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Trends zu stolzen Preisen

Karin Maurer von "Beige" hat die "Roger-Staub-Mütze" neu aufgelegt. swissinfo.ch

Wer Geld ausgeben will, muss das nicht in New York, Paris oder London tun. Auch in Zürich gibt es Orte, wo mit viel Enthusiasmus edle Objekte angeboten werden.

Besonderes Augenmerk gilt Design aus der Schweiz. Vieles davon wird hier produziert, kostet aber auch entsprechend.

“Wir sind eine Mischung aus Concept Store und Highend-Streetwear-Shop, wir verkaufen, was nicht alle verkaufen. Die typischen Kunden sind 18 bis 58 Jahre alt, auf Lifestyle und Mode ausgerichtet und kommen vor allem aus den Bereichen Werbung, Grafik, Architektur und Musik.”

Sein Handy klingelt. Mitch Soland klappt es auf, schaut aufs Display, dann entschuldigend auf den Journalisten. “Muss ich abnehmen.”

Er geht vors Lokal am Escher-Wyss Platz im Zürcher Industrie-Quartier. Sein Milchkaffee wird kalt, das Päckchen Winstons bleibt neben der Untertasse liegen. Er kümmert sich um die Eröffnung eines neuen Ladens um die Ecke des Hauptgeschäfts. Soland ist Chef-Einkäufer von “The Gloss”.

Hip Hop, Uma Thurman und dicke Parkas

In diesem Kleider-Laden läuft Hiphop, ist das Dekor momentan Lila, steht auch mal Uma Thurman als Bills Braut lebensgross in Pappe im Schaufenster, und in den Umkleide-Nischen stehen wacklige armeegrüne Camping-Hocker.

Es gibt dicke Parkas mit Kragen aus Kojoten-Fell, und eine Jeans kann bis zu 400 Franken kosten. Das Geschäft läuft: Seit vier Jahren in Zürich und seit einem Jahr in Luzern.

“Ich kann verstehen, dass nicht alle Leute 400 Franken für eine Hose bezahlen wollen”, sagt Soland, der geduldig vom harten Business mit den teuren Kleidern erzählt. Der 27-Jährige bewegt sich heute im Mittelfeld: Seine Baggy Jeans hat 189 Franken gekostet. “Das kommt auf das Label an.”

Marke als Argument

Labels, Marken, gehören zu einem urbanen Lifestyle und werden gezeigt. Gezeigt werden auch immer mehr Schweizer Marken. Seit über zehn Jahre steht “Freitag” für die gleichnamige Tasche aus Lastwagen-Blachen und für Schweizer Design, das auch auf der 5th Avenue im Big Apple gut ankommt.

“Ausser dem Nähen werden die Taschen in der Schweiz produziert”, betont Christina Roth, Head of Marketing, gegenüber swissinfo. Verkauft werden diese in Flagship-Stores in Hamburg und Davos sowie in Läden wie “The Gloss”.

“Wer sie verkaufen will, muss sich engagieren und zu uns passen, wir wollen nicht nur möglichst viel verkaufen”, ergänzt Roth.

In den vergangenen elf Jahren seien denn auch nur verhältnismässig geringe 400’000 Produkte – hauptsächlich Taschen und Portemonnaies – verkauft worden.

Gestrickt in Kleinbetrieben

Hinter der verschiebbaren Trennwand zum Verkaufsraum an der Josefstrasse hinter dem Hauptbahnhof stapeln sich Säcke mit Kleidern für eine Modeschau, im Büchergestell stehen Grafik- und Ornament-Bücher, der Computer liefert Easy-Listening-Musik, die Waschmaschine dreht ihre Trommel.

“Das ist jetzt private Wäsche, aber wir machen auch Tests damit”, sagt Karin Maurer. Sie hat 1996 mit Manuela Helg nach ihrem Abschluss an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich (HGKZ) das Label “Beige” gegründet.

In den Industrie-Gestellen stapeln sich Pullover, Westen, Kissenbezüge, Handwärmer, Accessoires – alles gestrickt in Schweizer Kleinbetrieben.

Der wiederaufgelegte Klassiker von “Beige” ist die Roger-Staub-Kappe – eine Ski-Mütze, benannt nach dem erfolgreichen Schweizer Ski-Rennfahrer – die mit stolzen 120 Franken zu Buche schlägt.

Dass das viel Geld ist für warme Ohren, zeigt den beiden Designerinnen auch die Kundschaft. “Ganz junges Publikum ist selten”, sagt Maurer. “Vor allem Mode- und Designbewusste die gut bis besser verdienen, kaufen hier.”

Etabliertes Crossdressing

Produkte, die in der Schweiz produziert werden, sind deutlich teurer als jene der ausländischen Konkurrenz. “Die Leute fragen zwar, woher die Ware kommt”, sagt eine Verkaufs-Fachfrau. “Aber ob sie bereit sind, dafür soviel mehr zu zahlen, ist fraglich.” Hohe Einstandspreise und geringer Umsatz – das sind die Probleme jener Läden, die keinen Einblick in ihre Bücher geben.

Alle Trend-Läden buhlten um dieselben Kundinnen und Kunden, gesteht auch ein Branchen-Kenner ein, der für eine der grossen Schweizer Marken arbeitet. Dass insgesamt aber mehr Geld ausgegeben werde als früher, glaubt er nicht.

Die Leute würden ihr Geld differenzierter und konzentrierter ausgeben. “Eine Hose für 400 Franken kombiniert mit einem T-Shirt von ‘Hennes and Mauritz’ für 19 Franken – dafür wäre man vor drei Jahren noch geteert und gefedert worden, heute gilt das als chic”, erklärt er. Und: “Das hat mit arm und reich nichts zu tun, sondern mit Lebenshaltung.”

“Saus und Braus” ist Programm

In diesem Sinne fast ironisierend als Programm könnte der Name “Saus & Braus” des “Kaufhauses für Design” aufgefasst werden. “Wir verkaufen hier Produkte von ungefähr 40 Schweizer Designern”, sagt Andrea Roca vom Verkaufs-Team.

Im Geschäft an der Ankerstrasse im Kreis 4 treffen sich Taschen und Fussbälle von “Freitag” und Mützen von “Beige” mit Strick-Kreationen von “Xess und Baba”, dem Label hinter dem die beiden Designerinnen Tina Grässli und Barbara Rüegg stehen, das sogar im alt-ehrwürdigen “Heimatwerk” verkauft wird.

Wer will, kann hier auch einen Gurt mit einer alten Velonummer als Schnalle kaufen. “Man hat in den letzten Jahren gemerkt”, wirft Roca ein, “dass Schweizer Design etwas hergibt.”

Und für Leute, die beim Shoppen in Zürich auf die weite Welt schielen, kauft Mitch Soland die edelsten Trends aus Übersee ein.

swissinfo, Philippe Kropf in Zürich

Hose: 389 Franken
Tasche: 199 Franken
Mütze: 120 Franken

In Zürich bieten Trend-Shops Mode aus aller Welt an.

Die letzten Jahre haben immer mehr auch Schweizer Labels in die Läden gebracht.

Die Schweizer Produktion ist teuer. Ob die Kundschaft bereit ist, dafür zu bezahlen, bleibt fraglich.

Die Kombination von Luxus-Kleidern mit Billig-Teilen fördert aber diese Art von lokalem Design.

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