. Die zwölf Geschworenen müssen dabei entscheiden, welcher Versicherungstext rechtserheblich ist für die Beantwortung der Frage, ob es sich um einen oder zwei Schadens-Ereignisse handelt.

Silverstein pachtete das WTC am 24. Juli 2001. Davor hatte er mit 23 Versicherungs-Gesellschaften über eine Versicherungs-Agentur eine vorläufige Deckungszusage von 3,5 Mrd. Dollar abgeschlossen.

Im Text dieser Deckungszusage wird das Wort “Schadensereignis” definiert als Schäden, die aus einer “Reihe ähnlicher Ursachen” herrühren. Ein Berufungsgericht hat bereits entschieden, dass mit dieser Definition die Anschläge vom 11. September als ein einziger Schadensfall mit einer einmaligen Entschädigung anzusehen seien.

Frage der Relevanz

Silverstein jedoch macht geltend, der Text der vorläufigen Deckungszusage komme gar nicht zur Anwendung. Relevant sei der Text einer separaten Versicherungs-Vereinbarung vom 12. Juli 2001 mit der Travelers-Versicherungsgruppe.

Die anderen Versicherungs-Gesellschaften hätten sich dieser stillschweigend angeschlossen, so Silverstein. Und diese Vereinbarung enthält die Schadensereignis-Definition der vorläufigen Deckungs-Zusage nicht.

Daher seien es versicherungs-technisch zwei Schadensereignisse gewesen, die Silverstein zu zwei Entschädigungs-Zahlungen berechtigten. Die Versicherungen bestreiten diesen Sachverhalt.

Sie verweisen zudem darauf, dass ein Mitarbeiter, der in Silversteins Firma am 11. September 2001 für Versicherungs-Angelegenheiten zuständig war, selber unmittelbar nach den Anschlägen zwei Faxe versandte, worin er die Schadensereignis-Definition der vorläufigen Deckungs-Zusage als rechtserheblich erklärt habe.

swissinfo und Agenturen

2752 Menschen verloren bei den Anschlägen in New York ihr Leben.
Swiss Re ist mit 22% der Versicherungs-Verpflichtung am meisten betroffen.
Das WTC war für 3,5 Mrd. Dollar versichert.
Mindestkosten für die Swiss Re: 780 Mio. Dollar.

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