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Bergkinder – Porträts während des Zweiten Weltkriegs

Über 1700 Porträts von Kindern des Bündner Oberland hat Emil Brunner während den Kriegsjahren 1943 und 1944 fotografiert und schuf mit dieser Sammlung ein Inventar von hoher Aussagekraft.

Emil Brunner (1908 – 1995), der als Pressefotograf in den 1930er- und 1940er-Jahren die ganze Welt bereist und unzählige Reportagen aus vielen Ländern veröffentlicht hatte, konnte während des Krieges wenig reisen. Deswegen hat der passionierte Bergsteiger auf seinen Touren die Bündner Bergwelt erkundet. Auf seinen Wanderungen ist er immer wieder durch dieselben Dörfer gekommen und hat konsequent Kinder und Jugendliche “durchfotografiert”.

Er lichtete die Kinder nicht einfach zufällig ab oder versuchte eine heile “Heidi”-Bergwelt zu finden. Brunner hat sie gezielt in Szene gesetzt: Er stellte die Kinder vor einen Hintergrund, fast ausschliesslich alleine, den Blick frontal in die Kamera gerichtet, mit geringer Distanz und präziser Schärfe.

Mit diesem Vorgehen, dem Austauschen des “Objektes” vor dem Hintergrund werden die feinen Unterschiede der Kinder umso deutlicher. Teilweise ist es sogar möglich, Kinder auf Grund ihrer Gesichtszüge, Frisuren oder Kleider den verschiedenen Dörfern oder Familien zuzuordnen. Es sind Aufnahmen der Posierenden entstanden, die Gefühle, Erwartungen und Erfahrungen vermitteln. Die Kindergesichter sprechen zu uns: Sie sind aufmüpfig, ängstlich, fröhlich, traurig und stolz.

Ein Konzept?

Heute würde man diese Arbeitsweise als konzeptionelle Fotografie bezeichnen. Brunner war sich dessen wohl nicht bewusst. Er hat seinem Projekt den Namen “Bergkinder” gegeben. Auf die Negative schrieb er keine Namen, sondern notierte nur das Dorf, in dem die Porträtierten lebten und legte diese in einer Schachtel ab.

Was die Absicht dieser seriellen, unglaublich aufwändigen Arbeit von Emil Brunner ist nicht schlüssig. War ihm bewusst, dass er eine fotografische Bestandsaufnahme, ein eindrückliches Zeitdokument einer ganzen Region erstellte?

Bis Ende Mai 2021 zeigen drei Kulturhäuser der SurvelvaExterner Link (Büdner Oberland) Fotoausstellungen, die das Leben und Arbeiten der Bergleute in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beleuchtet. Es werden auch Bilder des Fotografen Emil Brunner gezeigt.

Mann und Jugendliche Bauern vor einer Alp
Fotostiftung Graubünden

Bei der konzeptionellen Fotografie ist die Darstellung des einzelnen Motives nicht der primäre Zweck, sondern das Konzept dahinter. Sehr häufig geht es um das serielle Erarbeiten fotografischer Themen.

Bildband Emil Brunner: Tausend Blicke Externer Link

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