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Teure Schweizer Gesundheit

Seit 1997 schnellten die Kosten des Gesundheitswesens um jährlich durchschnittlich 4% in die Höhe. Keystone

Gute medizinische Versorgung hat ihren Preis. Verglichen mit anderen Industriestaaten liegt ihr Preis in der Schweiz jedoch hoch, wie eine WTO-Studie zeigt.

Rund 10 Prozent höhere Krankenkassenprämien erwarten Experten im nächsten Jahr – eine Zunahme, die gemäss Gesundheitsökonom Willy Oggier zur Regel werden könnte. Für die nächsten Jahre sei mit einem generellen Kostenanstieg in diesem Bereich zu rechnen, sagte er gegenüber SF DRS.

Mitverantwortlich für die steigenden Kosten seien die Kassen, welche ihre Reserven aufgebraucht haben sowie die hohe Ärztedichte. Immer wieder wird auch die Qualität des Gesundheitssystems genannt, wenn von den hohen Kosten gesprochen wird. Eine WHO-Studie zeigt hingegen, dass es mit der Qualität weniger weit her ist als allgemein angenommen.

Schweiz auf Rang 20

In einem internationalen Vergleich der Weltgesundheits-Organisation WHO aus dem Jahr 2000 (neuer Vergleich erst 2003) zur Qualität der Gesundheits-Systeme erscheint die Schweiz gerade mal auf Platz 20. Rang 1 belegt Frankreich, Nummer 2 ist Italien. Kriterien der WHO für die Rangierung waren verschiedene. Untersucht wurden etwa der Gesundheitszustand der Bevölkerung, der Respekt gegenüber dem Patienten oder die Verteilung der finanziellen Lasten.

Mittelmässige Qualität in der Gesundheitsversorgung bedeutet hingegen nicht, dass auch die Kosten mittelmässig sind, wie die WHO- Studie weiter zeigt. Im Gegenteil: Das Schweizerische Gesundheitssystem ist im internationalen Vergleich das zweit-teuerste, nur die US-Amerikaner bezahlen noch mehr.

Leistungsfähigkeit: Ungenügend

Die Leistungsfähigkeit des schweizerischen Gesundheitswesens unter die Lupe genommen (Sept. 2001) hat auch Prof. Gianfranco Domenighetti, Leiter der Gesundheitsabteilung des Departementes für soziale Angelegenheiten des Kanton Tessins und Gastprofessor an der Universität Lausanne. Verglichen hat er unter anderem Kosten, Ressourcen, Sterblichkeit und Zufriedenheit der Bevölkerung anderer Industrieländer.

Grundlegende Quellen dieser Untersuchung waren Daten der OECD, WHO und der Welternährungs-Organisation FAO. Fazit: International gesehen muss die Leistungsfähigkeit im Vergleich zu den anfallenden Kosten als ungenügend angesehen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass Länder mit weniger Kosten pro Einwohner bessere Indikatoren der Gesundheit und der Zufriedenheit der Bevölkerung erzielen, zum Beispiel Schweden, Belgien und die Niederlande.

Bundesrat in Klausur

Am Mittwoch und Donnerstag zieht sich der Bundesrat in die Karthause Ittingen zurück, um die brennenden Probleme der Krankenversicherung zu erörtern. Fakt ist: Die Kosten des Gesundheitswesens schnellten ab 1997 um jährlich 4% im Mittel auf heute über 40 Mrd. Franken hinauf.

Bereits hagelt es von allen Seiten neue Rezepte. Auch Sozialministerin Ruth Dreifuss hält rasches Handeln für angezeigt. Dies aber mit einer klaren Grenze: Das von bürgerlicher Seite geforderte Abspecken des Grundleistungs-Katalogs kommt für die Gegnerin einer Zweiklassenmedizin nicht in Frage.

Mitte Dezember liess die Sozialministerin im Bundesrat einen Versuchsballon steigen. Sie fand aber wenig Anklang. Das Kollegium lehnte es insbesondere ab, die von den Kantonen nicht abgeholten 500 Bundes-Millionen für die Prämienverbilligung schon nächstes Jahr zur Senkung der Kinderprämien einzusetzen. Auch die Idee eines Hochkostenpools für teure Fälle stiess auf Skepsis.

Auch Versicherer regen Diskussion an

Der Konflikt der Qualität des Gesundheitswesens zwischen Anspruch und Machbarkeit – diese Frage beschäftigt derzeit auch die Krankenkassen und deren Rückversicherungen. Die RVK Rück, welche 58 kleinere und mittlere Krankenversicherer repräsentiert, lädt deshalb am Donnerstag zum “4. Schweizerische Forum der sozialen Krankenversicherung”.

Referentinnen und Referenten äussern sich dazu, ob hohe Kosten auch hohe Qualität bedeuten. Sie gehen unter anderem der Frage nach, warum Frankreich für seine Gesundheitsversorgung von der WHO mehr Punkte als die Schweiz erhält.

Laut Moritz Helfenstein, Direktor RVK Rück, sieht der französische Referent Alain Coulombe, den Grund vor allem in Frankreichs staatlicher Qualitätsbeurteilung von Ärzten und Spitälern nach einheitlichen Standarts. Einheitliche staatliche Qualitäts-Standarts sowie vermehrte -Kontrollen seien der beste Weg zu einer Verbesserung der Qualität und schliesslich zur Dämmung der Prämienkosten, meint Moritz Helfenstein.

Der Beginn einer solchen Standardisierung, der Ärztetarif TarMed, wird in der Schweiz allerdings erst ab 2004 eingeführt. Die Spitäler können ihre Strukturen im ambulanten Bereich nicht vorher anpassen. Damit führen auch die Ärzte den TarMed erst ein Jahr später als vorgesehen ein.

Kathrin Boss Brawand

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