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Systemwechsel in der Krankenkasse?

Bankdirektoren sollen mehr Prämien zahlen als Coiffeusen, fordert die Initiative. Evenements

Die Gesundheits-Initiative zielt auf einen Systemwechsel bei den Krankenkassen: Sie will die bisherigen Kopfprämien durch Beiträge ersetzen, die an Einkommen und Vermögen der Versicherten angepasst sind.

Weiter verlangt die Initiative eine Stabilisierung der Gesundheitskosten.

Die Sozialdemokratische Partei (SP), welche die Volksinitiative “Gesundheit muss bezahlbar bleiben” lanciert hat, argumentiert, dass in der Schweiz die höchsten Krankenkassen-Prämien Europas bezahlt würden.

Die SP moniert, das Kopfprämien-System der Schweiz sei europaweit einzigartig – und unsozial. Besonders Personen und Familien mit kleinen Einkommen würden mit den heutigen Prämien überproportional belastet.

Weg von der Kopfprämie

Die obligatorische Krankenversicherung soll laut den Initianten zu rund drei Vierteln aus Beiträgen der Versicherten finanziert werden, abhängig von Einkommen und realem Vermögen.

Die restlichen 25% würden finanziert aus zusätzlichen, zweckgebundenen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuer würde zu diesem Zweck um 1,5% erhöht.

Von diesem Systemwechsel – weg von der Kopfprämie – würden Familien mit Einkommen bis 200’000 Franken und einem Vermögen bis einer Million Franken profitieren. Damit müssten laut SP-Zahlen rund 80% der Bevölkerung wesentlich tiefere Prämien bezahlen als heute.

Die zweite Massnahme greift bei den Gesundheitskosten: Diese sollen auf Bundesebene gelenkt werden. Dazu gehören zum Beispiel Höchstpreise für medizinische Leistungen, eine Regulierung der Ärztezahl durch ökonomische Anreize und die Koordination der Spitzenmedizin.

“Es ist nicht einzusehen, weshalb wir in der Schweiz sieben Transplantationszentren brauchen”, sagt Nationalrätin Christine Goll, Vizepräsidentin der SP.

Zu viel Staat?

Der Präventivmediziner und FDP-Nationalrat Felix Gutzwiller ortet in der Initiative jedoch eine “Staatsmedizin”. “Vereinfacht gesagt sieht das Modell einfach eine zentralstaatliche, eine Bundesplanung vor.” Anreize zu kostenbewusstem Verhalten würden in der Initiative fehlen.

Gutzwiller verweist dabei auf das derzeitige Modell der Prämienverbilligung für wirtschaftlich Schwache, das mit der Revision des Krankenversicherungs-Gesetzes verbessert werden soll. “Da kann man Verbesserungen definieren.”

Doch einen Systemwechsel hält er für übertreiben. Goll ist anderer Meinung: “Das mit dem Krankenversicherungs-Gesetz versprochene Sozialziel wird heute nicht eingehalten. Vor allem Familien mit Kindern bezahlen zu viel.”

Wesentlich tiefere Prämien

Gerade diesen bringe die Initiative wesentliche Einsparungen. “Unser Modell der sozialen Finanzierung, vor allem abhängig vom Einkommen der Leute, entlastet über 80% der Versicherten”, verspricht Goll.

Familien mit einem jährlichen Einkommen bis 200’000 Franken könnten vom neuen System profitieren. Reiche hingegen müssten für ihre Krankenversicherung wesentlich tiefer in die Tasche greifen.

Dies sei nur eine Umverteilung ohne eigentliche Lösung, bemängelt Gutzwiller. Sie führe “zu einer Erhöhung der Steuerquote. Sei es über die Mehrwertsteuer oder über eine Reichtumssteuer.”

Und viele Versicherte, die heute eine Prämienverbilligung erhielten, würden bei einem Systemwechsel durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer stärker zur Kasse gebeten.

Dazu Felix Gutzwiller: “Im heutigen wirtschaftlichen Umfeld ist das sicher nicht der Weg, den wir gehen wollen.” Daher sei die Revision des Krankenversicherungs-Gesetzes die bessere Lösung.

Doch gerade diese Reform hätten FDP und SVP abgeblockt, sagt Goll. Daraus folgert sie: “Wir sind weit davon entfernt, eine Lösung für die Praxis in Aussicht zu haben.”

Am 18. Mai entscheiden Volk- und Stände über die Initiative.

Die Situation der Auslandschweizer

Grundsätzlich müssen nur Personen mit Domizil in der Schweiz obligatorisch versichert sein. Bei der Auswanderung kann die Krankenversicherung theoretisch aufrechterhalten werden, die meisten Versicherer bieten diese Möglichkeit aber nicht an.

Für Schweizerbürgerinnen und -bürger mit Wohnsitz im Ausland gibt es nach wie vor kaum gesetzliche Grundlagen, um von schweizerischen Krankenversicherern eine Deckung zu bekommen. Die Kassen haben die Möglichkeit, nicht jedoch die Verpflichtung, Produkte für Auslandschweizer anzubieten.

swissinfo, Christian Raaflaub

Die Gesundheitsinitiative will die Kopfprämien in der obligatorischen Krankenversicherung abschaffen. Prämien würden neu nach Einkommen und Vermögen bemessen.

Gesundheit soll bezahlbar sein und bezahlbar bleiben.

Ausserdem sollen die Gesundheitskosten stabilisiert werden. Der Bund soll dazu mehr Kompetenzen erhalten.

Bundesrat und Parlamentsmehrheit lehnen die Initiative ab. Sie setzen auf die Revision des Krankenversicherungs-Gesetzes (KVG), über die im Juni debattiert wird.

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