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Tiefere Steuern, höherer Schnapskonsum

Vor allem junge Männer greifen häufiger zur Schnapsflasche. Keystone Archive

Der Spirituosenkonsum in der Schweiz ist innerhalb von zwei Jahren um 39% in die Höhe geschnellt. Grund für die Zunahme ist laut einer Studie die tiefere Besteuerung der importierten Schnäpse.

Das Spirituosengewerbe widerspricht diesen Zahlen vehement.

Am 1. Juli 1999 ist auf Grund von Verträgen mit der Welthandels-Organisation (WTO) die Besteuerung von importiertem Schnaps um bis zu 50% reduziert worden. Der erwartete Anstieg des Spirituosenkonsums hat sich nun gemäss einer Studie bestätigt.

Wie die Eidgenössische Alkoholverwaltung (EAV) am Freitag mitteilte, ist der Konsum von Spirituosen in der Schweizer Bevölkerung innerhalb von gut zwei Jahren um rund 39% angestiegen. Eine Abnahme bei anderen alkoholischen Getränken habe dies nicht bewirkt.

“Beunruhigende Ergebnisse”

Bei einzelnen Bevölkerungsgruppen lag die Zunahme des Konsums deutlich über dem Mittel von 39%. Bei Männern unter 30 Jahren stieg der Konsum um 75%, bei den Romands um 60% und bei den über 30-jährigen Frauen um 55%.

Den Spirituosenkonsum änderten jene Menschen am deutlichsten, die vor der Preisänderung wenig oder gar keine starken Alkoholika getrunken hatten.

Zusammen mit dem geänderten Trink- hat sich auch das Kaufverhalten verändert. Die Spirituosenkäufe im Inland nahmen um rund einen Drittel zu. Gleichzeitig ging der Kauf im Ausland um fast einen Viertel zurück.

Die Ergebnisse seien beunruhigend, sagte EAV-Direktor Lucien Erard vor den Medien. Die Studie zeige, dass Steuern ein Instrument seien, den Konsum von Spirituosen gezielt zu lenken. Die geplante höhere Steuer auf Alcopops werde deshalb begrüsst.

Kinder schützen

Für den Direktor der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA), Richard Müller, braucht es weitere Massnahmen.

Kinder müssten stark gemacht werden, so dass sie das Leben ohne Rückgriff auf Drogen meisterten. Deshalb seien ihnen Perspektiven für die Zukunft zu vermitteln. Auch auf diesem Feld gebe es viel zu tun.

Kinder hätten normalerweise eine Abneigung gegen Alkohol. Die Alcopops dagegen fänden sie wegen ihrer Süsse “cool”. Diese verführten sie damit als eigentliche Einstiegsdroge zum Alkohol.

Umstrittene Zahlen

EAV und SFA räumen ein, dass die Studie offiziellen Statistiken widerspricht. Sie erklären dies unter anderem damit, dass Kauf und Konsum nicht deckungsgleich sein müssten. So seien offensichtlich vor der Verbilligung der Importschnäpse Lager aufgebraucht worden, was die Statistik beeinflusst habe.

Die Schweizerischen Importeure von Markenspirituosen werfen der EAV vor, widersprüchliche Zahlen zu veröffentlichen. Der Alkoholkonsum sei nicht gestiegen, sondern seit 1985 um fast einen Fünftel gesunken.

Gemäss den offiziellen Angaben der Alkoholverwaltung sei der Alkoholkonsum zwischen 1985 und 2001 um rund 19% zurückgegangen, schreiben die Importeure in einer Pressemitteilung. Der Konsum von Spirituosen sei in derselben Zeit um 30% gesunken.

Zwischen 1999 und 2000 sei der Konsum zwar um über 8% gestiegen, habe sich im Jahr darauf aber wieder stabilisiert. Mit ihrer “gewagten Aussage” stehe die EAV in Widerspruch mit eigenen Statistiken und auch mit den Zahlen des Bundesamts für Landwirtschaft und der Oberzolldirektion, schreiben die Spirituosen-Importeure.

swissinfo und Agenturen

Zunahme Schnapskonsum:
Männer unter 30: +75%
Romands: +60%
Frauen: +55%
im Mittel: +38,8%

Bevor im Juli 1999 die Steuern auf Spirituosen gesenkt wurden, befragte die SFA 4000 über 15-Jährige zu ihrem Alkoholkonsum.

Im Herbst 2001 wurde die Studie im Auftrag der EAV wiederholt.

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